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RaubkopiererHollywoods letztes Gefecht

Mit der Festnahme von Kim Dotcom hat Hollywood den Raubkopierern den Krieg erklärt. Die Filmindustrie will so das Schicksal der Musikbranche vermeiden - und wiederholt deren Fehler.Oliver Voß, Matthias Hohensee, Thomas Stölzel 26.01.2012 - 16:52 Uhr

Das wilde Leben des Kim Dotcom

März 2012: Die US-Bundesstaatsanwaltschaft hat in Neuseeland Antrag auf Auslieferung von Megaupload-Gründer Kim Dotcom und drei seiner Mitarbeiter eingereicht. Die US-Justiz wirft den Megaupload-Anbietern Verstöße gegen Gesetze zum Schutz des Urheberrechts vor und fordert ihre Auslieferung wegen des Vorwurfs der organisierten Kriminalität. In den USA droht Dotcom eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren. Es wäre nicht die erste Haftstrafe für den gebürtigen Kieler.

Foto: Reuters

Kim Schmitz (rechts) wurde in Neuseeland festgenommen. Der deutsche Internet-Unternehmer soll der Kopf hinter Megaupload sein, einem der beliebtesten Musik- und Videoportale im Netz. Doch laut Anklage habe Megaupload der Unterhaltungsindustrie durch Raubkopien einen Schaden von 500 Millionen Dollar zugefügt.

Foto: dapd

Der Zugriff erfolgte in der "Villa Dotcom" im neuseeländischen Coatesville, 300 Kilometer nordwestlich von Auckland. Die Anlage ist mit 25 Millionen Dollar eine der teuersten im Land. Ursprünglich wollte Schmitz die Villa kaufen. Doch Politiker schlugen dazwischen, am Ende musste Kim Dotcom es mieten. Eine Niederlassungs-Erlaubnis erhielt er aber immerhin - dem Vernehmen nach kaufte er zuvor Staatsanleihen für zehn Millionen Dollar und spendete für Opfer des schweren Erdbebens in Christchurch. Er soll zurückgezogen unter dem Schutz von Bodyguards gelebt haben - aber gerne auch mal Riesensummen für ein Silvesterfeuerwerk ausgegeben haben.

Foto: dpa

Es wurde auch Kims gesamter Fuhrpark beschlagnahmt: Neben einem Rolls Royce Phantom und einem rosa Cadillac gleich ein Dutzend Mercedes-Limousinen. Die Kennzeichen der Fahrzeuge lauteten beispielsweise MAFIA, HACKER, STONED oder POLICE.

Foto: dpa

Einen Autofaible hatte Schmitz schon immer, so nahm er mehrfach an der legendären Gumball-Rallye teil, bei der Stars ihre Luxusschlitten unter realen Bedingungen testen. Einmal gewann Schmitz das halblegale Rennen sogar.

Schon 1999 stellte Schmitz auf der Cebit gemeinsam mit dem Tuning-Spezialisten Brabus den Megacar vor - einen Mercedes Benz S 500 L mit integriertem Videokonferenzsystem und Internet-Computer.  In die Kopfstützen der Limousine waren Bildschirme sowie Kameras eingelassen, ein 17-Zoll-Flachbildschirm für den Internet-Computer war am Wagenhimmel befestigt.

Foto: dpa

Lange war darüber spekuliert worden, dass Schmitz hinter Megaupload steckt. Vor einigen Wochen tauchte er dann in einem Werbevideo auf. In dem Musikvideo hat Kim Hip-Hop-Superstars wie Kanye West, P.Diddy oder Will.i.am von den Black Eyed Peas um sich versammelt, sie bejubelten Megaupload genauso, wie Alicia Keys, Chris Brown oder Mary J Blidge.

Foto: WirtschaftsWoche

Der 37-Jährige war eine der schillerndsten Figuren der New Economy: Vom Hacker wurde er zum Internet-Star. „Kim Tim Jim Vestor“ sagte gern: "In zehn Jahren will ich zu den reichsten Männern der Welt gehören".

Foto: WirtschaftsWoche

Der Drei-Zentner-Mann war für Parties und Protzereien berüchtigt, liebte Auftritte mit eigenem Jet oder B-Promis im Bikini.

