Die Frage, warum Google so heiß auf den kleinen tschechischen Online-Markt ist, beantwortet Pavel Zima scherzhaft: „Sie wollen die Weltkarte in ihrem Hauptquartier komplettieren.“ Eine ernsthafte Erklärung hat er nicht. Offenbar gehört Tiefstapeln zu Zimas Geschäft.
Er ist seit 2006 Geschäftsführer der Suchmaschine Seznam. Wie das US-Vorbild, so hat auch Zima über die Jahre ein ganzes Imperium um seine Suchmaschine herum aufgebaut: Ein eigener Streaming-Dienst mit selbstproduziertem Inhalt, ein E-Mail-Dienst, ein Karten-Dienst, Gelbe Seiten und eigene Nachrichtenseiten gehören zu dem 1996 gegründeten Konzern.
Seznams Dienste
Mapy.cz ist der meistgenutzte Kartendienst Tschechiens. Er bietet vor allem Informationen für Touristen, aber auch Fotoansichten und detaillierte Informationen zu den Wanderwegen Tschechiens. Täglich nutzen mehr als 200.000 Tschechen Mapy.cz und planen über 250.000 Routen. Der Dienst ist sowohl online abrufbar als auch als App. Dann funktioniert er sogar offline.
Über viele Jahre lang war Novinky.cz die meistfrequentierte Nachrichtenseite Tschechiens. 1,2 Millionen Visits verzeichnet die Seite täglich – damit ruft sie jeder fünfte Tscheche, der online ist, auf.
Mit Firmy.cz bietet Seznam einen Service, der eine Volltext-Suche mit verschiedenen Kategorien und Regionen kombiniert, sodass Nutzer in der Lage sind, Unternehmen in ganz Tschechien zu suchen. Der Katalog enthält über 600.000 Unternehmen, die dort gelistet sind. Über zwei Millionen Tschechen besuchen die Seite monatlich.
Um tschechische Online-Shops nach Angeboten zu durchforsten, hat Seznam Zbozí entwickelt. Mit der Suchmaschine kann man Preise vergleichen, Shops in der Nähe absuchen und herausfinden, ob das gewünschte Produkt noch auf Lager ist. Zudem gibt es Informationen über Bezahlungsweise und Lieferung bei den verschiedenen Anbietern.
Stream.cz ist Seznams Online-Fernsehsender. Jede Woche produziert Seznam für den Sender 40 eigene Shows. Begonnen hatte Stream.cz als eine Art tschechisches Youtube – als das nicht erfolgreich war, hat sich Seznam von dem von Nutzern generierten Content verabschiedet und auf eigene Produktionen gesetzt.
Skilk.cz ist ein Werbesystem – vergleichbar mit Google Adsense. Die Werbung wird bei den Ergebnissen der Suchmaschine Seznam.cz angezeigt – sowie auf den Partnerseiten Seznams. Die Werbenden zahlen pro Klick auf die Werbung.
Seznams Email-Service ist der meist genutzt kostenlose Email-Service Tschechiens. Nach eigenen Angaben gibt es acht Millionen aktive Email-Konten. 1,5 Millionen Tschechen besuchen die Seite täglich und versenden rund fünf Millionen Mails täglich.
Sreality ist ein Online-Marktplatz zum Kaufen, Verkaufen und Vermieten von Immobilien aller Art. Die Datenbank vereint die Angebote tschechischer Makler mit denen von Privatanbietern. Auf der Seite finden sich detaillierte Beschreibungen der Objekte inklusive Fotos, Videos und Karten. Den Service nutzen täglich 76.000 Tschechen.
Damit ist Seznam das fast Undenkbare gelungen: Die tschechische Firma kann dem milliardenschweren Google-Konzern seit eineinhalb Jahrzehnten auf dem tschechischen Markt Paroli bieten.
