Pokémon Go Fünf Lehren aus dem Erfolg des Spiels

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5. Der Kunde mag es einfach

Pokémon Go erklärt sich von selbst. Selbst wer das Spiel nur als nervendes Kinderhobby kannte, kann sofort mitmachen. Wie von Geisterhand tauchen die Figuren im Display auf. Mit einem Fingerstreich lenkt der Spieler den Pokéball, der die Pixelmonster fängt. Mögliche Mitspieler erscheinen im Umgebungsbild, sobald sie sich nähern.

Die radikale Reduktion aufs Wesentliche hat auch Apple perfektioniert: Der Nutzer soll neue Geräte einfach anschalten und loslegen. „Innovation heißt, zu 1000 Dingen Nein zu sagen“, war eines der Mantras von Apple-Gründer Steve Jobs, der den Funktionsumfang konsequent limitiert hat.

Das hätte besser auch Google beherzigt. Der Konzern stellte 2009 den Dienst Wave vor, der E-Mails ablösen sollte. Nur überfrachteten die Entwickler das Messaging-Tool mit Funktionen, und Wave floppte. WhatsApp-Gründer Jan Koum wählte den umgekehrten Weg. Bei seiner Handy-App übertrug er die Chatfunktion der PC-Messenger-Programme auf mobile Geräte. Kombiniert mit der Möglichkeit, Komplexes durch wenige, witzige Icons und Emoticons auszudrücken. Damit ist WhatsApp heute tatsächlich für weltweit mehr als eine Milliarde Menschen der unverzichtbare Nachfolger der E-Mail.

Was Innovationen erfolgreich macht

Die Gunst des rechten Augenblicks

Bei all dem aber ist sowohl der Erfolg von WhatsApp als auch jener von Pokémon Go auch einer Größe geschuldet, die sich von Produktstrategen kaum planen, wohl aber erkennen lässt: dem perfekten Zeitpunkt.

Beide Apps boomen auch, weil Smartphones heute Allgemeingut sind und Datenflatrates fürs mobile Internet Standard. Die so beliebte digitale Hatz nämlich ist im Grunde bloß die Neuauflage einer alten Spielidee namens Ingress. John Hanke, Chef der früheren Google-Tochter Niantic, hatte das Spiel 2012 erstmals publiziert. Die virtuelle Schnitzeljagd aber blieb ein Nischenphänomen – auch wegen der damals noch drastisch höheren Kosten fürs mobile Internet.

Nicht anders ist es mit den Datenbrillen, die wie kein anderes Gadget für Augmented Reality stehen. Vor vier Jahren stellte Google Glass vor, seinen Computer auf der Nase. Doch schon 2015 war damit Schluss: Der Akku hielt nicht lange, die Bedienung hakte, und die Öffentlichkeit akzeptierte die Brille mit ihrer augenfälligen Kameralinse nicht.

„Der kritische Punkt ist erreicht, wenn AR-Displays auf die Größe normaler Brillen oder gar Kontaktlinsen schrumpfen“, sagt Klaas Kersting, Chef des deutschen Spielestudios Flaregames. Genau daran arbeitet etwa der deutsche Optikspezialist Zeiss. Eine AR-Brille, der niemand mehr ihre Fähigkeiten ansieht. Gelingt es den Zeiss-Entwicklern, ihre Idee serienreif zu bekommen, erfüllte sich nicht nur der Traum von Millionen Pokémon-Fans, überall unauffällig auf Monsterjagd gehen zu können.

„Dann“, sagt Kersing, „hat die Technik das Potenzial, die Welt zu verändern.“

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