Foto: WirtschaftsWoche

Fünf Millionen Mark koste ihn sein dekadenter Lebensstil im Jahr, sagt Schmitz einmal. Und ergänzte: "Also gar nicht so viel."

Foto: WirtschaftsWoche

Kim Dotcom galt vielen als Hochstapler und Großmaul, weil er beispielsweise einmal zehn Millionen Dollar auf den Kopf von Osama Bin Laden aussetzte.

Foto: WirtschaftsWoche

Bekannt geworden war er vor allem durch den angeblichen Einstieg zur Rettung von Letsbuyit.com - einer Dotcom-Bude, die in sechs Monaten 66 Millionen Euro verbrannte.

Foto: WirtschaftsWoche

Wegen Insiderhandels wurde der Partykönig 2002 zu einer Bewährungsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Doch schon früher hatte der Hacker Ärger mit der Polizei: 1994 stürmte ein Trupp schwerbewaffneter Polizisten die Münchner Wohnung des Hackers. Kimble wanderte in Untersuchungshaft. "Es war wie ein Alptraum", sagt er. Erst da habe er begriffen, dass sein grosses Computerspiel zur bitteren - kriminellen - Realitaet geworden sei. Zwei Monate sass der damals 20jaehrige in einer Zelle, er kam erst frei, als seine Mutter eine Kaution von 30 000 Mark hinterlegte.

Foto: dpa

Nun drohen Kim Schmitz sogar bis zu 20 Jahren Haft.

Foto: WirtschaftsWoche

Im schweizerischen Cham ist die Verunsicherung groß. Im Gewerbegebiet des kleinen Örtchens, nur eine halbe Autostunde südlich von Zürich, sitzt die Rapidshare AG. Das 60-Mann-Unternehmen bezeichnet sich selbst stolz als „eine der wenigen deutschen Internet-Erfolgsstorys“. Die Popularität der Seite ist tatsächlich enorm, der Erfolg allerdings zweifelhaft: Rapidshare ist vor allen jenen als Anlaufstelle bekannt, die im Netz neue Filme, Musik oder Software suchen und dafür jedoch nichts bezahlen möchten.

Rapidshare hat dabei das Modell erfunden, dass der Deutsche Kim Schmitz mit seinem Mega-Netzwerk dann zur Perfektion getrieben hat. Und auch wenn die Firma inzwischen im Schweizer Kanton Zug sitzt, ist es eine deutsche Erfindung: Gründer ist Christian Schmid aus Kenzingen im Breisgau.

Schmid und Schmitz
Doch während Schmitz schon in Zeiten der New Economy das Scheinwerferlicht suchte, hielt sich Rapidshare-Mastermind Christian Schmid gern im Hintergrund. Denn Schmid und Schmitz haben mächtige Feinde. Und während Rapidshare im Kampf mit den mächtigen Filmstudios und Plattenlabels versucht, die illegalen Aktivitäten zu reduzieren, ging Schmitz auf Konfrontationskurs.

Liebt den großen Auftritt, Kim Dotcom. Damit ist es jetzt vorbei.

Foto: Reuters

Er versammelte ein Dutzend der angesagtesten US-Musikstars um sich und sang mit Ihnen ein Loblied auf seine Plattform Megaupload („It´s a hit“). Szenekennern war seit längerem bekannt, dass Schmitz hinter Megaupload steckt, doch mit dem Musikvideo drängte Kim Dotcom, wie sich der 38-jährige inzwischen ganz offiziell nennt, wieder ins Rampenlicht. Schmitz liebt den großen Auftritt, schon zu Zeiten der Dotcom-Ära provozierte der beleibte Zwei-Meter Mann damit. Mit Jet und Playboy-Bunny in die Karibik düsen, illegalen Straßenrennen oder mit Champagner und Zigarre im Whirlpool posieren - das ist Schmitz´ Welt.

Zugriff auf "Villa Dotcom"
Sein jüngster Auftritt war eine Kampfansage an die Unterhaltungsindustrie, doch damit hat Schmitz wie so oft schon den Bogen überspannt. Schon seit Monaten hatten die US-Justizbehörden gegen den gebürtigen Deutschen ermittelt und dessen Email-Verkehr angezapft. Doch nachdem sich Schmitz Werbevideo im Dezember zu einem Hit auf Youtube entwickelte, wuchs der Druck innerhalb der Behörde, möglichst schnell ein Exempel zu statuieren.

