Seznam.cz Das tschechische Google

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Erfolgsfaktor 2: Auf die Bedürfnisse des Markts eingehen

Bis 1989 herrschte in Tschechien die Kommunistische Partei. „Damals waren die Märkte vollkommen abgeschottet“, sagt Simkanič. Die Zeit des Sozialismus hat sich tief in die DNA des tschechischen Internet-Markts eingebrannt. Das zeigt sich am Nutzerverhalten: „Die meisten Tschechen nutzen keine Online-Dienste aus Amerika oder Deutschland.“

Stattdessen vertrauen sie auf die heimischen Angebote. Davon profitieren tschechische Unternehmen, die den Markt und seine Bedürfnisse kennen. „Der Schlüssel ist es, lokal zu wirtschaften und nicht auf den globalen Markt abzuzielen“, so Simkanič.

Ein Prinzip, das Seznam wie kaum ein anderes Unternehmen verkörpert. Ein Beispiel dafür ist Seznams Kartendienst Mapy.cz. Google kaufte teure, hochauflösende Satellitenbilder von Tschechien, um seinen Dienst Google Earth aufzupeppeln und zeigt bei Streetview selbst Straßenansichten von kleinsten Dörfern an – ein finanzieller Aufwand, bei dem Seznam nicht mithalten will.

Gute Alternativen zu Google
Wenn es in Deutschland um Web-Suche geht, steht der US-Konzern Google weit an der Spitze. Nicht umsonst sprechen viele auch von „googeln“, wenn sie etwas im Netz recherchieren. Auch zahlreiche andere Dienste des Unternehmens wie E-Mail, Textverarbeitung, Übersetzung oder Kartendienste sind weit verbreitet. Laut einer Statista-Umfrage wurde Google im September dieses Jahres für 94,8 Prozent aller Suchanfragen in Deutschland genutzt - ein Quasi-Monopol, welches das EU-Parlament gerne auflösen würde. Dabei existieren zahlreiche Alternativen für die Suche und auch die meisten anderen Google-Dienste. Hier eine Auswahl. Quelle: AP
SucheEs muss nicht immer Google sein, auch Microsofts Bing oder die Suchmaschine Yahoo liefern gute Suchergebnisse. Darüber hinaus gibt es zahlreiche kleinere Anbieter wie Blekko, Startpage, DuckDuckGo oder Qwant. Sie haben alle ihre eigenen Stärken – etwa Auflistung der Suchergebnisse nach Genre, anonyme Suche oder eine besonders gute Videosuche. Am Anfang kann der Umstieg aber gewöhnungsbedürftig sein. Quelle: dpa
BrowserWer Google aus dem Weg gehen will, sollte auch dessen Browser Chrome meiden. Der ist zwar flott und bietet durch Add-ons Möglichkeiten zum Datenschutz. Wer allerdings die Adresszeile nutzt, nutzt auch automatisch die Google-Suche. Als Alternative bietet sich Mozillas Firefox an. Dort muss aber im Suchfenster zunächst Google durch eine neue Standardsuchmaschine ersetzt werden. Auch der norwegische Browser Opera leistet gute Dienste. Quelle: dpa
KartenAls Alternative zum Platzhirsch Google Maps gibt es beispielsweise den offenen Kartendienst Openstreetmap. Auch Microsofts Suchmaschine Bing hat mit Bing Maps ein brauchbares Angebot, Nokia baut seinen Kartendienst Here immer weiter auf. Auch Apples in iOS und Mac OS-X integrierte Kartensoftware hat ihre Kinderkrankheiten mittlerweile überwunden. Quelle: AP
E-MailGerade beim E-Mail-Versand gibt es unzählige Alternativen zu Gmail. Vom Gratisanbieter bis hin zum bezahlten Konto bleibt kaum ein Anspruch unerfüllt. Große Anbieter wie Outlook.com bieten auch einen ähnlichen Funktionsumfang mit Kalender. Wer sichergehen will, dass die eigenen Mails nicht zu Werbezwecken analysiert werden, sollte sich für kleine Anbieter entscheiden, die Mails nicht nur verschlüsselt senden, sondern auch verschlüsselt speichern. Nur einige von vielen Beispielen dafür sind Posteo, Aikq, ProtonMail oder Startmail. Quelle: dpa
VideoYoutube ist riesig, doch auch andere Anbieter haben gute Datenbanken und eine aktive Teilnehmergemeinde. So zum Beispiel vimeo.com: Hier gibt es neben Amateurvideos auch zahlreiche Uploads von Künstlern und Musikern.Dailymotion aus Frankreich erinnert optisch stark an Youtube und bietet gut sortierte Themenkanäle. Kleines Plus: Hier werden viele Clips gezeigt, die bei Youtube aussortiert wurden. Wer sich besonders für Musik interessiert, sollte tape.tv ausprobieren. Quelle: REUTERS
DokumentensucheStatt Google Scholar für die Suche nach Forschungstexten zu nutzen, können Studenten auch Suchdienste wie BASE (Bielefeld Academic Search Engine) nutzen. Quelle: Screenshot

