Seit dem Sieg über Japan im Jahr 1945 ist es der Menschheit gelungen, keine Atomwaffen mehr einzusetzen. Ein Erfolg, den damals die meisten Intellektuellen nicht für möglich gehalten hätten.
Das ging nur, weil allen Menschen die Gefahr der Atomwaffen bewusst war. Jeder erinnerte sich an die Bilder des zerstörten Hiroshima und nahm sie als mahnendes Beispiel. Doch in der Debatte um das Verhältnis von Mensch und Maschine fehlen solche Bilder.
Atomenergie hat manchmal Vorteile, Atomwaffen sind immer gefährlich. Bei Computern und Robotern ist es ähnlich - sie können Leben erschaffen, aber auch den Tod bringen.
Wird es uns gelingen, diesen Zwiespalt im Blick zu behalten? Einen gesunden Mittelweg zu finden zwischen den Chancen und den Gefahren? Die Erfahrung lehrt: Genau das fällt den meisten Menschen schwer. Sie sind entweder komplett für oder gegen etwas.
Zum Autor
David Gelernter ist Informatikprofessor an der Yale Universität und Autor zahlreicher Sachbücher. Er gilt als einer der wichtigsten Computerforscher der Gegenwart.
Nachgebaute Seelen
Maschinen werden niemals eine echte Seele haben, doch sie werden über beeindruckende Imitate solcher Seelen verfügen. Und diese nachgebauten Seelen werden enorme Fähigkeiten haben. Sie werden intelligent sein, logisch denken und planen können, Emotionen verspüren.
Grenzen werden all diesen Fähigkeiten allein von der Software und der Technologie gesetzt – und vom gesunden Menschenverstand der zuständigen Ingenieure.
Hilfe, ein Roboter klaut meinen Job!
Dass die Zeichen der Zukunft auf digital stehen - geschenkt. Doch ein Journalist der britisch-amerikanischen Webseite Mashable hat darüber einen Artikel veröffentlicht, welche Jobs schon im nächsten Jahr von Robotern ersetzt werden könnten. Das Ergebnis ist überraschend: Ein Blick in die Gegenwart zeigt, dass die Zukunft oft schon da ist.
Sie heißen Scooba 230 oder Braava 380: Roboter, die selbstständig den Boden saugen oder wischen, gibt es schon seit ein paar Jahren. Aber bei aufwendigen Reinigungen, wie zum Beispiel das Entfernen von Bakterien und Keime, war der Mensch bislang unersetzbar. Doch das ändert sich zunehmend. In einem kalifornischen Krankenhaus ist bereits ein Putzroboter im Einsatz, der gezielt zur Bekämpfung von Keimen programmiert wurde. Mithilfe von UV-Licht befreit er das Hospital von Bakterien und Schimmel.
Ob E-Learning oder Moocs: Die größten Bildungstrends der letzten Jahre fanden nicht in den Klassenräumen statt, sondern im Internet. Doch dass der Beruf des Lehrers aussterben könnte – daran haben bislang nur die wenigsten gedacht. In einer Schule im US-amerikanischen Connecticut, lernen Kindern mit Robotern – und das sehr erfolgreich. Zwar kann der Roboter noch keinen Lehrer ersetzen, aber er bringt immerhin die Qualifizierung eines Lehr-Assistenten mit.
Der vierfache Weltfußballer Lionel Messi kann ihn nicht bezwingen. Drei Mal nimmt er Anlauf und schießt mit voller Wucht auf das Tor – doch der Torwart hält den Ball. Jedes Mal. Doch nicht Manuel Neuer, Iker Casillas oder Gianluigi Buffont bewachen das Netz, sondern ein sonderlich grinsender Roboter. Jetzt arbeiten japanische Wissenschaftler an einem Roboter, der neben dem Fangen auch Werfen, Rennen und sich richtig positionieren kann. Das wäre dann der erste Roboter, der in der Lage wäre, in einer Mannschaft mit anderen Menschen zu spielen.
