Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das sich Microsoft gesteckt hat. Das neue Betriebssystem Windows 10 soll innerhalb der nächsten zwei Jahre auf einer Milliarde Geräte laufen – von der Datenbrille Hololens über das Smartphone bis zum Desktop-PC.
Um die Marke zu erreichen, setzt der Softwarekonzern die Nutzer nun sanft unter Druck: Anfang der Woche hat er damit angefangen, Windows 10 auf Rechnern mit den Vorgängerversionen 7 und 8.1 als „empfohlenes Update“ anzuzeigen. Und wer an der falschen Stelle OK klickt, hat das System womöglich bald schon installiert. Was Nutzer jetzt wissen müssen.
„Microsoft empfiehlt das Upgrade auf Windows 10“ – so wirbt der Konzern derzeit auf zahlreichen PCs für sein neues Betriebssystem. Wer ein Gerät mit Windows 7 oder 8.1 hat, kann und soll die neue Version bis Ende Juli kostenlos installieren. Der Konzern kehrt von seiner bisherigen Vertriebspolitik ab und verschenkt die Software, um eine möglichst große Basis für sein Betriebssystem zu schaffen – einerseits, um seine Cloud-Dienste vermarkten zu können, andererseits, um Entwickler dazu zu bewegen, Apps zu programmieren.
Nach der Einführung von Windows 10 konnten Nutzer das Upgrade zunächst nur über das kleine Windows-Symbol in der Taskleiste reservieren und dann später installieren. Inzwischen geht es schneller, Microsoft drängt Nutzer sogar geradewegs dazu. Wer auf seinem Rechner automatisch Updates installiert und dabei auch optionale Updates einschließt, stößt die Aktualisierung sogar automatisch an.
Die Dateien wieder los zu werden, ist gar nicht so einfach. Dafür ist entweder ein Eingriff in die Registrierdatenbank nötig. Oder man deinstalliert das Update Programm von Microsoft. Eine Anleitung finden Sie beispielsweise hier.
Dass sich die Software ganz von selbst installiert, müssen Nutzer nicht fürchten, ohne eine Bestätigung der Lizenzbedingungen passiert nicht. „Die Installation wird nur ausgeführt, wenn der Nutzer zustimmt“, versicherte Microsoft auf Anfrage dem Handelsblatt.
Wie Sie Windows 10 das Schnüffeln abgewöhnen
Sofern Sie Windows 10 nicht vorinstalliert auf einem neuen Rechner gekauft oder im Zuge des aktuellen Gratis-Update-Angebots bereits installiert haben, können Sie allzu großer Neugier schon im Einrichtungsprozess einen Riegel vorschieben.
Wählen Sie dann im Zuge der Installation nicht die Standard- oder Express-Einstellungen. Wer hier „Einstellungen anpassen“ anklickt, kann unter anderem blocken, dass Apps eine nutzerspezifische Werbe-ID an Internet-Dienste verschicken.
Auch der Versand von „Informationen zu meinem Schreibverhalten“ lässt sich an dieser Stelle unterbinden. Im Unterpunkt Datenschutz lässt sich zudem einstellen, dass der Rechner keine Informationen über seinen Standort an Microsoft meldet. Das, übrigens, ist ein perfektes Beispiel dafür, wo Microsofts Neugier und das Nutzerinteresse durchaus zusammen fallen können.
Denn wer etwa auf dem neugestalteten Start-Fenster beim Start die aktuellen Wettervorhersage für seinen Standort angezeigt bekommen möchte, oder bei der Suche auf dem Tablet einen Italiener in der Nachbarschaft, der kommt nicht umhin, dem Programm zu verraten, wo er sich befindet.
Läuft Windows 10 bereits, dann lassen sich die voreingestellten Optionen auch nachträglich noch ändern. Die entsprechenden Einstellungen erreichen Sie über das Start-Menü unter [Einstellungen], [Datenschutz]. Dort können Sie auch fein justieren, wie Microsoft Werbung einblendet und welche anderen Personalisierungsinfos erfasst, bzw. geteilt werden. Die Zugriffsbefugnisse auf Kamera und Mikrofon finden sich hier ebenso wie die Möglichkeit, Apps grundsätzlich den Zugriff auf Namen, Bild und andere Kontoinfos zu verweigern.
Tatsächlich lässt sich in der Datenschutz-Rubrik extrem detailliert einstellen, welche Apps auf welche Nutzerdaten, auf Kalender und auf die Kontakte zugreifen können. Standardmäßig stellt Microsoft alle Signale auf „grün“, per Klick auf den jeweiligen Schalter kann der Nutzer sie aber ebenso auf „rot“ schalten.