Am Freitag vergangener Woche erfolgte dann der Zugriff. Als ein Hubschrauber über der „Villa Dotcom“ kreiste, dachten Nachbarn erst, Schmitz gehe wie gewohnt auf Tour. Stattdessen stürmten fast 80 Beamte das teuerste Haus Neuseelands. Schmitz wurde aus seinem Panikraum geschnitten und sein beeindruckender Fuhrpark abgeschleppt: Die Kennzeichen der Limousinen sprachen Bände: „GOD“ und „GUILTY“ (schuldig).
Statt eine weitere seiner legendären Parties auf seinem 25-Millionen-Dollar-Anwesen zu geben, musste Schmitz seinen 38. Geburtstag in einer kargen Gefängniszelle in Neuseeland verbringen. Im schlimmsten Fall wird er dort auch noch mit 58 Jahren sitzen.

Die Gründer der Frankfurter Immobiliengruppe S+K, Stephan Schäfer und Jonas Köller, hat ein Schicksal ereilt, das vielen angeblichen Finanzprofis aus der Dotcom-Ära bereits zu Teil wurde: Sie landeten wegen mutmaßlichem Anlagebetrug in Untersuchungshaft. Zuvor sollen sie es mit dem ergaunerten Geld richtig haben krachen lassen. Doch was ist aus den Protagonisten aus den vergangenen Jahren geworden?

Foto: WirtschaftsWoche

Einer der bekanntesten Blender ist Florian Homm, er ist Großaktionär bei Borussia Dortmund. Am Neuen Markt war er zuvor schon bekannt als Gründer von Value Management & Research (VMR), die Firmen wie Toysinternational.com oder Comtelco an die Börse brachte. Eine angekündigte Fusion mit der Beteiligungsgesellschaft Knorr Capital scheiterte, Homm zog sich aus VMR zurück.

Wenige Jahre später geriet er mit dem Hedgefonds Absolute Capital Management Holdings mit Investments bei Borussia Dortmund oder dem Finanzdienstleister MLP in die Schlagzeilen. Vielfach war ihm vorgeworfen worden, Kurse massiv zu manipulieren. Als der Hedgefonds 2007 unter Druck geriet, nahm Homm überstürzt seinen Hut und war seitdem untergetaucht. Seine Nachfolger in der Leitung des Fonds warfen ihm später vor, dass viele Investments einen weit geringeren Wert hätten, als ausgewiesen. Die Aktien des börsennotierten Hedgefonds verloren mehr als 90 Prozent ihres Wertes. Seit Februar 2011 läuft gegen Homm auch eine Klage der US-Börsenaufsicht SEC. Zuletzt wurde er in Liberia vermutet.

2012 tauchte der Finanzinvestor wieder auf - um ein Buch über sein Leben vorzustellen und sich öffentlich reinzuwaschen. Er sei ein anderer Mensch, gehe mindestens zweimal wöchentlich zum Gottesdienst und wolle sich demnächst der SEC stellen, erzählte er der Financial Times Deutschland.

Foto: dpa/dpaweb

Im Januar 2012 wurde der gebürtige Kieler Kim Schmitz in Neuseeland festgenommen. Dem 38-jährigen wurde vorgeworfen, Mastermind hinter dem Raubkopien-Portal Megaupload zu sein. Die spektakuläre Verhaftung rückte auch die Dotcom-Ära wieder in Erinnerung, immerhin hatte Schmitz sein 25-Millionen-Dollar-Anwesen "Dotcom Mansion" getauft und sich selbst seit einiger Zeit ganz offiziell Kim Dotcom genannt...

Foto: REUTERS

Auch in der Zeit des Neuen Marktes war Schmitz eine der schillerndsten Figuren: Unvergessen sind seine Urlaube mit dem durch eine Dieter Bohlen-Affäre als "Teppich-Luder" bekannten Playboy-Bunny Janina...

Foto: rtr

Legendär auch seine Auftritte in der Harald-Schmidt-Show, wo Schmitz seinen eigenen Sessel mitbrachte (die vorhandenen waren ihm zu unbequem) und erzählte, wie er den Jet der Haffa-Brüder für eine halbe Million charterte, um einen Kurztrip in die Karibik zu unternehmen.

