Klassische Zwischen-Hierarchen wie der Versicherungsabteilungsleiter Stromberg aus der gleichnamigen TV-Serie gehören der Vergangenheit an: Verwalten und Koordinieren kann schlaue Software besser. Welche Wellen das schlägt, beschreiben die Informatikerin Constanze Kurz und der Hacker Frank Rieger im Buch „Arbeitsfrei“: Der Wohlstand steige durch die Job-Revolution, aber etliche würden sich nicht mehr ihr eigen Brot erarbeiten können. Das wäre ein Abschied von der Mittelschicht.
Seit Gründung der Bundesrepublik definiert sie sich über ihre Arbeit und das Einkommen daraus. Profiteure und Pechvögel sind nicht sofort nach Branchen oder Bildungsstand zu trennen: Von der menschenleeren Fabrik spricht niemand mehr. In Gefahr könnten aber viele Bürojobs sein. E-Mails nach 22 Uhr, kurzfristige Telefonkonferenzen oder das Arbeiten in der Cloud – mehr Flexibilität wird Weißhemden (im Büro) wie Blauhemden (in der Produktion) abverlangt.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Drei Revolutionen haben unsere Art zu arbeiten bereits verändert. Ende des 18. Jahrhunderts verdrängte die Dampfmaschine Handwerker aus den Manufakturen. Elektrizität und das Fließband erlaubten die Massenfertigung. In den Siebzigerjahren hielten Computer Einzug. Jeder der Umbrüche schuf mehr Wohlstand, aber auch Verlierer. Vor mehr als 200 Jahren begehrten in England die Ludditen gegen frühindustrielle Waren auf. Ähnliche Maschinenstürmer protestierten in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts beim Weberaufstand gegen Fabriktextilien. Ab Mitte der Siebzigerjahre wurde Massenarbeitslosigkeit zum zentralen Thema.
Motoren der Revolution
Es ist keine einzelne Erfindung, viele Neuerungen treiben die Revolution an. Rechenleistung von Computern ist billig geworden. Mit mobilen Geräten können wir uns vernetzen, Riesenmengen an Daten sammeln und auswerten. Billige Sensoren reagieren auf jede Bewegung, sonst könnten sich Mensch und Maschine nicht so nah kommen. Daten fließen in Echtzeit, Maschinen lernen aus ihnen.
Das Handy oder ein Tablet mühelos zu bedienen ist der Einstieg in die neue Ära. „Wer sein Smartphone beherrscht, braucht hier keine Hemmungen zu haben“, sagt Fabian Borowski, bald 28 und Industrie-4.0-Beauftragter bei Bosch in Homburg. Mit der Fertigungsplanerin Nicole Arendt baut er die smarte Produktion seit Sommer 2014 auf. Sie haben einiges bereits umgesetzt, was die Zeitreise ins Jahr 2025 beschreibt. Dazu mussten die Maschinenbauer programmieren lernen. Beide wissen: Nicht nur für sie wird Informatik bald die wichtigste Fremdsprache.
Dafür reichen einem Facharbeiter nun drei bis vier Tage Anlernzeit, um eine Maschinenstrecke zu bedienen. Schweres Schleppen wird überflüssig - ein Vorteil für alternde Belegschaften.
Neue Anforderungen entstehen auch bei der Arbeitszeit. Was bisher noch ein Test ist, könnte bald Alltag sein. Beim Fraunhofer-Projekt „KapaflexCy“ lernen Mitarbeiter, kurzfristig anberaumte Extraschichten selbst zu organisieren. Die Anfrage landet auf dem Smartphone, in Echtzeit sollen die Betroffenen abstimmen, wer anrückt.
In den USA ertüftelt Software Dienstpläne – etwa für Fastfoodketten –, abhängig vom Wetter oder kurzfristigen Ereignissen. Die „New York Times“ porträtierte eine Kaffeehaus-Barista, die als Alleinerziehende mit wechselnden Einsatzorten und -zeiten kämpft. Vor solchen Extremen steht aber das deutsche Arbeitsrecht.
Gegen immer flexiblere Zeiten wehren sich Gewerkschafter. Roman Zitzelsberger, Bezirkschef der IG Metall in Baden-Württemberg, ist auf der Hut. Er nennt sich „Fan von Industrie 4.0“. Doch: „Der Mensch muss bestimmen und nicht die Maschine.“ KapaflexCy sieht er kritisch: „Es darf nicht sein, dass bei der Arbeit gesagt wird, übrigens haben wir sieben zusätzliche Aufträge bekommen, also arbeite du nachher noch länger. Da hat der eine sein Fußballtraining, der andere muss zur Familie.“