Laut eigener Aussage laufen 55 Prozent aller Suchanfragen über Seznams Suchmaschine, 90 Prozent der Tschechen nutzten mindestens einmal im Monat einen der Dienste. Damit sei er verantwortlich für 60 Prozent aller Visits im tschechischen Netz.
Das macht Seznam zu einer Ausnahme. Weltweit hat Google ansonsten nur in Russland (Yandex), Japan (Yahoo) und China (Baidu) nicht die Mehrheit auf dem Suchmaschinenmarkt. Wie konnte Zima das gelingen?
Erfolgsfaktor 1: Den Markt früh besetzen
Gegründet wurde Seznam von Ivo Lukačovič. Während der Google-Vorgänger BackRub 1996 online ging, tippte der damalige Student händisch die Webseiten aus dem tschechischen Internet in eine nach Themen geordnete Liste. Dann verknüpfte er sie mit Keywords, sodass Internet-Nutzer diese Webseiten suchen konnten. Daher auch der Name. Seznam heißt zu Deutsch: Liste.
Damit stieß Lukačovič das Tor zum tschechischen Internet auf. Mit Seznam.cz erreichte er im ersten Jahr 10.000 Nutzer täglich. Um sein Projekt zu finanzieren, schaltete er Bannerwerbung. Als Lukačovičs Freund Pavel Zima 1998 zum Team stieß, ging Google gerade online – und strebte gleich den Weltmarkt an. Zu diesem Zeitpunkt war das Seznam-Team fünf Mann stark, erreichte täglich 100.000 Nutzer und hatte eine klare Zielsetzung: Das tschechische Internet in all seinen Facetten zu durchdringen.
Für die Tschechen war Seznam zu diesem Zeitpunkt schon zum Synonym für das Internet geworden und zu einem geflügelten Wort: „Seznamen“ sagt der Tscheche - statt „googlen“.
„Der frühe Markteintritt ist nur ein Erfolgsfaktor“, sagt Jan Simkanič, Buchautor, Geschäftsführer des tschechischen Branchendiensts InternetInfo und Kenner des dortigen Online-Markts. „60 Prozent aller tschechischen Haushalte nutzen noch heute Seznam.cz als ihre Startseite.“
Hier dominiert Google nicht den Suchmaschinenmarkt
Auf dem chinesischen Markt hat Google nicht fußgefasst. Mit einem Anteil von 0,37 Prozent steht es sogar hinter Bing zurück. Marktführer in China ist Baidu mit 56 Prozent des Markts, gefolgt von Qihoo 360, die 29 Prozent halten.
Auch in Südkorea hat Google einen schlechten Stand. Nicht einmal zwei Prozent der Marktanteile kann Google auf sich vereinigen. Naver dominiert mit 77 Prozent der Anteile den Markt. Navers stärkster Konkurrent ist die lokale Suchmaschine Daum, die 18,8 Prozent inne hat.
In Russland muss Google sich aktuell mit rund 30 Prozent des Markts zufrieden geben. Marktführer ist die russische Suchmaschine Yandex, die 60 Prozent der Marktanteile auf sich vereinnahmt. Dritt stärkste Macht in Russland ist Mail.ru, die sieben Prozent der Marktanteile haben.
Da Google für den tschechischen Markt keine Zahlen veröffentlicht, ist nicht klar, wer Marktführer ist. Fest steht, dass die tschechische Suchmaschine Seznam bis 2010 den tschechischen Markt dominierte. Google hatte damals nur 20 Prozent der Marktanteile inne. Seznam beansprucht die Marktführerschaft bis heute. Branchenkenner schätzen Seznams Anteile zwischen 40 und 60 Prozent – Googles ebenfalls.
Dass das so bleibt, versuchen mittlerweile 1000 Mitarbeiter zu gewährleisten. Seznam ist trotz der Anstrengungen profitabel: Das Unternehmen setzte 2013 über 100 Millionen Euro um – ein Drittel davon war reiner Gewinn. Für Google sind solche Summen zwar Kinkerlitzchen, für europäische Verhältnisse aber ziemlich beeindruckend.
