Smart Farming Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft revolutioniert

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Bündnis der Giganten

Doch der Fortschritt hat einen Preis: Auch Vorreiter wie Palme und Schulze Rötering sind sich darin einig, dass der Einsatz von Hightechmaschinen größere Betriebe erzwingt. Nur wenn die Maschinen viele Hundert Hektar bearbeiten, rechnet sich die teure Technik. Die ohnehin stark unter Druck stehenden Kleinbetriebe werden es künftig noch schwerer haben. Sie können es sich kaum leisten, einen der Hochleistungstraktoren von Claas, John Deere und Co., die heute schon um die 400.000 Euro kosten, für weitere 40.000 Euro mit Autopiloten, Datenerfassung und Sensoren aufzurüsten. Oder 100.000 Euro für einen Melkroboter auszugeben. So treibt die Digitalisierung den Strukturwandel gnadenlos voran.

Zugleich hat der Kampf um die Herrschaft über die Daten vom Acker begonnen. Selbst Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) warnt schon vor neuen Monopolen und einer „Vergoogelung“ der Landwirtschaft. Eine ganze Reihe von Anbietern versucht derzeit, zentrale Plattformen zu etablieren, auf denen sie die Daten der digitalen Landwirtschaft zusammenführen wollen. Die US-Start-ups Farmlogs und Granular haben jeweils zweistellige Millionensummen von Investoren eingesammelt – unter anderem von Google Ventures.

Vorreiter in Deutschland ist der Treckerhersteller Claas mit seinem Berliner Start-up 365Farmnet. Bereits mehrere Tausend Betriebe sind Kunde der Onlineplattform. Das Potenzial ist noch riesig: „Etwa 85 Prozent der Landwirte nutzen keine Farm-Management-Software“, sagt Farmnet-Chef Maximilian-Bernhard von Löbbecke. Auch weil viele Bauern eine Abhängigkeit von den großen Konzernen fürchten, die ihnen Saatgut, Dünger, Maschinen, Daten, schlicht alles aus einer Hand liefern wollen. Vor allem die Aktivitäten von John Deere, weltgrößter Landmaschinenhersteller, und Monsanto, umstrittener Agrochemiegigant, beobachten sie argwöhnisch. Ende 2015 vereinbarten beide Riesen, ihre Datenschätze „nahezu in Echtzeit“ miteinander zu verknüpfen.

„Die Landwirte wollen sich nicht von einem Hersteller abhängig machen“, erklärt Benedikt Voigt, nicht ganz uneigennützig. Denn der Mitgründer des Start-ups Trecker.com hat gerade ein eigenes Farm-Management-System gestartet und präsentiert sich als konzernunabhängige Alternative. Die Strategie verfolgt auch Hans-Peter Grothaus. Nachdem er zwölf Jahre für Claas gearbeitet hat, startete er Ende 2015 Farmtune und wirbt: „Wir sind neutral wie die Schweiz.“

Der Kampf um das digitale Zukunftsgeschäft ist in vollem Gange. Und nimmt teilweise skurrile Züge an, wie im November ein Toilettenpapier-Verbot auf der Landwirtschaftsmesse Agritechnica in Hannover zeigte. „Am Stand bekamen wir eine Abmahnung in die Hand gedrückt“, erinnert sich Trecker.com-Geschäftsführer Voigt. Das Schreiben kam von 365Farmnet. Es untersagte dem Wettbewerber sein Produkt als „einfachste Software der Landwirtschaft“ zu bewerben. Den Spruch hatte das Start-up auch auf Toilettenpapier für die Messe gedruckt. Und musste es wieder einstampfen.

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