Auch hier verschwimmen mitunter die Grenzen zwischen sinnvollem Schutz der Privatsphäre und praktischem Nutzen der Software. Ein Leser von Zeit Online beispielsweise weist in einem Kommentar darauf hin, dass etwa die App Kochen&Genuss den (zunächst fragwürdig scheinenden) Zugriff auf die Kamera benötige, damit sich die App auch per Gesten steuern lasse und man Rechner oder Tablet beim Kochen nicht mit schmutzigen Fingern bedienen müsse.
Nur - auch hier gilt: Opt-In wäre die vertrauenerweckendere Strategie gewesen.
Wer die Kontrolle über seine an Microsoft geschickten Daten behalten will, sollte die einzelnen Punkte der Datenschutz-Rubrik Stück für Stück durcharbeiten. Im Zweifel reicht es, einzelne Funktionen probehalber zu deaktivieren und dann zu prüfen, ob irgendwelche relevanten Windows-Funktionen plötzlich den Dienst verweigern. Läuft alles wie bisher, können die Schalter auf „Aus“ stehen bleiben.
Wer aber unter [Spracherkennung, Freihand und Eingabe] das etwas sonderbar formulierte Auswahlfeld [Kennenlernen beenden] auswählt, sollte wissen, dass er damit Cortana und die damit verbundenen Assistenz-Funktionen komplett deaktiviert – einschließlich der Diktier-Möglichkeit.
Wer etwas weniger rabiat zu Werke gehen will, kann auch in den Einstellungen der Cortana-App selbst justieren, welche Quellen der Cyber-Assistent anzapfen und welche Informationen er wohin senden darf.
Ebenfalls außerhalb der oben schon erwähnten primären Datenschutz-Einstellungen findet sich ein weiteres (ebenso nützliches wie neugieriges) Feature, das sich hinter der Bezeichnung „WLAN-Optimierung“ verbirgt und es ermöglicht, den Rechner automatisch mit Funknetzen zu koppeln, die Microsoft als vertrauenswürdig bewertet. Und zudem mit solchen Hotspots, mit denen sich die Kontakte des Nutzers bereits verbunden haben und deren Zugangsdaten sie – via Microsoft – verschlüsselt weiter geben.
Das kann immens praktisch sein, wenn sich Windows-Tablet, -Laptop oder -Smartphone auch dort plötzlich mit dem schnurlosen Internet verbinden können, wo der Nutzer selbst gar nicht die Zugangsdaten des jeweiligen Netzes kennt. Zugleich aber verlangt das einiges an Vertrauen auf die Datentreue von Microsoft, seine Nutzernamen und Passwörter (wohlgemerkt: verschlüsselt) auf den Servern in Redmond abzulegen.
Die Nutznießer dieses Datenaustauschs bekommen die Zugangsdaten zwar selbst nicht zu sehen, aber wem die Vorstellung missfällt, der sollte die entsprechende Funktion unter [Einstellungen], [Netzwerk und Internet], [WLAN-Einstellungen verwalten] deaktivieren.
Selbst wenn man versehentlich auf „OK“ und die Einrichtung von Windows 10 beginnt, ist das kein Problem: Für einen Zeitraum von 31 Tagen lässt sich das Upgrade mit einigen wenigen Klicks wieder rückgängig machen. Danach allerdings nicht mehr.
Zur aggressiven Strategie gehört auch, dass Microsoft die Dateien im Hintergrund automatisch herunterlädt – so lässt sich der Prozess deutlich beschleunigen. Allerdings fragt das Unternehmen vorher nicht nach. Mit diesem Vorgehen hat sich der Konzern juristischen Ärger eingehandelt: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat das Unternehmen abgemahnt.
„Für uns ist das eine unzumutbare Verbraucherbelästigung, wenn so ein Installationspaket ohne das Wissen der Nutzer aufgespielt wird“, erklärt die Organisation. Sie argumentiert, dass den Verbrauchern durch den Download im Hintergrund Kosten entstehen können, wenn sie keine Internet-Flatrate haben, sondern fürs Datenvolumen zahlen.
Zudem moniert sie, dass bei Rechnern mit kleiner Festplatte der Speicherplatz schnell ausgeschöpft sei – etwa wenn man ein schnelles SSD-Laufwerk mit relativ geringer Kapazität habe. Das Installationspaket umfasst rund sechs Gigabyte – wer es nicht wolle, müsse die Dateien selbst löschen.
Da Microsoft keine Unterlassungserklärung abgegeben habe, werde man den Konzern nun verklagen, teilte die Verbraucherzentrale auf Anfrage des Handelsblatts mit. Der „Zwangsdownload“ sei eine „unzumutbare Belästigung“ und verstoße daher gegen das Wettbewerbsrecht (UWG). Das verbietet ein „hartnäckiges Ansprechen“ der Verbraucher, wenn dies erkennbar nicht erwünscht sei.