Netzneutralität Kämpferin fürs freie Internet

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Sorge um die Innovationskraft im Netz

Gerade das sei ein fataler Irrtum, warnt van Schewick, die auch die EU-Regulierer berät und bei Anhörungen in Berlin und Brüssel als Expertin geladen ist: „Überholspuren im Internet zementieren die Marktmacht der großen US-Unternehmen“, sagt sie. Netflix oder Google könnten sich die Kosten leisten, kleine und mittlere Unternehmen nicht. „Versteht denn keiner, dass hier die Zukunft des Internets in Europa auf dem Spiel steht?“, wundert sich die Netzjuristin.

Van Schewick, die ihre beiden Staatsexamen mit „sehr gut“ abschloss und ihr paralleles Informatikstudium wegen seiner Rationalität als Ausgleich für die Paragrafenwelt schätzte („während die Informatik klare Antworten gibt, können sie in der Juristerei immer so oder so ausfallen“), ist im Grunde ein optimistischer Mensch. Sie schmunzelt viel, oft lächelt sie beim Sprechen verschmitzt in die Runde. Doch wenn sie die Diskussion um die Grundregeln fürs Netz diesseits des Atlantiks betrachtet, vergeht ihr das. Warum sich abseits der Netzzirkel so wenige für die Grundregeln des Netzes interessieren, versteht sie nicht.

„Es drohen Schäden für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft“, warnt die Netzvordenkerin, von der Experten wie Marvin Ammori sagen, „ihr Einfluss auf die US-Netzregulierung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden“. Der Anwalt hatte Apple und Google in Sachen Netzneutralität beraten.

Diese Länder haben das schnellste Internet
Breitband-Internet Quelle: REUTERS
Helsinki Quelle: dpa
Prag Quelle: dpa
Irland Quelle: gms
Riga Quelle: dpa
Platz 6: NiederlandeDen Sprung auf 14,2 Megabit pro Sekunde schaffen unsere niederländischen Nachbarn. Quelle: dpa
Schweiz Quelle: dpa

Zu mehr als 150 Treffen pendelte die Deutsche in den vergangenen beiden Jahren zwischen Kalifornien und Washington. Als Chefin einer der angesehensten amerikanischen Thinktanks zur Netzregulierung konferierte sie fast wöchentlich mit Politikern und Beamten im Weißen Haus, im Kongress und bei der US-Regulierungsbehörde; immer mit dem Ziel, die Gleichheit der Daten im Internet zu erhalten. Am Ende forderte selbst Präsident Barack Obama, es dürfe „auf der Datenautobahn keine Zollhäuschen“ geben. „Das Netz muss offen bleiben, damit auch das nächste Google und das nächste Facebook Erfolg haben können.“

Das geht zu großen Teilen auf die Arbeit der deutschen Netzjuristin zurück. Das US-Onlinemagazin „Slate“ nennt sie die „Frau, die die Netzneutralität gerettet hat“. Tatsächlich hat die Deutsche mit vielen Studien belegt, wie das Ende der Gleichheit von Bits und Bytes den Wettbewerb verzerrt. Über ihr Buch „Internet Architecture & Innovation“ sagt der US-Professor Tim Wu, der Erfinder des Begriffs Netzneutralität, es lege „die Grundlage für die Internetpolitik der nächsten Dekade“. Am Ende erließ die US-Regulierungsbehörde klare Regeln gegen ein Zwei-Klassen-Netz.

Das will die Frau, die so viel Einfluss auf die Geschäftschancen von Google, Facebook, Netflix und Co. hat wie kaum ein US-Jurist, nun in Europa wiederholen. Auch wenn sie sagt, „meine Rolle hier ist anders als in den USA“, ist die Expertise der Stanford-Professorin in den Spitzen der Brüsseler und Berliner Politik gefragt.

Im Frühjahr etwa hatte Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, van Schewick als eine von vier internationalen Experten zur Sitzung des Gremiums der europäischen Regulierer in Rotterdam geladen. Wenig später war sie Gast der Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB). Auf einer Dachterrasse am Hackeschen Markt in Berlin wollten Bundestagsabgeordnete, Lobbyisten und Unternehmensvertreter aus erster Hand von den Erfahrungen in den USA hören. „Sie hat wichtige Impulse gegeben, die schließlich auch ins Positionspapier der Medienanstalten zur Netzneutralität eingeflossen sind“, sagt MABB-Direktorin Anja Zimmer.

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