Mehr oder weniger Intelligence? Über die Rolle der Geheimdienste

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Die deutsche Regierung hat ein Problem dem eigenen Geheimdienst

Deutsche Regierungschefs scheinen dagegen, anders als US-amerikanische und britische, ein Problem mit ihren eigenen Geheimdiensten zu haben. Helmut Schmidt ließ sich nach eigenen Aussagen als Bundeskanzler nie einen Bericht des BND vorlegen. Er meinte, die Ergebnisse solcher Berichte beruhten oftmals auf Eindrücken, die stark durch die politischen Präferenzen des Berichterstatters gefärbt seien. Durch seine engen Kontakte zu den damaligen Größen der Politik in Ost und West verfügte er wohl über ausreichend Informationen. Auch Helmut Kohl war kein dankbarer Klient der deutschen Dienste. Auf einem Empfang anlässlich des 60. Geburtstages von Klaus Kinkel 1996 in Bonn kam er in seiner Laudatio auf die BND-Tage des Jubilars zu sprechen, die ein blinder Fleck in dessen Biographie seien.

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Schild "Bundesnachrichtendienst" Quelle: AP
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Eine Frau telefoniert mit einem Telefon Quelle: obs
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Bildcollage zum Thema Telekommunikation Quelle: dpa

Merkel verhandelt lieber als zu spionieren

Im Übrigen wüsste er, Kohl, nicht, was und ob dort überhaupt etwas gearbeitet würde. Dass diese Einschätzung bei den Sicherheitsbehörden nicht sonderlich gut ankam, erscheint verständlich. Schließlich war es derselbe Helmut Kohl, der 1991 den damaligen Generalsekretär Gorbatschow gegen die Moskowiter Putschisten unterstützte. Das schien zu jenem Zeitpunkt eine mutige Entscheidung, schließlich standen noch 400.000 russische Soldaten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Allerdings wusste Kohl aus BND-Berichten, dass die Putschisten keine breite Unterstützung im Militär hatten. Mit dieser Information konnte er seinem Freund Gorbatschow ohne großes Risiko für Deutschland zur Seite stehen. Das hat Gorbatschow auch nie vergessen.

Auch Bundeskanzlerin Merkel scheint dem Nutzen von geheimdienstlichen Informationen eher ablehnend gegenüber zu stehen. Im ARD-Sommerinterview 2015 wurde sie auf die Aktivitäten der NSA angesprochen und meinte, dabei stünden Aufwand und Ertrag nicht im Verhältnis. Auch richte das Ausspionieren von Freunden mehr Schaden an als es Nutzen bringe. Sie verhandle lieber, ohne zu wissen, was ihre Gesprächspartner dächten.

Deutsche Politiker haben Intelligence nicht verstanden

Diese Beispiele zeigen, dass es die deutsche Politik bislang nicht recht verstanden hat, welchen Wert Intelligence besitzen kann. Sie steuert die Beschaffung von Intelligence nicht nach Prioritäten in enger Anbindung an die vorhandenen nachrichtendienstlichen Ressourcen und Fähigkeiten. Eine solche Vorgehensweise zwänge die Dienste, Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen, und sie zwänge die Politik, sich darüber schlüssig zu werden, welche Intelligence sie tatsächlich benötigt. Die Politik verwechselt auch zu oft öffentlich zugängliche Informationen mit Intelligence. Öffentlich zugängliche Informationen können Politiker der Presse und sonstigen Veröffentlichungen entnehmen, Intelligence hingegen wird von den Diensten geliefert.

Die klassische Intelligence basiert auf dem Sammeln von Informationen aus diversen Quellen. Diese reichen von menschlichen Quellen und Informanten (HUMINT) über abgefangene Gespräche und Kommunikation (COMINT) sowie elektronische Informationen (ELINT). In letzter Zeit sind weitere Informationsquellen wie Satellitenbilder (IMINT), Standortbestimmungen (LOCINT) und geografische Informationen (GEOINT) hinzugekommen. Auch sind öffentlich verfügbare Informationen (OSINT) immer wichtiger geworden. Das Internet erlaubt den Diensten Zugang zu einer Vielzahl von Informationen über Zielpersonen, Länder und Wirtschaft. Gleichzeitig nutzen Zielpersonen und -gruppen das Internet, um miteinander zu kommunizieren und ihre Botschaften in die Welt zu tragen. Die Dienste bedienen sich nicht nur aus dem Internet, sie müssen auch genau verfolgen, wer im Internet was kommuniziert.

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