Foto: rtr

Der Filmvermarkter EM.TV ging schon 1997 an den Neuen Markt. Zwei Jahre später feiert Vorstandschef Thomas Haffa auf der Hauptversammlung in Frankfurt ein Kursplus von 16.600 Prozent - die Aktionäre liegen ihm zu Füßen. Wer früh investiert war, konnte es mit ein paar Tausend Euro zum Millionär bringen. Aber kaum ein Anleger erkannte rechtzeitig, dass die Party ein Ende hat. Es kommen Zweifel an den Bilanzzahlen von EM.TV auf, im Oktober 2000 korrigieren Thomas und sein Bruder Florian Haffa die Bilanzzahlen - an nur einem Tag verliert die Aktie fast ein Drittel ihres Wertes. 2001 tritt Thomas Haffa zurück.

Im April 2003 verurteilt das Landgericht München ihn wegen der falschen Angabe von Unternehmenszahlen zu einer Geldstrafe von 1,2 Millionen Euro. Außerdem musste er die Prozesskosten von 2,5 Millionen Euro zahlen. Zu dieser Zeit wird sein Vermögen auf 200 Millionen Euro geschätzt. Sein Bruder Florian muss eine Geldstrafe von 240.000 Euro zahlen. Es folgen jahrelange Prozesse von Anlegern, die die Haffa-Brüder auf Schadenersatz verklagt haben. Thomas Haffa war später beim Anhängerbauer Kögel engagiert, macht Geschäfte im Yachtleasing und ist Geschäftsführer der Münchener Charterfluggesellschaft Air Independence.

Foto: dpa

Aufsehenerregend waren auch Aufstieg und Fall des Bodo Schnabel, Gründerchef von Comroad. Wegen Kursbetrugs und Insiderhandels musste Schnabel für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Der Unternehmer "verkaufte" ab 1995 Hard- und Software für Telematik-Systeme. Doch die enormen Umsätze erwiesen sich als faul: Schnabel hatte einen asiatischen Abnehmer seiner Technik frei erfunden, 97 Prozent der Umsätze erwiesen sich als Luftbuchung. Comroad hatte im Jahr 2000 einen Börsenwert von 1,2 Milliarden Euro. Am 21. November 2002 verurteilte das Landgericht München Bodo Schnabel wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Insiderhandels und Kursbetrugs. Das Strafmaß betrug sieben Jahre Gefängnis. Im Interview mit der WirtschaftWoche sprach er über seine Erfahrungen. Heute hat er eine neue Firma namens Nanomatic.

 

Foto: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Zu den frühen Stars gehörte Gigabell. Gründer war der frühere Schlagersänger Daniel David, mit bürgerlichem Namen Rudolf Zawrel.

Sein Unternehmen nannte sich Multi-Service-Provider, vom eigenen Glasfasernetz und Voice-over-IP-Telefonie war die Rede. Der Börsengang am Neuen Markt erfolgte pünktlich zur Sonnenfinsternis am 11. August 1999, inklusive Millionenschwerer Premierenparty. Zum Börsenstart verkündet David: "Wenn die Gigabell ihr Debüt am Neuen Markt feiert, geht die Sonne gleich zweimal auf."

Fehlinvestments, Gewinnwarnungen und das rasche Verbrennen der Börsenmillionen mündeten im ersten Insolvenzantrag eines Unternehmens vom Neuen Markt - kaum mehr als ein Jahr nach dem Börsengang. David setzte sich nach Marbella ab, wurde gefasst, gestand, und kassierte 2005 eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten.

Foto: dpa

Informatec sorgt für einen ersten großen Prozess gegen einen Vorstand am Neuen Markt wegen Kursbetruges. Vorstandschef Alexander Häfele meldete 1999 per Ad-hoc-Mitteilung Informatecs größtes Geschäft. Aber es kam nie zustande. Noch vor der folgenden Insolvenz schaffte er sein Vermögen zur Seite. Im April 2003 eröffnet das Landgericht München das Verfahren, der Schaden für Anleger soll rund 250 Millionen Euro betragen haben. Wegen Kursbetrugs und Insiderhandels wird Häfele zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Foto: AP

Kino.to gehört auch schon der Vergangenheit an. Über die Seite wurden Inhalte illegal im Netz verbreitet.

