Smart Farming Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft revolutioniert

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Ersparnis von Zehntausenden Euro

Einer, der inzwischen auf die Vorzüge der digitalen Landwirtschaft schwört, ist Martin Schulze Rötering. Eigentlich sei er kein großer Technikfan, sagt der stämmige 52-Jährige mit der Halbglatze, der im Münsterland vor den Toren Ahlens auf 1000 Hektar Weizen, Raps und Mais anbaut. „Meine Leidenschaft gehört den Pflanzen.“ Daher stapft er auch jetzt trotz Kälte und Regen täglich hinaus auf die lehmigen Felder, um zu sehen, wie sich die Wintergerste entwickelt.

So gut er seine Feldfrüchte kennt, so wenig wusste er lange über die Böden, in denen sie heranreifen. Erst seit seine Mähdrescher im Zwei-Sekunden-Takt erfassen, welche Mengen Korn sie auf jedem Quadratmeter ernten, ist die Beschaffenheit des Ackers kein Geheimnis mehr: Eine bunt gefleckte Ertragskarte aus Grün- und Gelbtönen auf seinem Tablet zeigt genau, was die Krume jeweils hergibt. „Das schwankt enorm“, staunt Schulze Rötering noch heute. „Teils von einem Meter auf den anderen.“

Das Wissen verändert die Arbeit drastisch: Der Bauer verteilt Saatgut und Dünger nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip, sondern dosiert nach Nährstoffgehalt und Ergiebigkeit jedes Flecken. Auch das übernehmen die rechnergesteuerten Landmaschinen – per Auge wäre es unmöglich.

Diese Präzisionslandwirtschaft hat so gleich zwei Vorteile: Einerseits sinkt die Belastung von Böden, Grundwasser und Luft wegen Überdüngung, andererseits müssen die Bauern weniger Saatgut und Dünger einkaufen. Schulze Rötering spart immerhin rund zwölf Prozent Stickstoff, Kalk, Phosphor und Magnesium ein – umgerechnet einige Zehntausend Euro jährlich.

Ebenso kann die Digitalisierung den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln begrenzen. Satellitenbilder vom Zustand des Getreides warnen die Bauern in Kombination mit Wetterdaten auf seinem PC oder per Smartphone früh vor möglichem Schädlingsbefall. So spritzt Schulze Rötering etwa gegen den Mehltau, bevor dieser das Getreide massiv überziehen kann – mit fünf Prozent der Menge, die er vorher brauchte. Und tut das weit vor der Ernte, sodass sich mögliche Reste der Pestizide wieder abgebaut haben.

Wegen solcher Vorzüge rät auch der Brandenburger Biolandwirt Stefan Palme seinen Gesinnungskollegen, sich nicht dem technischen Fortschritt zu verschließen. Da die Ökobauern auf Kunstdünger ganz und Pflanzenschutzmittel größtenteils verzichten, geht es ihm vor allem um höhere Erträge. In dieser Hinsicht schneiden die Biobetriebe schlecht ab. Laut einer Studie der Berliner Humboldt-Universität erzeugen deutsche Ökobauern auf der gleichen Fläche nicht einmal halb so viel Weizen wie die konventionell arbeitenden Kollegen. „Da müssen wir besser werden“, fordert Palme. Er selbst hat seine Ernte dank Ertragskartierung und computergesteuerter Erntemaschinen um fast zehn Prozent gesteigert. Roboter könnten den Ökolandbau ebenfalls optimieren. „Biobauern könnten vor allem von kleinen Pflanz- und Ernterobotern profitieren, die teure Handarbeit ersetzen“, glaubt Johannes Simons, Agrarwissenschaftler an der Universität Bonn. Gibt der Bauer die niedrigeren Produktionskosten an die Kunden weiter, könnten sogar die immer noch hohen Verbraucherpreise für Ökomöhren oder Biomilch sinken.

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