WirtschaftsWoche Online: Inzwischen sind viele Unternehmen schon auf Facebook präsent, wird der Börsengang das noch forcieren?
Bastian Scherbeck: Er wird Facebook eine noch stärkere Stellung geben und das macht es nicht immer einfach für die Unternehmen. Facebook setzt die Regeln, ändert die Regeln und als Kunde muss man damit leben, wenn man im Facebook-Universum mitspielen will. Große Unternehmen kommen oft mit einem anderen Selbstverständnis daher, aber Facebook lässt sich auch von denen nichts erzählen. Die Unternehmen müssen sich nach dem richten, was Facebook vorschlägt und die Pakete und technischen Vorgaben nehmen, die Facebook ihnen vorsetzt.
Welche Probleme und Einschränkungen stören die Unternehmen?
Unternehmen wundern sich sehr oft, dass die Daten und alles, was auf einer Fanpage passiert, am Ende des Tages Facebook gehört. Man hat daher auch als großes Unternehmen nicht die Möglichkeit einen direkten Kontakt zu den Nutzern herzustellen. Viele Unternehmen hätten auch gern von all ihren Facebooknutzern die Daten, um sie mit den internen Kundendatenbanken abzugleichen. Das ist aber im Sinne der Nutzer so nicht möglich und macht es manchmal schwierig, den Return on Investment von Facebook-Aktivitäten zu messen.
Am Anfang ging es Unternehmen vor allem darum, viele Fans zu bekommen. Sind die Ziele inzwischen spezifischer?
Bei vielen großen Marken spielen die Fanzahlen schon lange keine Rolle mehr. Die haben realisiert, dass die Anzahl der Fans per se überhaupt nicht aussagekräftig ist und integrieren Facebook inzwischen viel spezieller in einzelne Kampagnen und die Gesamtkommunikation. Es gibt allerdings eine Ausnahme und das ist ausgerechnet der Vorstand. Der sagt immer noch oft, die Kommunikationskonzepte seien ihm egal, er wolle trotzdem mehr Fans als der Wettbewerber. Das ist eine Krux, da man einerseits qualitativ solide Arbeit abliefern soll und andererseits eine riesige Reichweite produzieren, die per se gar nicht so sinnvoll ist.
Und dann kauft sich mancher billige Fans in Indien?
Solche Anbieter gibt es natürlich, aber wir waren immer in der Lage, wenn das Bedürfnis aufkam, strategisch davon abzuraten.
Das heißt Kunden wollten, dass Sie Fans kaufen?
Vereinzelt ist das vorgekommen, aber das haben wir rundweg abgelehnt. Aber wir beobachten natürlich auch die Seiten der Wettbewerber und da fällt es schon auf, wenn die Fanzahlen um tausende steigen, ohne dass es irgendeine Kampagne gibt. Doch die haben dann einen Haufen toter Fans, die es Ihnen schwer machen, eine vernünftige Beteiligungsrate hinzubekommen. Und die meisten Unternehmen haben schon verstanden, dass das eigentliche Ziel eine enge und fortlaufende Auseinandersetzung mit dem Kunden ist.
Was Facebook-Kampagnen kosten
Wie bringt man die Kunden zum Mitmachen und wann ist eine Beteiligungsrate gut?
Bei 25 Prozent sind wir schon happy, das ist natürlich auch stark davon abhängig, wie man ein Produkt emotionalisieren kann. Auch Videos und Fotos werden immer wichtiger, reiner Textinhalt zieht schon lange nicht mehr so wie noch vor zwei Jahren.
Was sind die häufigsten Fehler?
Es gibt oft noch die Erwartung, dass das alles im Prinzip nichts kostet. Natürlich reden wir im Vergleich zu klassischen Werbebudgets auch immer noch über lächerliche Summen. Trotzdem kostet es monatlich wahrnehmbares Geld.
Wie viel muss man kalkulieren?
Das ist pauschal schwer zu sagen. Wenn ein Unternehmen noch gar keine Fanpage hat oder eine große Kampagne plant, für die man eine Applikation entwickeln und auch programmieren muss, kann das zwischen 25.000 und 100.000 Euro kosten. Damit eine Fanpage dauerhaft gut funktioniert, muss ich mindestens fünfmal in der Woche Inhalte posten. Da ist man schnell bei drei- bis fünftausend Euro pro Monat für die Produktion, wenn man auch multimediale Inhalte möchte.