Foto: dpa

Nun geht die Angst um auf der dunklen Seite des Internet. Vier ähnliche Anbieter haben urplötzlich ihren Dienst eingestellt, mehr als ein Dutzend hat die Funktionen massiv eingeschränkt, darunter populäre Seiten wie Filesonic oder Fileserve. Wer ist der Nächste?, fragen sich die Piratenkapitäne. Doch war das wirklich ein entscheidender Schlag gegen die Raubkopierer oder wurde doch wieder nur ein Kopf der Hydra abgeschlagen? Denn ob es die legendäre Musiktauschbörse Napster oder zuletzt das deutsche Filmportal Kino.to traf – immer waren nach Wochen oder schon Tagen Klone und Alternativen zur Stelle, oft sogar technisch noch ausgefeilter als die Vorgänger.

175 Millionen für das Mega-Netzwerk
Klar ist, dass Hollywood diesmal ernst macht. Um einen Niedergang wie ihn die Musikindustrie erlebt hat, zu vermeiden, versuchen die Bosse den großen Schlag. Zudem fordert die Filmlobby noch strengere US-Gesetze und droht sogar mit Spendenentzug im Wahlkampf. Die dubiosen Geschäfte von Schmitz & Co. werden zum Politikum.

Denn die illegalen Seiten sind zu einer immer größeren Bedrohung für die Branche geworden. Sie sind teils populärer als Netzriesen wie Youtube: Allein Megaupload und Rapidshare sind nach Zahlen des kanadischen Netzwerkspezialisten Sandvine in manchen Regionen für bis zu zehn Prozent des gesamten Datenverkehrs im Internet verantwortlich.

Wie lukrativ das Geschäft mit den Raupkopien ist, zeigt der Fall Schmitz: 110 Millionen Dollar gingen allein auf dem PayPal-Konto zwischen November 2006 und Juli 2011 ein. Denn die Nutzer waren sogar bereit zu zahlen: Zwischen 9,99 Dollar im Monat und 199,99 Dollar für einen lebenslangen Dienst überwiesen sie an das Mega-Netzwerkbezahlten. Dafür konnten sie mehr und schneller herunterladen.


Im Gegenzug kümmerte sich Schmitz geradezu liebenswürdig um ihre Kunden. Als sich beispielsweise ein Nutzer beschwerte, dass in der Serie „Dexter“ Ton und Bild nicht synchron seien, mailte Schmitz an seine Leute: „Wir müssen das so schnell wie möglich lösen!“ Dazu kamen Werbeeinnamen von 25 Millionen Dollar, insgesamt 175 Millionen Dollar verdiente das Mega-Netzwerk laut Anklage Anklage.

Der Erfinder des Filehosting
Die Grundlage dafür wurde in Kenzingen gelegt: In nur einer Nacht im Jahr 2004 programmierte Christian Schmid ezShare, einen Dienst zum leichten Teilen von Daten. Später nannte er das Angebot Rapidshare, das Prinzip ist das gleiche: Wer eine Datei hat, die zu groß ist, um sie per Mail zu verschicken, kann diese hochladen und erhält dafür einen Link. Mit diesem kann jeder der darauf klickt, die entsprechende Datei wieder herunterladen.
Filehosting nennt sich die Technologie. Grundsätzlich ist sie praktisch und nicht verwerflich. Allerdings zeigt eine Studie von Envisional, dass 73 Prozent aller Links bei den Filehostern auf urheberrechtlich geschütztes Material führten. Dem widerspricht Rapidshare: „Die illegalen Inhalte bewegen sich im einstelligen Prozentbereich“.

Die Musikindustrie hat schon auf die Raubkopierer reagiert: Über den weltgrößten Online Musikdienst iTunes Music Store kann man sich rund eine Million Lieder auf den iPod herunterladen.

Foto: AP

Das ganz große Kino wird es schwer haben - Filme im Internet machen es der Filmindustrie schwer. Rigide Schutzmaßnahmen können auch nicht die Lösung sein.