Kranke zu pflegen kann nicht nur psychisch belastend sein, sondern auch körperlich. Etwa um den Patienten aufzuhelfen, sich umzudrehen oder umzubetten. In einem Krankenhaus in Singapur erledigt das nun ein Roboter. Das wohl intelligenteste Bett der Welt unterstützt den Patienten bei den Bewegungen und schätzt selbstständig die Geschwindigkeit ein.
Wer im US-amerikanischen San Jose den Orchard Supply Hardware Store betritt, wird von einer rollenden weißen Säule namens OSHbot begrüßt. Der Roboter hat ein kleines Display mit integrierter Kamera, in das die Kunden ihre Wünsche äußern können. Zum Beispiel, indem sie eine bestimmte Schraube vor die Kamera halten. OShbot identifiziert die Schraube und führt den Kunden dann direkt zum entsprechenden Regal. Auch über die Lagerbestände weiß er zu jeder Zeit Bescheid.
Ein Video von Oshbot: http://www.mercurynews.com/business/ci_26815593/robots-helping-customers-at-san-jose-orchard-supply
In einem Hotel in der US-amerikanischen Stadt Cupertino, mitten im Tech-Paradies Silicon Valley gelegen, begleitet ein Roboter namens SaviOne, die Gäste des Drei-Sterne-Hotels Aloft in ihre Zimmer. In diesem Jahr befand sich das Projekt noch in der Testphase, ab 2015 soll eine kleine Armee von Robotern die Gäste der Starwood-Hotelkette, zu der auch das Aloft gehört, glücklich machen.
Schauspieler müssen sich jede Rolle hart erkämpfen, bei so gut wie jedem Casting ist die Konkurrenz groß. Und künftig wird sie noch größer. In diesem Jahr wurde eine Rolle in der Theateraufführung von Franz Kafkas „Die Verwandlung“ von einem Roboter gespielt. Gregor Samsa, der sich eines Morgens in ein Ungeziefer verwandelt sieht, wacht in der neuen Interpretation als Roboter auf.
In einem Flugzeug ist schon viel automatisiert – doch so ganz ohne Piloten aus Fleisch und Blut ging es bislang nicht. Das will das Advance Institute of Science and Technology in Südkorea ändern. Pibot ist ein Roboter mit Armen, Beinen und einem Kopf. Und soll ein Flugzeug durch schwierige Manöver fliegen. Im nächsten Jahr wird das wahrscheinlich noch nicht möglich sein, zumindest nicht im normalen Passagierverkehr. Aber Pibots Zeit wird kommen, und wahrscheinlich schneller als heute gedacht.
Ich vergleiche unseren Geist gerne mit Punkten auf einem Spektrum. Am einen Ende stehen rationale Gedanken, am anderen Ende reine Gefühle, also Emotionen und Wahrnehmungen.
Meistens ist unser Seelenzustand eine Mischung aus Denken und Fühlen. Wenn wir denken, handeln wir aktiv: Wir lösen ein Problem, fassen einen Plan, beschließen eine Reaktion. Wenn wir fühlen, sind wir eher passiv. Wir entscheiden uns nicht für Gefühle. Sie passieren einfach.
Nehmen wir zum Beispiel Glück. Das ist ein passiver Zustand. Er kann sich rein seelisch äußern, aber auch körperlich. Dann fühlen wir etwa ein Kitzeln oder Wärme. Aber auch Schmerz oder Kälte sind Gefühle, die uns zustoßen. Sie sind eher Empfindungen als Emotionen, aber auch sie sind Gefühle. Wir müssen dafür gar nichts tun – außer zu existieren.
Doch auch wenn wir nur existieren, unterscheiden wir uns von anderen Dingen. Wir sind vielleicht passiv, aber wir sind bei Bewusstsein. Wir reagieren auf unsere Umwelt. Genauso wie Eis, das auf Wärme reagiert, indem es schmilzt. Oder Stahl, das auf Wasser reagiert, indem es rostet. Für diese Reaktionen sorgt das Wesen von Eis und Stahl. Und genauso reagiert unsere Seele auf die jeweilige Umgebung.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Doch kein Computer kann den Prozess des Schmelzens auslösen. Keine Software kann Rosten verursachen – weil Schmelzen und Rosten physikalische Prozesse sind, die von den Eigenschaften von Eis und Stahl abhängen.