All das erreichte Seznam nicht nur, weil es früher auf dem Markt war. Vor Google gab es viele andere. Sie scheiterten und verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Altavista beispielsweise ging schon 1995 online – und war gegenüber Google trotzdem chancenlos. Auch Fireball ist heute kaum noch jemandem ein Begriff. Auf dem Online-Markt gibt es keinen Artenschutz.
„Altavista versuchte, mit Google auf dem Weltmarkt zu konkurrieren. Das ist schwierig“, sagt Zima. „Wir kämpfen lieber auf dem lokalen Markt und bieten Features, die Google nicht bieten kann.“
Erfolgsfaktor 2: Auf die Bedürfnisse des Markts eingehen
Bis 1989 herrschte in Tschechien die Kommunistische Partei. „Damals waren die Märkte vollkommen abgeschottet“, sagt Simkanič. Die Zeit des Sozialismus hat sich tief in die DNA des tschechischen Internet-Markts eingebrannt. Das zeigt sich am Nutzerverhalten: „Die meisten Tschechen nutzen keine Online-Dienste aus Amerika oder Deutschland.“
Stattdessen vertrauen sie auf die heimischen Angebote. Davon profitieren tschechische Unternehmen, die den Markt und seine Bedürfnisse kennen. „Der Schlüssel ist es, lokal zu wirtschaften und nicht auf den globalen Markt abzuzielen“, so Simkanič.
Ein Prinzip, das Seznam wie kaum ein anderes Unternehmen verkörpert. Ein Beispiel dafür ist Seznams Kartendienst Mapy.cz. Google kaufte teure, hochauflösende Satellitenbilder von Tschechien, um seinen Dienst Google Earth aufzupeppeln und zeigt bei Streetview selbst Straßenansichten von kleinsten Dörfern an – ein finanzieller Aufwand, bei dem Seznam nicht mithalten will.
Trotzdem ist Simkanič sicher: „Den besten Karten-Service in Tschechien bietet Seznam.“ Mapy.cz ist zudem der meistgenutzte Kartendienst Tschechiens – einer Online-Umfrage des tschechischen IT-Magazin Zive zufolge nutzen 58 Prozent der Tschechen den Kartendienst – und das obwohl Google die überzeugendere Optik hat.
Dafür bieten Zima und seine Kollegen etwas, was Google nicht hat: „Wir wissen, dass die Tschechen gerne wandern und Rad fahren“, erklärt Zima. In Tschechien gibt es hunderte Kilometer gekennzeichneter Wanderwege. „Auf diese Vorliebe haben wir unseren Kartendienst zugeschnitten.“
Öffnet der Nutzer Mapy.cz, sieht er rot markiert die Wanderwege. Zoomt er heran, werden Höhenlinien sichtbar, aber auch Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Raststätten und Lokalen. Sind sie in Seznams Branchendienst Firmy.cz verzeichnet, kann der Nutzer gleich sämtliche wichtigen Informationen zu den Lokalen abrufen.
Das wichtigste für die Tschechen ist aber die kartographische Darstellung, die der traditionellen Form nachempfunden ist; sie ziert seit Jahrzehnten die heimischen Straßenkarten. Die Tschechen sind versiert darin, topografische Karten zu lesen und haben deswegen auch besondere Ansprüche an eine Karte: Sie erwarten höchste Präzision und Liebe zum Detail. In anderen Ländern ist das nicht so gefragt, weswegen der Aufwand für Google, hier nachzuziehen, zu groß wäre.
Um all das anbieten zu können, hat Seznam einen Wanderkarten-Verlag gekauft und dessen Daten in Mapy.cz eingespeist. Da das mobile Internet in den bergigen Regionen schwach ist, würde dieser Service nichts nützen, wenn er nur online verfügbar wäre. „Deswegen haben wir die gesamten Daten auf eine Smartphone-App gespielt, sodass man sie überall abrufen kann – auch offline“, erklärt Zima. Mit Google Maps dagegen kann man nur lokale Ausschnitte abspeichern und offline nutzen.