Foto: dpa

Zudem weisen die Anbieter die Verantwortung für das Treiben Ihrer Nutzer von sich: Wir bieten nur einen Speicherplatz im Netz, wenn andere dort verbotene Dinge tun, können wir nichts dafür lautet ihr Lieblingsargument, die sich daher auch rechtlich auf der sicheren Seite wähnten. „Wir sind keine Piraten, wir bieten nur den Lieferservice für Piraten“, frohlockte Schmitz Mitstreiter Mathias Ortmann in einer Mail.

Die eigentliche illegale Arbeit, das Kopieren und Hochladen fremder Inhalte, wird so geschickt ausgelagert. „Wir stellen Dateien zu, so wie die Post Briefe zustellt. Niemand würde auf die Idee kommen, die Post für den Inhalt der Briefe verantwortlich zu machen“, erklärte Mola Adebisi einmal das Modell. Rapidshare hatte den ehemaligen Starmoderator des Musiksenders Viva angeheuert, um sein Image und die Beziehungen zur Unterhaltungsbranche aufzupolieren.

„Je beliebter die Dateien, desto mehr verdient ihr“
Allerdings zahlt die Post ihren Kunden auch keine Prämien, wenn diese Briefbomben verschicken. Doch genau das tun die Filehoster: Wer dort populäre Inhalte hochlädt kann gutes Geld verdienen. „Ihr liefert populären Inhalt, wir den Downloadservice. Tun wir uns zusammen!“, schrieb Megaupload 2005 zum Start seines gigantischen Bonusprogramms.

„Je beliebter die Dateien, desto mehr verdient ihr“, erklärten die Mega-Macher. Sprich je öfter eine Datei heruntergeladen wurde, desto mehr Geld gab es. Für 1000 Downloads zahlte Schmitz einen Dollar, unter den 100 erfolgreichsten Lieferanten wurden vierteljährlich Boni von 20.000 Dollar verteilt.

Millionen für Bonusprogramme
Später führte Dotcom ein Punktesystem ein, wer die Höchstzahl erreichte, erhielt 10.000 Dollar. Handverlesene, besonders verdiente Empfänger wurden gesondert entlohnt. „Unsere alte berühmte Nummer Eins (...) ich denke er verdient eine Entlohnung“, schrieb beispielsweise der für das Entlohnungs-Programm verantwortliche Niederländer Bram van der Kolk über . Der Mann hatte gescannte Zeitschriften und vietnamesische DVDs hochgeladen. Einzelne Lieferanten verdienten so mehr als 50 000 Dollar. „Die Mega-Verschwörung zahlte Hochladern Millionen von Dollar“, schreiben die Ankläger. Und diese Anstiftung könnte Schmitz auch rechtlich zum Verhängnis werden.

Auch Rapidshare hatte so ein Bonusprogramm, 210 wurde dem Unternehmen die Praxis jedoch zu heiß. "Als die Wettbewerber immer verrücktere Programme machten, wollten wir nicht mehr mitziehen", sagt Rapidshare-Chefin Alexandra Zwingli. Auch sonst versucht das Unternehmen sein Geschäft in die Legalität zu retten. Beanstandete Inhalte werden zügiger und nachhaltiger entfernt, als bei der Konkurrenz bestätigen sogar die Piratenjäger der GVU.

Lange war Rapidshare in Europa weitaus wichtiger als Dotcoms´ Megaupload, doch in Folge der Änderungen nahm die Zahl der Rapidshare-Links auf einschlägigen Seiten deutlich ab. „Mit den bisherigen Änderungen ist Rapidshare noch lange nicht vom Saulus zum Paulus geworden“, schränkt GVU-Geschäftsführer Matthias Leonardy jedoch ein.

Auch sie sind gegen den "Stop Online Piracy Act". Der Rhapsody-Chef Irwin sagt: "Legale Alternativen sind daher mit Abstand das beste Mittel gegen Raubkopierer".

Foto: REUTERS

Seit der Schließung von Megaupload beobachtet die GVU jedoch wieder einen Anstieg der Rapidshare-Links. Die Piraten suchen nach Alternativen zu den Mega-Seiten, doch viele Anbieter haben nach der Razzia Angst bekommen. Uploadbox stellte seinen Dienst ein, andere stoppen die Bonusprogramme und reduzieren die Funktionen massiv, wie Filesonic, Fileserve oder Uploaded.to
Denn Hollywood will endlich härtere Seiten im Kampf gegen Raubkopierer aufziehen. Wie groß auch der politische Druck ist, zeigt der Fall Robert Bennett: Schmitz hatte den Staranwalt angeheuert, der schon Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre verteidigte. Doch kurz darauf legte Bennett sein Mandat schon wieder nieder. Die offizielle Begründung: Interessenskonflikte mit einem anderen Klienten.