Trotzdem ist Simkanič sicher: „Den besten Karten-Service in Tschechien bietet Seznam.“ Mapy.cz ist zudem der meistgenutzte Kartendienst Tschechiens – einer Online-Umfrage des tschechischen IT-Magazin Zive zufolge nutzen 58 Prozent der Tschechen den Kartendienst – und das obwohl Google die überzeugendere Optik hat.

Dafür bieten Zima und seine Kollegen etwas, was Google nicht hat: „Wir wissen, dass die Tschechen gerne wandern und Rad fahren“, erklärt Zima. In Tschechien gibt es hunderte Kilometer gekennzeichneter Wanderwege. „Auf diese Vorliebe haben wir unseren Kartendienst zugeschnitten.“

Öffnet der Nutzer Mapy.cz, sieht er rot markiert die Wanderwege. Zoomt er heran, werden Höhenlinien sichtbar, aber auch Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Raststätten und Lokalen. Sind sie in Seznams Branchendienst Firmy.cz verzeichnet, kann der Nutzer gleich sämtliche wichtigen Informationen zu den Lokalen abrufen.

So sieht unser Weltbild bei Google aus
Offenbar sind ein Großteil der Googlenutzer Fahrschüler. Oder interessierte Autofahrer. Außerdem stellen wir uns essentielle Fragen wie "warum ist der Himmel blau?" Quelle: Screenshot
Auch andere Farben scheinen uns sehr zu interessieren. Und natürlich Feier- und fruchtbare Tage, das TV-Programm, Auto fahren. Quelle: Screenshot
Unsere Ziele im Leben scheinen dagegen nicht so hoch gesteckt. Oder wir sind ein Heer von Pessimisten. Faulen Pessimisten. Quelle: Screenshot
Auch unseren Nachbarn trauen wir offenbar nicht so recht über den Weg. Bis auf die schwule Ausnahme aus Nordrhein-Westfalen. Die halten wir zumindest für glücklich. Quelle: Screenshot
Dafür halten wir die Kanzlerin für den Babo (Jugendsprache: Chef ). Unser Vizekanzler kommt dagegen nicht so gut weg.
Und auch unsere Meinung von Internet und Medien ist laut Google nicht die Allerbeste. Quelle: Screenshot
Immerhin mögen wir Tiere. Gebraten. Quelle: Screenshot

Das wichtigste für die Tschechen ist aber die kartographische Darstellung, die der traditionellen Form nachempfunden ist; sie ziert seit Jahrzehnten die heimischen Straßenkarten. Die Tschechen sind versiert darin, topografische Karten zu lesen und haben deswegen auch besondere Ansprüche an eine Karte: Sie erwarten höchste Präzision und Liebe zum Detail. In anderen Ländern ist das nicht so gefragt, weswegen der Aufwand für Google, hier nachzuziehen, zu groß wäre.

Um all das anbieten zu können, hat Seznam einen Wanderkarten-Verlag gekauft und dessen Daten in Mapy.cz eingespeist. Da das mobile Internet in den bergigen Regionen schwach ist, würde dieser Service nichts nützen, wenn er nur online verfügbar wäre. „Deswegen haben wir die gesamten Daten auf eine Smartphone-App gespielt, sodass man sie überall abrufen kann – auch offline“, erklärt Zima. Mit Google Maps dagegen kann man nur lokale Ausschnitte abspeichern und offline nutzen.

Die Mapy-App ist kostenlos. „Mapy ist wie unser E-Mail-Service ein Beispiel für Dienste, die uns eine Menge Geld kosten, aber finanziell nichts einbringen“, sagt Zima. Dafür stärkten sie die Marke und lenkten Aufmerksamkeit auf die Services mit denen Seznam Geld verdient.

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