Die Mapy-App ist kostenlos. „Mapy ist wie unser E-Mail-Service ein Beispiel für Dienste, die uns eine Menge Geld kosten, aber finanziell nichts einbringen“, sagt Zima. Dafür stärkten sie die Marke und lenkten Aufmerksamkeit auf die Services mit denen Seznam Geld verdient.
Erfolgsfaktor 3: Innovationen und eigener Content
Die größten Einnahmen generiert Seznam mit Werbung auf der Suchmaschine und anderen Angeboten Seznams – etwa auf Sreality.cz, einem Online-Marktplatz für Immobilien oder auf Firmy.cz, dem größten tschechischen Firmenverzeichnis.
Daneben generieren die Yellow-Page- und E-Commerce-Angebote Millionengewinne. Diese wiederum nutzt Seznam, um sich auszuprobieren, aussichtsreiche Dienste aufzukaufen und innovativ zu bleiben.
Selbst kleinere und deutlich flexiblere Unternehmen seien nicht so innovativ wie Seznam, sagt Simkanič. „Ein Großteil der Belegschaft besteht aus IT-Experten.“ Das sei der Grund für die Innovationskraft. „Sie konzentrieren sich auf das Produkt und den Verkauf – nicht auf das Marketing.“
Ausgewählte Randaktivitäten von Google
Geschäftsfeld: Biotech-/Gesundheits-Start-up
Geschäftsfeld: Satelliten-Betreiber
Geschäftsfeld: Windenergiepark
Windenergiepark
Geschäftsfeld: Windturbinenhersteller
Geschäftsfeld: Drohnenhersteller
Geschäftsfeld: Solarpanelhersteller
Dank der profitablen Sparten hat Seznam viel Spielraum, um Ideen über längere Zeit zu testen und ist nicht darauf angewiesen, dass Neuerungen gleich profitabel sind. Deutlich wird das an Seznams Streaming-Plattform Stream.cz.
Als Seznam 2007 eine Mehrheitsbeteiligung an der Firma Global Inspiration kaufte, die das Videoportal betrieb, war die Plattform noch ein tschechisches Youtube – hauptsächlich ging es darum, dass Nutzer ihre Videos hochluden.
Diversifizierung als Überlebenschance
„Es war weder für das tschechische Fernsehen noch für Youtube ein ernsthafter Konkurrent“, sagt Zima. Anstatt eine Werbeoffensive zu starten, richtete Zima Stream.cz neu aus. Seznam trennte sich vom Nutzer-Content und setzte auf selbstproduzierte Serien und Shows. Ein Feld, das weiter ausgebaut werden soll. „Aktuell investieren wir viel Geld in den Video-Bereich“, sagt Zima.
In puncto Nachrichten glaubt Seznam ebenfalls an den eigenen Content. Anstatt wie Google News die Inhalte anderer Nachrichtenseiten zu bündeln, hat Seznam einen Prager Verlag gekauft und bietet mit Novinky.cz eine der meisten besuchten Nachrichtenseite Tschechiens – ein attraktives Werbeumfeld für Unternehmer.
Die Geschichte von Google
Die Google-Gründer Larry Page und Sergej Brin hatten ihre Suchmaschine ursprünglich BackRub genannt. Google als Google gibt es erst seit dem 27. September 1998. Der Name leitet sich von 10100 ab, einer Zahl mit dem Namen "googol". Die Gründer sollen versucht haben, mit der Namensgebung an die riesige Menge der im Internet verfügbaren Daten zu erinnern.
Zwei Jahre später, im Jahr 2000, gingen bereits zehn Sprachversionen von Google online: Dänisch, Deutsch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch. Der erste Index mit einer Milliarde URLs macht Google zur weltweit größten Suchmaschine.
