Moxie Marlinspike Der Mann, der Geheimnisse zurückbringt

Erst Anarchie, dann Milliardenmarkt: Moxie Marlinspike programmierte den Goldstandard der Nachrichtenverschlüsselung. Wer ist dieser Mann? Eine Spurensuche.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das steht im Kleingedruckten bei Amazon, Facebook und Co.
Amazon Quelle: REUTERS
Apple Quelle: REUTERS
Deezer Quelle: dpa
Ebay Quelle: REUTERS
Facebook Quelle: dpa
Google Quelle: dpa
Microsoft Quelle: dpa

Mit 23 Jahren beschließt Moxie Marlinspike, das Segeln zu lernen. Statt einen Kurs zu machen, kauft er für ein paar Hundert Dollar ein Boot und macht vier Tage später in San Francisco die Leinen los. Nach vier Wochen ist der autodidaktische Seemann schon in Mexiko.

Solche Geschichten erzählt der schlaksige Amerikaner gerne, wenn es um die wichtigen Sachen in seinem Leben gehen soll. Er schildert dann Erlebnisse beim Trampen quer durch die USA oder zeigt auf seinem Blog Fotos aus der Phase, als er auf Züge aufspringt. In diesen Abenteuern spielen technische Geräte nie eine Rolle.

Dabei ist Marlinspike einer der größten Computervirtuosen unserer Zeit. Er ist der Mann, der es vollbracht hat, dass zwei Milliarden Menschen weltweit sich gerade eine Nachricht von Handy zu Handy zuschicken können, ohne dass Dritte mitlesen. Marlinspike hat den Goldstandard programmiert. Ob WhatsApp, Facebook und seit Neuestem auch Google – alle Techgiganten haben seinen Verschlüsselungscode mittlerweile integriert.

Denn die Grenzen der Privatheit werden derzeit neu erkämpft. Nachrichtendienste werten Daten im großen Stil aus, private Unternehmen sammeln immer mehr Informationen: Sie wissen meist, wo wir sind, mit wem wir chatten und welches Handy wir dabei benutzen. Man muss kein Verbrecher sein, um das beunruhigend zu finden.

Edward Snowden rät dazu, den von Marlinspike gegründeten Chatdienst Signal zu nutzen. Barack Obama bezeichnet die Arbeit des Programmiergenies als „Problem“. Die NSA sieht in Marlinspike eine Bedrohung für die Sicherheit. Und sie hat zum Disput zwischen dem FBI und Apple geführt.

Wer ist dieser Mann überhaupt?

Wenn er spricht, dann ruhig und unaufgeregt, häufig lächelt er verlegen. Auf Fotos schaut er meist woandershin. Vor Jahren gab er sich selbst den Namen Moxie Marlinspike. Natürlich versteht er es, seinen ursprünglichen Namen zu verbergen. Das Geheimnis ist seine Motivation: „Wir sollten alle etwas zu verstecken haben.“

Drei Tage nachdem die Identität von Edward Snowden publik wurde, proklamiert er in einem Essay, das sich in der Netzgemeinschaft verbreitete wie ein Manifest: „Es ist nicht nur wichtig, was wir denken. Sondern wie wir denken.“ Sozialer Fortschritt sei nur möglich, wenn wir vor Behörden geschützte Räume haben. Erstmals bekannt wurde das Programmiergenie 2010: Da schreibt er einen Code, der Nachrichteninhalte verschlüsselt. Nur die Chatteilnehmer können sie lesen. Für alle anderen werden Sätze und Bilder zu einem Zeichensalat, auch für den Chatanbieter selbst. „Ende-zu-Ende“ heißt diese Verschlüsselung.

Jahrelang war diese Technik nur etwas für Nerds und Profis – oder für Kriminelle. Nun ist sie zum Massenphänomen geworden: Allein über WhatsApp läuft Marlinspikes Code auf fast 35 Millionen deutschen Smartphones. Doch dafür musste Marlinspike sein Weltbild neu ausrichten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%