Smartphones Das Dell-Smartphone ist schlechter Durchschnitt

Der Computerkonzern Dell hat in viele Probleme. Nun steigt das Unternehmen auch noch in den Mobilfunkmarkt ein. Doch die Premiere enttäuscht. Und auch in einem anderen Wachstummarkt bietet Dell nur einen eigentümlichen Zwitter.

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Dell Aero

Ein Trendsetter ist Michael Dell schon lange nicht mehr. Beim Herstellen und Vermarkten von Personalcomputern war es der US-Unternehmer früher einmal. Bei Produkten hingegen ist Dell noch nie Vorreiter gewesen. Ganz bewusst. Er habe noch nie ein völlig neues Produkt in den Markt eingeführt und sei stolz darauf, entgegnete der Selfmade-Milliardär vor ein paar Jahren einem Berater, der ihn vom Gegenteil überzeugen wollte.

Tatsächlich steigt der Texaner erst dann in Märkte ein und springt auf Trends auf, wenn Wettbewerber diese bereits mit in der Regel hohen Anlaufkosten etabliert und somit das erste Risiko herausgenommen haben. Dann läuft Dell zur Höchstform auf, drückt mit Kampfpreisen und allerlei günstigen oder kostenfreien Upgrades seine Produkte in den Markt. Zumindest war das so bis Mitte 2005.

Kalte Schulter gezeigt

Seitdem funktioniert die Strategie nicht mehr so richtig. Denn die Konkurrenz lässt sich nicht mehr so leicht wie früher das Wasser abgraben. Bei Notebooks erkannte Dell zu spät die Vorlieben seiner Klientel, verlor Boden gegen HP und Acer und ist momentan in dem Marktsegment nur noch die Nummer 3. Bei tragbaren Musikabspielgeräten war der Vorsprung von Apple schier nicht mehr einzuholen. Auch in seinem eigentlichen Kerngeschäft – dem Geschäft mit Unternehmen – war Dell schon mal erfolgreicher. Zu spät folgte man den Vorbild von IBM und HP, Hardware mit weitreichenden Dienstleistungsverträgen zu koppeln und die Profite stärker im Servicegeschäft zu erwirtschaften.

Obwohl Dell bereits vor drei Jahren mit Ron Garriques einen erfahrenen Mobitelefon-Strategen vom Telekomausrüster Motorola abwarb, hat sich der Konzern mit einem eigenen Smartphone in seinem wichtigsten Heimatmarkt USA zurückgehalten.

Bis Anfang dieser Woche. Nachdem Apple, Research in Motion (Blackberry), HTC und Palm den hiesigen Markt bereits reichlich beackert haben und auch Unternehmenskunden verstärkt auf Smartphones setzen, zieht Dell nun nach. Später als geplant. Denn die Mobiltelefongesellschaften zeigten sich im vergangenen Jahr von seinen ersten Produkten wenig beeindruckt und Dell die kalte Schulter.

Das erste eigene US-Smartphone des Computerkonzerns heißt Aero. Das über die US-Mobiltelefongesellschaft AT&T vermarktete Smartphone – 99 Dollar mit einem Zweijahresvertrag, 300 Dollar ohne - macht seinem Namen alle Ehre. Es ist ziemlich aufgepustet, bei genauerem Hinschauen jedoch ein Leichtgewicht gegenüber der Konkurrenz.

Dell Streak Quelle: Dell

Das Aero hat zwar alles, was ein modernes Smartphone auszeichnet. Es ist schlank, hat ein großes Display, eine Kamera samt Blitzlicht und einen GPS-Chip. Dell hat es sogar mit dem von Google massiv geförderten Android ausgestattet, dem derzeit am schnellsten wachsenden Mobiltelefon-Betriebssystem. Für das stehen mittlerweile über 70.000 Programme zur Verfügung, wesentlich mehr als etwa für Blackberry oder Palm.

Doch im Aero tickt nur ein durchschnittlicher Prozessor. Sein 3.5 Zoll Display ist zwar genauso groß wie das vom iPhone, jedoch geringer aufgelöst. Gegenüber von Geräten von Motorola und HTC ist es kleiner. Die Kamera nimmt kein hochauflösendes Video auf. Das Schlimmste: Die Android-Version ist bereits anderthalb Jahre alt. Durchschnitt eben – und noch nicht einmal guter. Das Handy wirkt, als ob es schon einige Zeit in der Schublade lag, bevor es zum Verkauf freigegeben wurde.

Eigentümlicher Zwitter

Auch beim Streak, Dells Antwort auf Apples iPad haben die Texaner kein glückliches Händchen bewiesen. Der Flachcomputer, seit 13. August in den USA und seit ein paar Tagen auch in Deutschland erhältlich (ab 599 Euro ohne Vertrag), ist ein eigentümlicher Zwitter aus Smartphone und Tablet-PC. Sein Display ist nur etwa halb so groß wie das vom iPad, was den Streak portabler macht. Im Gegensatz zur großen Konkurrenz lässt sich mit dem Dell-Gerät telefonieren. Doch zum komfortablen Surfen ist der 13 Zentimeter große Bildschirm des Streaks zu klein, nur geringfügig größer als die neuesten Smartphones von Apple  und HTC. Zum Telefonieren ist das Dell-Tablet wiederum zu groß, um komfortabel ans Ohr gehalten werden zu können. In die Hemdtasche passt es auch nicht. Wie auf dem Aero läuft auch auf dem Streak eine veraltete Android-Version.

Beim Streak ist Dell seiner Zeit untypisch weit voraus. Für das 5 Zoll Display gibt es noch keine Android-Apps, die den größeren Platz ausnutzen.

Donnerschlag im Spätherbst

Eine Smartphone-Offensive sieht anders aus. Doch dies ist ohnehin für den Spätherbst geplant. Dann will Dell mit einem Donnerschlag seine Sünden vergessen machen. Das „Thunder“ wirkt nicht nur elegant, sondern ist auch mit einem 4.1 großen, hochauflösenden und stromsparenden OLED-Display ausgestattet. In dem Smartphone tickt ein flotter Snapdragon-Prozessor von Qualcomm und mit Flash-Videos soll es im Gegensatz zum iPhone auch umgehen können.

Es scheint, als ob Dell mit seinem Aero und Streak erstmal Erfahrungen im Markt sammeln möchte. Und er steckt noch in den Anfängen. Wenn Dell jedoch den Rückstand zu Apple und Research in Motion aufholen will, muss der Konzern sich kräftig sputen. 

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