Die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin lernen sich 1995 in Stanford kennen.
Eric Schmidt wird Google-Geschäftsführer. Zwischen 1983 und 1997 arbeitete Schmidt bei Sun Microsystems, wo er unter anderem als Technik-Chef beschäftigt war. Vor seinem Wechsel zu Google arbeitete Schmidt bei Novell.
Im September 2002 startete Google News. 4.000 Nachrichtenquellen wurden damals ausgelesen. Heute ist Google News einer der Hauptakteure in einer Debatte über das Leistungsschutzrecht.
Zu einem Preis von 85 US-Dollar pro Aktie wagte sich Google im Jahr 2004 an die Börse.
Das Verb "googeln" nahm der Duden in Ausgabe 23 auf, die 2004 erschien.
Der Suchmaschinenriese startet "Google Earth". Satellitenbasierte und grenzenlose, weltumspannende Karten mit 3D-Ansichten, kombiniert mit einer Suchfunktion, war für die große Masse der Internetnutzer etwas Neues
Im Oktober 2006 gibt Google die Übernahme der Videoplattform Youtube bekannt. Der Konzern zahlte dafür 1,31 Mrd. Dollar (in Aktien).
Google Street View geht Online. Erstmals werden die Karten in der Funktion "Google Maps" mit Original-Bildern von Plätzen und Straßenzügen angereichert.
Im Januar 2010 erscheint das erste Handy von Google, das Nexus One.
Generationenwechsel: Larry Page wird Google-CEO und löst Eric Schmidt ab. Im Dezember des Jahres 2011 verzeichnete der Android Market mehr als zehn Milliarden App-Downloads, bei einer Wachstumsrate von einer Milliarde App-Downloads pro Monat.
Die Erfolgsgeschichte eines Browser: Der Google-Browser Chrome anteilsmäßig den Internet Explorer von Microsoft.
Google gibt bekannt, eine Augmented-Reality-Brille, Google Glasses, auf den Markt bringen zu wollen. Seitdem ist Geschäftsführer Sergey Brin immer wieder mit der Cyberbrille in der Öffentlichkeit zu sehen.
Nur gut eine Woche, nachdem Microsoft auf einer Pressekonferenz in Los Angeles seinen ersten eigenen Tablet-Computer mit dem Namen Surface vorgestellt hat, zieht Google nach: Auf der Input/Output im Juni, Googles jährlicher Entwickler-Konferenz, stellt Firmen-Mitbegründer Sergej Brin mit dem Nexus 7 einen eigenen Tablet-PC vor.
Google hat Ärger mit der EU-Kommission. Diese wirft dem Unternehmen vor, in den Suchergebnissen seine dominante Marktposition zu missbrauchen und droht mit einem Kartellverfahren.
Im Bieterkampf um ein israelisches Navigations-Startup sticht Google die Konkurrenten aus. Der US-Internetgigant stehe kurz vor der Übernahme der auf mobile Kartendienste spezialisierten Firma Waze, berichtet die israelische Finanzzeitung Globes am Sonntag ohne Quellenangabe. Google habe die Gebote der anderen Interessenten vermutlich übertrumpft. Der Kaufpreis soll demnach 1,3 Milliarden Dollar betragen. Bei Waze war zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Waze sprach früheren Medienberichten zufolge mit mehreren Bietern. Dazu zählt auch das soziale Netzwerk Facebook.
Zusatzdienste, die auf Smartphones oder Tablet-PCs genutzt werden können, werden für Technologiekonzerne wie Google immer wichtiger. Denn mit ihnen steigt auch die Nutzung von mobilen Geräten und damit die potenziellen Werbeeinnahmen, die über sie generiert werden können. Waze verwendet die Satelliten-Signale der Smartphones, um den Nutzern Karten- und Verkehrsdaten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Das erst vor vier Jahren gegründete Unternehmen hat 47 Millionen Mitglieder und 100 Mitarbeiter.