Genauso wenig kann eine Software subjektive Erfahrungen auslösen. Denn sie sind immer abhängig vom Zusammenspiel von Körper und Geist.
Und Fakt ist: Wir wissen nicht genau, wie diese Erfahrungen zustande kommen. Vielleicht werden wir das eines Tages wissen, vielleicht nie. Aber das ist zweitrangig. Viel wichtiger ist: Subjektive Erfahrungen sind nicht berechenbar. Hinter ihnen steckt keine mathematische Funktion, sondern zumindest teilweise immer ein physikalischer Prozess.
Auf heiklem Pfad
Doch das Leben ist nicht berechenbar. Kein noch so ausgefeilter Computer kann Erlebnisse und Gefühle nachbilden. Aber genau diese Erfahrungen machen uns Menschen aus.
Eines Tages werden wir künstliche Seelen erschaffen, die sich ungefähr so verhalten, als hätten sie Bewusstsein und Gefühle. Aber das werden keine echten Gefühle sein.
Interview mit einem Roboter
Eine Mutter, die ein kleines Kind weinen sieht, wird etwas spüren. Diese Gefühle können wir untersuchen – genauso wie die Reaktion, die daraus folgt. Vielleicht spricht sie das Kind an oder nimmt es auf den Arm. Auf genau solche Reaktionen können wir auch einen Roboter programmieren. Wir können ihm eine Art Mitleidsskala einbauen, damit er ab einem bestimmten Wert eingreift.
Doch echte menschliche Gefühle haben unvorhersehbare Folgen. Manchmal sind sie gut, manchmal schlecht. Software kann solche Gefühle niemals erschaffen. Sie kann sich der Seele immer nur annähern – noch nicht heute, aber eines Tages. Wie nah die Software dabei echten Gefühlen kommt, ist noch unklar.
Relativ klar ist hingegen, dass Software keine Probleme mit logischem Denken haben wird. Sobald die technischen Schwierigkeiten beseitigt sind, wird ein künstliches Gehirn mit einem IQ von 10.000 genauso leicht zu erschaffen sein wie eines mit einem IQ von 100 oder 1.000.
Die Technologie ist so gefährlich wie nie zuvor
Die Seele des Roboters könnte im Gegensatz zur menschlichen Seele einige Schwächen haben, vielleicht ist sie von ihr auch kaum zu unterscheiden. Wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass reines Denken – die Fähigkeit zu logischen, vernünftigen, rationalen, abstrakten Gedanken –, leicht zu kopieren ist. Vermutlich ist es sogar leicht zu übertreffen.
Ein Roboter mit einem IQ von 10.000 würde auf die Menschen herabsehen wie wir es bei Fischen, Würmern Mücken tun. Deren Leben bedeutet uns etwas. Aber unser Leben bedeutet ihnen nichts.
Serie "Wirtschaftswelten 2025"
Nichts wird bleiben, wie es ist. Das Internet verändert unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, das ganze Leben. Datenanalyse ersetzt Bauchgefühl (Big Data), Brillen sprechen mit Autos (Internet der Dinge). Unternehmen müssen sich neu erfinden, Märkte bilden sich neu (informationsökonomische Revolution). Was bedeutet das für Arbeit, Mobilität, Geld, medizinische Versorgung? Und was wird aus uns? In der Kurztextgalerie finden Sie alle im Rahmen der Serie erschienenen Artikel.
Lange waren denkende Computer nur Science-Fiction. Nun aber beantworten die smarten Maschinen schon E-Mails, planen unseren Urlaub und arbeiten als Dolmetscher. Bald sind sie klüger als wir - und können jeden Job übernehmen. Hier geht es zum Artikel.