Katz und Maus
Hollywood zieht in die Schlacht, weil der von der Medienindustrie gegen viel Widerstand durchgedrückte Digital Millenium Act sich als stumpfe Waffe erweist. Das 1998 vom US-Kongress verabschiedete Gesetz verpflichtet Internet-Betreiber, illegale Inhalte auf Aufforderung des Rechteinhabers zu entfernen. Mega-Upload soll sich sogar daran gehalten haben. Aber laut den Ermittlern nicht die beanstandeten Inhalte, sondern nur die zu ihnen führenden Links gelöscht haben. Um diese durch ihre Nutzer wieder neu anlegen zu lassen.

Um dieses Katz und Maus Spiel zu beenden, wollte Hollywood zwei juristische Superkeulen namens SOPA und PIPA einsetzen. Vereinfacht gesagt, sollten alle Links, die auf raubkopierte Inhalte verweisen, gelöscht und deren Betreiber blockiert werden. Suchmaschinen-Anbieter wie Google sollten Anbieter wie Megaupload aus ihrem Index entfernen, damit diese nicht mehr gefunden werden können.

Der Zeitpunkt schien günstig. Denn in den USA ist der Präsidentschaftswahlkampf angelaufen. Diesen strategisch wichtigen Termin wollte Chris Dodd, der seit März 2011 dem Hollywood-Lobbyverband Motion Picture Association of America vorsteht, nutzen, um die Maximalforderung durchzudrücken. Denn erstmals können Unternehmen ohne Beschränkung ihren Wunschkandidaten finanziell unterstützen. Bislang galt Hollywood als sichere Bank für Barack Obama. Wegen der Kontroverse um die Raubkopierer werden nun jedoch auch die Republikaner umworben.

Netzgiganten protestieren gegen Sperrpläne
Doch Dodd, ein ehemaliger US-Senator und Chef der Demokratischen Partei, unterschätzte die Macht von Online-Giganten wie Google oder Facebook. Soziale Netzwerke und Webseiten wie Wikipedia, die wegen der freiwilligen Mitarbeit ihrer Nutzer florieren, wären nur noch mit dem Überprüfen und Blockieren von Inhalten beschäftigt gewesen, was deren Attraktivität eingeschränkt hätte. In einer breiten Front protestierten Wikipedia & Co. gegen die Gesetzespläne: an einem „Schwarzen Mittwoch“ fanden Nutzer auf deren Seiten nur schwarze Protestbanner vor. Sogar in Deutschland schalteten unter anderen die Grünen und die Piratenpartei ihre Seiten auf Protestmodus um.

Nach der Machtdemonstration im Netz liegen SOPA und PIPA nun auf Eis. „Wir beobachten sehr genau, wer uns unterstützt und wer nicht“, drohte Dodd darauf wutentbrannt im US-Fernsehen mit Liebes- und Spendenentzug. Damit hat der Lobbyist nun seinerseits den Bogen überspannt. „Dodd muss gefeuert werden“, fordert Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der dies als Erpressung wertet. Momentan herrscht eine Schlachtpause, die sich Hollywood aber eigentlich nicht leisten kann. Denn die Branche sieht sich von allen Seiten attackiert.

Konzerne klammern sich an alte Vertriebsmodelle

Die Verkäufe von DVDs sind um bis zu 25 Prozent eingebrochen, seit Automatenbetreiber die Scheiben für einen Dollar pro Tag verleihen. Der Online-Verleiher Netflix offeriert den Zugang zu seiner Internet-Filmbibliothek für acht Dollar im Monat. Hulu bietet zu ähnlichem Preis neueste Fernsehserien an. Immer mehr US-Amerikaner stellen sich über die Internet-Anbieter ihr eigenes Fernsehprogramm zusammen und kündigen den Kabelanbietern, weil sie deren Hunderte von Kanälen nicht benötigen. Abhilfe sollte die verspätete Freigabe von Kinofilmen an die Online-Konkurrenz bringen.