Google liefert die ersten Google-Brillen für 1.500 Euro pro Gadget an ausgewählte Entwickler aus. Firmengründer Sergey Brin verlässt das Haus kaum noch ohne die Datenbrille, die es dem Träger ermöglicht Artikel zu lesen, Telefonate zu führen oder sich Wegbeschreibungen anzeigen zu lassen.
Auch Mapy.cz könnte bald monetisiert werden. „Bis jetzt war Mapy.cz vor allem eine Herzensangelegenheit von Lukačovič, dem Gründer Seznams“, erzählt Simkanič. Lukačovič sei Hobbypilot und deswegen an guten Karten interessiert.
„Jetzt kommt der Punkt, wo Mapy.cz auch aus finanzieller Sicht interessant werden könnte.“ Denn Seznam investiere in ein Unternehmen, das auf die Visualisierung von Karten spezialisiert ist. „Diesen Service wollen sie anderen Unternehmen und Ländern anbieten.“
In der Diversifizierung Seznams sieht Simkanič eine Chance, weiter im Kampf gegen Google zu überleben: „Stand jetzt ist die Suchmaschine der wichtigste Service Seznams. Ohne sie hätte Seznam nicht ein so großes Unternehmen.“
Wie lange Seznam sich noch gegen den Druck von Google durchsetzt, ist offen. „Seznam wächst nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit.“ In einigen Jahren könnte es durchaus sein, dass Google Seznam vom Suchmaschinen-Markt gedrängt hat. „Allerdings hat man vor fünf Jahren dasselbe gedacht und Seznam hält seine Position immer noch.“
Seznams Zukunft
Zima dagegen gibt sich kämpferisch: „Wir denken nicht daran, irgendwelche unserer Dienste einzustellen.“ Und von der Konkurrenz will er auch nichts wissen. „Wir sind fokussiert auf unser Unternehmen.“
Trotzdem: „Langfristig wird Seznam es schwierig haben“, sagt Christoph Salzig, der frühere Pressesprecher des Bundesverbands Digitale Wirtschaft und heutiger Inhaber von Primus Inter Pares, einem Netzwerk von Kommunikationsspezialisten. Abzulesen sei das an den Marktanteilen und der Nutzungsintensität. „Die Zahlen sind nicht mehr auf dem Niveau von vor fünf Jahren.“
Hier dominiert Google den Suchmaschinenmarkt
In Europa hat Google sage und schreibe 92,8 Prozent des Suchmaschinenmarkts inne.„Aussichtsreichster“ Konkurrent ist mit 2,5 Prozent die Microsoft-Suchmaschine Bing, gefolgt von Yahoo mit 2,1 Prozent.
In Deutschland hält Google einen Marktanteil von 94 Prozent. Bing ist auch hier der größte Konkurrent – und liegt weit abgeschlagen mit zwei Prozent Marktanteilen auf Platz zwei. T-Online, eine der am meisten besuchten deutschen Webseiten, hat gerade einmal 1,1 Prozent des Suchmaschinenmarkts inne.
Google vereint in Italien 95 Prozent der Marktanteile auf sich. Yahoo und Bing verfügen insgesamt über vier Prozent des Markts. Ask, die viertgrößte Suchmaschine der USA nach Google, Yahoo und Bing kommt in Italien auf 0,3 Prozent der Marktanteile.
Googles Marktmacht ist für Google Verhältnisse relativ gering. Lediglich 90 Prozent des Markts hat der US-Konzern inne. Bing und Yahoo beanspruchen gemeinsam acht Prozent des Markts für sich – für europäische Verhältnisse ein vergleichsweise hoher Wert.
Polen hat seine eigene Suchmaschine – Onet. Die hält allerdings nur 0,4 Prozent der Marktanteile – Google dagegen kommt auf einen Wert von 97 Prozent. Yahoo und Bing vereinen 1,8 Prozent auf sich.