Viele Menschen fürchten, im Zuge der Digitalisierung von Maschinen ersetzt zu werden. Doch diese Angst trübt den Blick für die Vorteile neuer Technologien, schreibt
Maschinen lernen aus Daten, und zwar sehr schnell. Wie gut, dass wir ihnen etwas Entscheidendes voraushaben, meint Viktor Mayer-Schönberger.
Intelligente Roboter-Autos chauffieren uns schon in wenigen Jahren durch die Städte – und machen dabei auch den eigenen Wagen überflüssig, meint WirtschaftsWoche-Redakteur Jürgen Rees.
Künstliche Intelligenz zu verbieten, ist sinnlos. Doch wenn sie nicht eingeschränkt wird, wird sie uns nicht nur gewaltige Vorteile bringen - sondern auch gewaltige Nachteile, schreibt Gary Marcus.
Intelligente Maschinen werden die Arbeitswelt verändern. Es könnte zu Revolten kommen. Aber nicht durch die Maschinen - sondern durch jene Menschen, die von den Maschinen ersetzt wurden, warnt Patrick Ehlen.
Wir werden auch in Zukunft die Kontrolle über Maschinen behalten – falls wir uns klug und menschlich verhalten. Das ist möglich. Aber keinesfalls sicher, schreibt David Gelernter.
Ist das Ende 40.000-jähriger, durch den Homo sapiens sapiens dominierter Geschichte in Sicht? Selbstlernende künstliche neuronale Netze erledigen manche Aufgabe schon heute besser als Menschen.
Wichtige ethische Fragen sind bislang nicht nur unbeantwortet. Sie sind nicht einmal gestellt, mahnt Bernhard Rohleder.
Die Maschinen nähern sich einem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Als speicherprogrammierte Rechner die ersten Befehle ausführen konnten, begannen die Maschinen die Kontrolle zu übernehmen, schreibt George Dyson.
Roboter könnten uns eines Tages als Arbeitskollegen oder Gefährten unterstützen, glaubt der Wissenschaftler Guy Hoffman. Aber wie viel Kontrolle wollen wir den Maschinen überlassen?
Globale Vernetzung und immer billigere Waffen machen Kriege erschwinglich für alle. Wie sich Kriegsführung und -abwehr verändern, beschreibt das fiktive Protokoll einer Attacke aus dem Jahr 2025.
Maschinen entscheiden, Werkstücke erteilen Befehle: Die digitale Fabrik verspricht die Annäherung an das Extrem einer Produktion ohne den Menschen. Die deutschen Unternehmen müssen aufpassen, dass die USA nicht vor ihnen in der Zukunft ankommen. Lesen Sie hier wie es um die Industrie 4.0 in Deutschland steht.
Niemand, egal wie stark oder schwach seine moralischen Instinkte auch sein mögen, empfindet Fischen oder Würmern gegenüber echte Zuneigung. Dafür unterscheidet sich ihr vermeintliches Seelenleben zu stark von unserem.
Die meisten Menschen, darunter auch intelligente, nachdenkliche, gütige Menschen, haben kein Problem damit, Fische zu essen oder Mücken zu töten. Genauso werden Roboter mit einem IQ von 10.000 auf die Menschen blicken.
Ingenieure, die diese Roboter bauen, sehen das als aufregende Herausforderung. Technologen wollen eben immer die mächtigsten Maschinen erfinden. Deshalb ist es auch Teil der menschlichen Natur, mächtige Roboter zu bauen.
Bloß: Wir wissen nicht, wie diese superintelligenten Roboter auf Menschen reagieren. Vielleicht sehen sie uns als eine Kuriosität oder als Tribut an die Umwelt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie menschliches Leben zufällig zerstören, ohne weiter darüber nachzudenken.
Die Menschen haben bewiesen, dass sie mit gefährlicher Technologie leben können, ohne sich gleich umzubringen. Doch die Welt ist auf einem heiklen Pfad unterwegs. Die Technologie ist derzeit so gefährlich wie nie zuvor. Und deshalb bin ich besorgt.