Ab wann nervt man seine Fans?
Das ist sehr unterschiedlich. Generell ist der Facebook-Algorithmus seit der Einführung der Timeline-Funktion gnädiger. Ansonsten ist es sehr abhängig vom Produkt. Gerade unter den älteren Zielgruppen gibt es noch genügend Nutzer, die nur dreißig Freunde haben. Wenn ich die fünfmal am Tag mit Unternehmensinhalten zumülle, werden die das schnell unterdrücken und dann ist der aufwendig produzierte Inhalt wertlos. Bei einer Spezialsoftware für Architekten beispielsweise reicht ein Posting am Tag völlig, darüber will ich nicht stündlich etwas hören. Im Gegensatz dazu kann Adidas beim Champions-League-Finale in München, wenn zwei Adidas-Vereine gegeneinander spielen, auch 35 Mal posten und es wird niemanden stören.
Was sollte man im Umgang mit seinen Fans noch beachten?
Ein Großteil der Facebooknutzung findet am Morgen oder spät am Abend statt. Das ist für manche Unternehmen ein Problem, da sie wegen interner Arbeitszeitregeln spät am Abend oder am Wochenende gar nichts posten können. Und es geht ja nicht nur um die Postings, die man sogar zeitlich steuern kann, sondern auch um die Betreuung des Dialoges.
Und was raten sie?
Zum einen können Agenturen wie wir die Arbeit übernehmen, was beispielsweise für Sportfirmen, wo viel am Wochenende stattfindet, hilfreich ist. Ansonsten sollten die Unternehmen das ganz klar und persönlich kommunizieren. Also Freitag um 18 Uhr schreiben: „Schönen Feierabend, wir freuen uns auf das Wochenende und sehen uns am Montag wieder.“
Lohnen Pinterest, Google Plus & Co.?
In den USA ist die Nutzung von Facebook noch viel verbreiteter, welche Trends zeichnen sich da schon ab?
Auf jeden Fall eine noch stärkere Verschmelzung mit lokalen und mobilen Diensten. Aber ich finde spannender, was nicht eins zu eins übertragbar ist. Wir arbeiten ja mit vielen globalen Marken, da kommen dann US-amerikanisch geprägte Ideen und Kampagnen, die sie übertragen wollen. Doch die Kommunikationskultur in und auch innerhalb Europas ist anders. Da bestätigt sich beispielsweise das Klischee, dass der Deutsche zurückhaltender ist und nicht alles im Social Web preisgeben möchte. Wobei sich das immer stärker relativiert, je jünger die Zielgruppe ist.
Welche Unterschiede gibt es sonst in Deutschland?
Die Plattformen sind ganz unterschiedlich. Facebook ist natürlich wichtig, trotzdem ist Deutschland weiter ein Forenland. Gerade für Nischenthemen wie beispielsweise große Baugeräte gibt es ganz spezielle Foren, wo ich die Community finde. Da muss man nicht zu Facebook gehen, auch wenn es in den USA gut funktioniert. Ein anderes gutes Beispiel ist Foursquare. Das ermöglicht Marketingleuten tolle Spielereien, ist aber in Deutschland nie wirklich eingeschlagen, weil nicht jeder seinen Aufenthaltsort mitteilen möchte. Und nun ist Pinterest in aller Munde, doch es gehört auch zu unserer Arbeit, zu beraten, wann es für Unternehmen überhaupt sinnvoll ist, sich auf neue Plattformen einzulassen.
Und für wen lohnt sich Pinterest?
Das kann man ganz klar eingrenzen: E-Commerce-Seiten mit einer jungen, weiblichen Zielgruppe. Gerade für bestimmte Modeanbieter funktioniert es, da hat Pinterest den Seiten teilweise mehr Traffic gebracht als Twitter. Doch das ist schon eine kleine Nische.
Kann Google Plus der Dominanz von Facebook etwas anhaben?
Es ist technisch ein gutes Produkt und ich denke Google hat einen langen Atem. Doch derzeit ist es eher ein Pseudowettbewerber. Ich bin dankbar dafür, denn Google Plus hat technisch ganz viel für Facebook gebracht, die Ideen übernommen und sich weiterentwickelt haben. Für den Großteil unserer Kunden ist Google Plus jedoch absolut irrelevant. Die Zielgruppe ist nicht da und die Nutzungsdauer minimal.