Anfang 2010 noch betrug Googles Marktanteil gerade einmal 20 Prozent – Seznam dagegen verfügte über gut 68 Prozent. Im selben Jahr trieb Google seine Marketing-Aktivitäten auf dem tschechischen Markt auf den Höhepunkt.
Der US-Konzern schaltete in Tschechien TV-Werbung für seine Suchmaschine – etwas, dass Google sonst nicht nötig hat, denn in den meisten europäischen Ländern hat Google um die 90 Prozent des Markts inne. Es war das zweite Mal in Googles Geschichte, dass der Konzern für seine Suchmaschine warb.
Erstmals griff Google 2009 in Japan zu dieser Maßnahme, um Yahoo die Marktführerschaft dort strittig zu machen. Immerhin ist der japanische Online-Werbemarkt mit einem Volumen von neun Milliarden US-Dollar einer der größten weltweit; das Volumen des tschechischen beträgt gerade einmal eine halbe Milliarde US-Dollar.
„Danach haben sich die Kraftverhältnisse gewendet. Seznams Dominanz ist gebrochen“, sagt Simkanič. „Niemand weiß, ob sie aktuell 50 Prozent oder nur 40 Prozent des Suchmaschinen-Markts beherrschen – es gibt ja keine Zahlen von Google.“
Selbst wenn Seznam nur noch 40 Prozent der Marktanteile beherrschen sollte, ist das eine beeindruckende Leistung. In Deutschland hat Google 95 Prozent des Markts inne – gefolgt von Bing und Yahoo, die jeweils zwei Prozent halten.
Vorbild für europäische Start-Ups?
Können europäische Start-Ups sich also etwas von Seznam abgucken, um gegen Riesen zu bestehen? „Wer die Geschichte Seznams betrachtet, könnte auf die Idee verfallen, dass auch kleinere Unternehmen langfristig eine Chance gegen Riesen wie Google haben“, sagt Salzig. Er selbst glaubt nicht daran.
Seznams großer Vorteil sei die Sprache gewesen. „Wann immer eine Sprache sich von dem unterscheidet, was wir aus dem anglophilen oder europäischen Raum kennen, wird es für Google aufwendiger, den Such-Algorithmus darauf auszurichten.“ So etwas lohne sich nur, wenn eine kritische Masse erreicht werde – der Markt müsse groß genug sein. „Aus diesem Grund hat sich Google mit den Investitionen in Tschechien so lange zurückgehalten.“
Zudem sei es entscheidend gewesen, dass Seznam so früh auf einem noch jungen Markt war und die Tschechen damals dem Englischen nicht allzu nahestanden. Der deutsche Markt sei heute weiter entwickelt als der tschechische. „Je erwachsener ein Online-Markt ist, desto stärker nähert er sich dem anglophilen Sprachraum“, sagt Salzig.
Dass so etwas wie Seznam in Deutschland möglich ist, hält Salzig deswegen für unwahrscheinlich. „Die europäischen Bestrebungen, eine Suchmaschine an den Start zu bringen, sind eklatant gescheitert“, sagt er. Google wirke auf dem Suchmaschinenmarkt völlig konkurrenzlos.
„Die Geschichte zeigt, dass Google mit dem enormen Investitionsvolumina fast jederzeit bereit ist, eine Alternative anzubieten“, sagt Salzig. „Die Tatsache, dass Google Android in so kurzer Zeit wettbewerbsfähig gemacht hat, ist der stärkste Beleg für die Innovationskraft Googles.“
Trotzdem: Simkanič ist sich sicher, dass Seznam andere Wege finden wird, seine Stellung zu verteidigen. „Für alle Tschechen ist es verwunderlich, dass Seznam sich so lange gegen Google durchgesetzt hat.“ Es bleibt abzuwarten, was Zima und seine Kollegen sich einfallen lassen, um Google weiter erfolgreich entgegenzutreten.