Roboter übernehmen immer mehr Jobs Wenn Menschen zu Helfern von Maschinen werden

Viele Menschen haben Angst vor intelligenten Maschinen, die ihre Arbeit wegnehmen. In Japan hat dieser Prozess gerade begonnen. Aber die Regierung ist nicht besorgt: Der Trend passt in ihr Konzept.

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Diese Jobs mischen Roboter auf
IndustrieSchon heute werden viele Arbeitsschritte von Maschinen übernommen - doch die vernetzte Produktion setzt auch in den Werkshallen eine weitere Automatisierungswelle in Gang. Das muss unterm Strich aber nicht zwangsläufig zu Jobverlusten führen, heißt es aus der Wirtschaft: Bereits Ende 2016 lag Deutschland bei der „Roboter-Dichte“ weltweit auf Platz drei hinter Südkorea und Japan - und trotzdem sei die Beschäftigung auf einem Rekordstand, erklärt der Maschinenbau-Verband VDMA. Auch der Präsident des Elektronik-Branchenverbandes ZVEI, Michael Ziesemer, sagt: „Es können auch mehr Jobs entstehen als wegfallen.“ Die Digitalisierung werde eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und damit neue Stellen hervorbringen. „Wer kreativ ist, rangeht und sich Dinge überlegt, hat jede Menge Chancen.“ Quelle: dpa
Das vernetzte und automatisierte Fahren dürfte künftig viele Jobs überflüssig machen Quelle: dpa
BüroSchreibarbeiten, Auftragsabwicklung und Abrechnungen - Büro- und kaufmännische Fachkräfte erledigen nach Experteneinschätzungen Arbeiten, die heute schon zu einem hohen Grad automatisierbar sind. Dadurch könnten auch viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen: Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind in solchen Berufen tätig. Quelle: dpa
Der Handel wurde als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung erfasst - entsprechend laufen im Online-Handel viele Prozesse automatisiert ab Quelle: dpa
Sie melken die Kühe, füttern, misten aus und helfen beim Ernten - Roboter haben längst auch auf den Bauernhöfen Einzug gehalten Quelle: dpa
Roboter in der Pflege - was in Japan bereits zum Alltag gehört, bereitet vielen Menschen in Deutschland noch eher Unbehagen Quelle: dpa
Auch im Haushalt tun Roboter schon ihren Dienst Quelle: dpa

Der Lebensversicherer Fukoku ersetzt bis Ende März 34 Mitarbeiter durch die künstliche Intelligenz des IBM Watson Explorers. Die schlaue Software durchforstet ab dann alle Unterlagen zur Krankengeschichte von Patienten wie Arztberichte und Rechnungen. Dann prüfen die Algorithmen, welche Ausgaben von den Klauseln der individuellen Versicherungspolice gedeckt sind. Anschließend kalkuliert die Software die Auszahlungssumme an den Versicherungsnehmer. Auf diese Weise will Fukoku die Produktivität der Regulierungsabteilung um 30 Prozent steigern und die Kosten senken.

Künstliche Intelligenz in Aktion

Dabei wird es nicht bleiben: Nach jüngsten Berechnungen des Forschungsinstituts Mitsubishi werden solche künstlichen Intelligenzen (KI) und richtige Roboter bis 2030 die Arbeitsplätze von 7,4 Millionen Japanern übernehmen, davon 1,5 Millionen im produzierenden Gewerbe und 720.000 in den Buchhaltungen der Unternehmen.

Was wie ein Schreckensszenario klingt, soll jedoch für Japan nach dem Willen der Regierung ein Segen sein. Denn die japanische Bevölkerung schrumpft so rasch, dass schon heute überall Arbeitskräfte händeringend gesucht werden. Darauf ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine passende Antwort. Durch die neue Technik würden bis 2030 fünf Millionen neue Jobs geschaffen, schätzen die Mitsubishi-Forscher. Die netto freigesetzten 2,4 Millionen Arbeitskräfte landen jedoch nicht auf der Straße, sondern könnten in den Service-Sektoren der Wirtschaft unterkommen. Dort herrscht bereits heute starker Mangel an Arbeitskräften.

Fukoku ist nicht das einzige Assekuranz-Unternehmen, das auf KI setzt: Nippon Life benutzt ein KI-Programm, um bestmögliche Versicherungsangebote für ihre Kunden zu entwickeln und zu analysieren. Die Software berücksichtigt dabei alle 40 Millionen bereits abgeschlossenen Verträge. Der Versicherer Dai-ichi Life setzt ebenfalls den Watson Explorer bei der Bearbeitung von Auszahlungen ein. Die japanische Postversicherung will ab März das gleiche System testen.

Dass sich diese Programme rechnen, zeigt das Beispiel von Fukoku: Die Entwicklung und Installation der künstlichen Intelligenz kostet 200 Millionen Yen (1,6 Millionen Euro). Danach fallen laufende Kosten von 15 Millionen Yen (123.000 Euro) jährlich an. Die freigesetzten 34 Mitarbeiter kosten jährlich 140 Millionen Yen (1,1 Millionen Euro). Daher hätte sich die KI nach sechzehn Monaten rentiert - vorausgesetzt, der Watson Explorer arbeitet wirklich genauso gut wie ein menschlicher Sachbearbeiter.

Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken

Dass die Kosten sich so schnell amortisieren, hängt allerdings mit einer japanischen Besonderheit zusammen. Festangestellte Mitarbeiter sind durch Betriebsrenten, Boni und andere Beihilfen teuer und nur nach einer hohen Abfindung kündbar. Aber fast 40 Prozent aller Jobs sind mit Zeitarbeitern besetzt. Diese "Irregulären" werden zu mehr als der Hälfte auf Stundenbasis bezahlt und verdienen im Schnitt 36 Prozent weniger als die Festangestellten.

Außerdem kosten sie die Firmen deutlich niedrigere Sozialabgaben. Solche Zeitarbeiter arbeiten in der Regel ohne eigene Verantwortung zu. Alle 34 entlassenen Fukoku-Mitarbeiter fallen in diese Kategorie. Daher dürften in Zukunft solche Arbeitsplätze zuerst automatisiert werden.

Japan ist ein Sonderfall

Trotzdem wird die Zahl der Arbeitslosen in Japan deswegen nicht nach oben schnellen. Denn in vielen Service-Branchen sind Arbeitskräfte so knapp wie noch nie. In Japan herrscht bei einer Arbeitslosenrate von 3,1 Prozent de facto Vollbeschäftigung - und dies trotz einer seit Jahren steigenden Zahl von Erwerbstätigen.

Auf 100 Arbeitssuchende kamen zuletzt 141 Stellenangebote. Darunter sind viele Tätigkeiten im Einzelhandel, in Restaurants, auf dem Bau und in der Altenpflege. Solche Arbeiten werden oft in Teilzeit und mit begrenzter Vertragszeit vergeben, weil Firmen und Geschäfte die Festanstellung scheuen. In diesen Bereichen könnten die freigesetzten Zeitarbeiter aus den Versicherungsfirmen ohne großen Verdienstrückgang schnell unterkommen.

Roboter managen ein ganzes Hotel
Das Hotel Henn-na wird fast komplett von Robotern betrieben. Es hat am 17. Juli eröffnet und befindet sich in dem Vergnügungs- und Freizeitpark Huis Ten Bosch in Sasebo, Nagasaki in Japan. Quelle: © Huisten Bosch
Insgesamt arbeiten im Hotel mindestens acht Roboter. Sie sind an der Rezeption, im Service, als Gepäckträger, an der Schließfachverwaltung und beim Putzen eingesetzt. Quelle: © Huisten Bosch
Das Hotel hat zunächst mit 72 Zimmern eröffnet. Nach einem erfolgreichen Testbetrieb ist die doppelte Anzahl mit 144 Zimmern geplant. Quelle: © Huisten Bosch
Rezeption mit Robotern
Hier stellt sich einer der Rezeptionsroboter vor Quelle: Screenshot
Die englischsprachigen Gäste müssen mit dem Dinosaurier Vorlieb nehmen. Er soll aber genauso freundlich und klug sein, wie die japanische Kollegin. Quelle: Screenshot
Das ist der vollautomatische Gepäckträger. Quelle: Screenshot

Noch ein zweiter Faktor macht Japan zum Sonderfall. In Nippon ist es nämlich die wichtigste Aufgabe eines Unternehmens, Arbeitsplätze zu schaffen und bis an die Grenze des Möglichen zu erhalten. Der Gewinn und die Dividende spielen traditionell eine untergeordnete Rolle.

Auch wenn es für festangestellte Mitarbeiter gerade keine "richtige" Arbeit gibt, werden sie trotzdem beschäftigt - und sei es auf scheinbar sinnlose Weise. Oft sieht man Menschen, die Schilder mit Informationen hochhalten (zur Veranstaltung XYZ nach rechts gehen) oder überflüssige Durchsagen mit dem Megafon machen (Die Rolltreppe ist kaputt, bitte die Treppe nehmen). Darüber kann man sich lustig machen. Aber das schont den Sozialstaat und die Allgemeinheit.

Unter den vielen offenen Stellen finden sich auch Jobs, die es in Deutschland gar nicht gibt: Etwa Parkplatzwächter für Supermärkte und Einkaufsmeilen. Diese Jobs sind dem japanischen Service-Gedanken geschuldet, dass der Kunde schon auf dem Parkplatz das Gefühl bekommen soll, umsorgt zu sein. Oder die Einweiser vor größeren Baustellen, die den Verkehr regeln. Diese Jobs sind eine Folge der engen Straßen und der vielen Menschen, die das An- und Abfahren von Lieferfahrzeugen erschweren.

Für solche Aufgaben wird man auch in Zukunft keine künstliche Intelligenz einsetzen. Japan scheint damit ein gutes Umfeld zu haben, um die kommende Automatisierung ohne soziale Aufstände zu verkraften.

In dieses Bild passt die Nachricht, dass es selbst einem speziellen KI-Programm nicht gelungen ist, die Aufnahmeprüfung der Universität Tokio zu bestehen. Die Forscher haben ihr Projekt vor wenigen Wochen aufgegeben. "KI ist nicht besonders gut bei Prüfungsfragen, die ein Verständnis über ein breites Spektrum voraussetzen", gestand Professor Noriko Arai vom Nationalen Informatik-Institut.

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