Smartphone "In 10 Jahren werden wir keine Apps mehr nutzen"

Der Markt für Apps wandelt sich dramatisch: Viele Smartphone-Besitzer nutzen nur noch wenige Programme, das Marketing verschlingt Unsummen. Erste Manager reden vom Ende der digitalen Helfer. Was kommt als nächstes?

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Smartphone-Apps: Herrscher auf dem Handy. Quelle: Daniel Stolle für WirtschaftsWoche

Die Spiele heißen Jelly Splash, Diamand Dash und Pearl’s Peril, und sie haben Jens Begemann zu einem der erfolgreichsten App-Unternehmer der Welt gemacht. Millionen Menschen vertreiben sich mit den Sortier- und Puzzlespielen seines Berliner Start-ups Wooga die Zeit. „Wir hatten in den vergangenen sechs Jahren fünf Spiele, die jeweils mindestens zweistellige Millionenbeträge an Umsatz eingespielt haben“, sagt der 39-Jährige. Dieser Serienerfolg ist nahezu einmalig im App-Business – hat aber seinen Preis: Das heiß umkämpfte Geschäft mit den Handyspielen, die laut US-Beratung App Annie 85 Prozent des weltweiten Umsatzes mit Apps ausmachen, ist teuer geworden.

Besonders das Marketing verschlingt mittlerweile hohe Summen. Die Ausgaben, um einen Nutzer zu gewinnen, sind Begemann zufolge in den vergangenen zwei Jahren im Schnitt um 50 Prozent gestiegen, auf bis zu zehn Euro pro Download. Der Wooga-Mann hat den Vorteil eines großen Kundenstamms, kann in älteren Spielen für neue werben. Wer seine Kunden erst noch gewinnen muss, ist klar im Nachteil: „Heute ist es sehr schwer für neue Firmen, in den Markt zu kommen“, sagt er.

Es ist erst acht Jahre her, dass Apple seinen App Store startete, mit 552 Anwendungen, über 400 davon kostenpflichtig. Doch schon steht das Geschäft mit den kleinen Mobilprogrammen vor einem gewaltigen Umbruch: Übersättigte und schnell gelangweilte Kunden, rasch kopierte und verramschte Produkte sowie knallharter Wettbewerb mit übermächtigen Branchengrößen – all das macht den klassischen, kleinen Entwicklern das Leben schwer. Immerhin soll es weltweit 450.000 von ihnen geben. Doch 75 Prozent des Branchenumsatzes fahren laut Experten nur etwa 100 Unternehmen ein. Und alle müssen auch noch für das Duopol Apple und Google bis zu 30 Prozent Provision abzwacken. Beide Konzerne kontrollieren mit ihren jeweiligen Betriebssystemen iOS und Android den Markt.

Apps: Strategien für mehr Umsatz

Die Welt der mobilen Anwendungen ist ein Milliardengeschäft. Die auf Apps basierenden Weltunternehmen wie der Fahrdienst Uber, der Kurznachrichtendienst WhatsApp, für den Facebook fast 20 Milliarden Dollar bezahlte, oder der Flirtdienst Tinder, angeblich drei Milliarden Dollar wert, zeugen davon. Und diese Großen der Branche werden nun immer größer: Gerade hat der chinesische Internetgigant Tencent für 8,6 Milliarden Dollar die Mehrheit an der finnischen Supercell übernommen, Anbieter des Kultspiels Clash of Clans. Bereits im November hatte der Spielekonzern Activision für 5,9 Milliarden Dollar King Digital gekauft, den schwedisch-britischen Schöpfer des Bestsellers Candy Crush Saga. Die etablierten Anbieter kaufen zu, um ihre Marketinggelder effektiver einsetzen zu können und um in einem nutzermäßig gesehen stagnierenden Markt noch zu wachsen: Tatsächlich sind Symptome einer Sättigung zu beobachten. So sanken erstmals die Downloads der beliebtesten Apps wie WhatsApp oder dem Facebook Messenger.

Umsätze durch Apps bis 2020. Für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.

Auf und App

Für manche, wie Microsoft-Chef Satya Nadella, ist bereits „das App-Modell am Ende“. Er will das lästige Suchen nach passenden Apps, das ständige Updaten, das umständliche Hin- und Herwechseln zwischen den Anwendungen durch intelligente Softwareagenten, die Chatbots, ersetzen.

Die App-Ökonomie gleich ganz zu beerdigen ist aber verfrüht. Denn aus den bereits installierten Anwendungen lässt sich noch einiges herausholen: durch kostenpflichtige Zusatzdienste etwa und geschickte Werbung. Laut App Annie sollen 2016 weltweit insgesamt 51 Milliarden Dollar mit Apps umgesetzt werden, knapp ein Viertel mehr als im Vorjahr. Und bis 2020 soll sogar eine Verdoppelung drin sein.

Der Goldrausch der Anfangsjahre aber ist vorbei – als unabhängige Entwickler wie Joel Comm aus dem Stand mit der simplen Furz-App iFart für 99 Cent bis zu 10.000 Dollar am Tag umsetzten. Heute muss das Gros der Entwickler darum kämpfen, im Meer der Anwendungen überhaupt wahrgenommen zu werden.

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