Derzeit müssen Netflix und die DVD-Verleiher 28 Tage nach Verkaufsstart der Scheiben im Handel warten, bevor sie die Streifen vermieten dürfen. Die Frist soll nun sogar auf 56 Tage verdoppelt werden. Doch vielen Nutzern erscheint die starre Verwertungskette überholt. So kommen immer noch Spielfilme zuerst ins Kino, ein halbes Jahr später werden sie auf DVD und BluRay veröffentlicht, danach erscheinen sie im Pay-TV und als letztes im normalen Fernsehen.

Fehler der Musikbranche
Indem sich die Konzerne an die alten Vertriebsmodelle klammern und diese gar noch verschärfen, drohen sie den Fehler der Musikbranche zu wiederholen. Denn neben der Kostenfrage treibt auch die fehlende Verfügbarkeit viele Nutzer auf illegale Seiten. TV-Serien und Filme kommen oft erst Monate nachdem sie in Amerika gestartet sind nach Europa – wenn überhaupt. Doch viele Film- und TV-Fans wollen nicht Monate auf die neue Staffel ihrer Lieblingsserie warten, über die im Netz global diskutiert wird. Dabei gibt es längst Beispiele, wie man Filme und TV-Serien international simultan auf Leinwand oder Mattscheibe bringen kann – wie kürzlich die Serie „Falling Skies“, die in Deutschland nur fünf Tage nach der US-Premiere startete. Wettbewerbsfähige legale Dienste wie Hulu gibt es nach wie vor nur in den USA.



Die internationale Expansion lässt hier seit Jahren auf sich warten, obwohl die Plattform ideal für die Studios wäre, TV-Inhalte simultan global zu vermarkten.
„Viele Medienunternehmen haben zu wenig in ihre technische Kompetenz investiert“, sagt Professor Thomas Hess, Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik und neue Medien an der Ludwig Maximilian Universität in München. Das mache sie schwerfällig. Sie versuchten mit dem harten Vorgehen gegen Megaupload und andere Portale sowie Initiativen wie Sopa und Pipa ihre Pfunde zu retten. Doch der Wissenschaftler ist sich sicher: „Das wird nicht funktionieren.“

Wettbewerb legaler Dienste
Die Filmindustrie begeht dieselben Fehler wie Jahre zuvor schon die Musikindustrie. Die hatte versucht, Kopien mit rigiden Schutzmechanismen zu verhindern. Erst nachdem die Umsätze der Branche massiv eingebrochen waren, öffnete sie sich gezwungenermaßen mit Apples iTunes Musikladen dem Internetvertrieb. Inzwischen herrscht ein breiter Wettbewerb von legalen Diensten, die Zahl der Nutzer dieser Plattformen legte im Vorjahr um 65 Prozent zu.

Napster versucht es legal
Langsam drängt die Branche die Raubkopierer zurück und kann den Niedergang zumindest stoppen. Die International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) vermeldete gerade einen Anstieg der weltweiten Umsätze um acht Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar. Zwar sanken die CD-Verkäufe erneut leicht, doch der Anteil von digitaler Musik am Gesamtumsatz ist 2011 auf 32 Prozent gestiegen.
Vor allem Streaming-Dienste, bei denen die Nutzer gegen eine Abogebühr von meist zehn Euro im Monat Millionen Songs im Netz hören können, sollen das Bedürfnis nach illegalen Downloads stoppen. Mit Spotify, Simfy, Rdio und anderen drängeln sich die Anbieter gerade in diesem Markt. Und selbst die einstige Musik-Piratenhochburg Napster kommt damit zurück. Längst werden dort legal Songs angeboten, nun hat der US-Streamingmarktführer Rhapsody Napster übernommen, um damit in Deutschland durchzustarten. Eine Million Nutzer zahlt inzwischen in den USA dafür, bei Rhapsody legal Musik zu hören. Das Unternehmen kennt auch das Problem fehlender Alternativen.

„Wenn neue Folgen beliebter Serien, wie „Two and a half man“ in Ländern wie Deutschland nicht legal verfügbar sind, steigen die Abrufe dieser Inhalte auf illegalen Seiten massiv an“, sagt Rhapsody-Chef Jon Irwin. „Legale Alternativen sind daher mit Abstand das beste Mittel gegen Raubkopierer“.

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