Social-Media-Experte "Die Zahl der Facebook-Fans spielt keine Rolle"

Für Unternehmen gehört ein Facebook-Auftritt dazu. Bastian Scherbeck, Deutschland-Chef einer der größten Social-Media-Agenturen erklärt, warum sie sich oft über Facebook wundern und wie er mit dem Fanzahlen-Dilemma umgeht.

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WirtschaftsWoche Online: Inzwischen sind viele Unternehmen schon auf Facebook präsent, wird der Börsengang das noch forcieren?

Bastian Scherbeck: Er wird Facebook eine noch stärkere Stellung geben und das macht es nicht immer einfach für die Unternehmen. Facebook setzt die Regeln, ändert die Regeln und als Kunde muss man damit leben, wenn man im Facebook-Universum mitspielen will. Große Unternehmen kommen oft mit einem anderen Selbstverständnis daher, aber Facebook lässt sich auch von denen nichts erzählen. Die Unternehmen müssen sich nach dem richten, was Facebook vorschlägt und die Pakete und technischen Vorgaben nehmen, die Facebook ihnen vorsetzt.

Welche Probleme und Einschränkungen stören die Unternehmen?

Unternehmen wundern sich sehr oft, dass die Daten und alles, was auf einer Fanpage passiert, am Ende des Tages Facebook gehört. Man hat daher auch als großes Unternehmen nicht die Möglichkeit einen direkten Kontakt zu den Nutzern herzustellen. Viele Unternehmen hätten auch gern von all ihren Facebooknutzern die Daten, um sie mit den internen Kundendatenbanken abzugleichen. Das ist aber im Sinne der Nutzer so nicht möglich und macht es manchmal schwierig, den Return on Investment von Facebook-Aktivitäten zu messen.

Wo Unternehmen zu Datenkraken werden
Apple iPhone 4 Quelle: rtr
Unzulässige Blankoschecks beim DatenschutzAuch Google hat nicht umsonst den Ruf ein „Datenkrake“ zu sein. Die von der „Chip“ beauftragten Rechtsexperten fanden bei Google folgenden Passus: „Wir stellen solche Informationen [personenbezogene Daten] unseren Tochtergesellschaften, Partnerunternehmen oder anderen vertrauenswürdigen Unternehmen oder Personen zur Verfügung, die personenbezogene Daten in unserem Auftrag verarbeiten.“ Derart weit gefasste Datenschutzbestimmungen sind mit dem deutschen Datenschutzrecht nicht einmal ansatzweise vereinbar, so die Rechtsexperten. Quelle: dapd
Google nutzt seine zahlreichen Dienste, um die Interessen der Nutzer zu speichern und so personalisierte Werbung ausliefern zu können. Der wichtigste Indikator für Google, um festzustellen, welche Werbung den Nutzer interessieren könnte, ist bei der Websuche natürlich der eingegebene Suchbegriff - das funktioniert auch ganz ohne Personalisierung. Daneben wird aber beispielsweise auch Werbung in anderen Dienst wie Google Mail personalisiert angezeigt, je nachdem, welche Stichworte ein automatisierter Algorithmus in den E-Mails entdeckt. Insgesamt sammelt Google Daten über alle angebotenen Dienste hinweg - sei es Youtube, Google Mail, Picasa oder die Websuche. Für die personalisierte Werbung werden alle die auf verschiedenen Plattformen gesammelten Daten verknüpft. Welche Informationen Google über Sie gesammelt hat, können Sie als eingeloggter Benutzer unter http://google.de/ads/preferences einsehen - und dort die Cookies auch löschen lassen. Quelle: dapd
Ebenso vernichtend ist das Urteil der Experten zu den Datenschutzbestimmungen von Facebook: „Komplett wirkungslos“, urteilt der Datenschutz-Anwalt Martin Bachmann von der Kanzlei Hild & Kollegen laut „Chip“. Allein schon die Länge der Bestimmungen widerspreche dem im deutschen Datenschutzrecht vorgeschriebenen Transparenzprinzip. Quelle: dapd
Facebook sammelt auch auf externen SeitenFacebook ist dabei auch besonders wissbegierig. So sammelt Facebook nicht nur auf der eigenen Website Daten, sondern auch auf allen, die den „Gefällt mir“-Knopf eingebaut haben. Welche Daten das soziale Netzwerk damit mit auf externen Webseiten sammelt, kommt darauf an, ob der Nutzer Mitglied bei Facebook ist oder nicht. Von Nicht-Mitgliedern wird die IP-Adresse an das Unternehmen übertragen. Diese eindeutige Zahlenkombination bekommt ein Internetnutzer zugewiesen, wenn er sich ins Internet einwählt - sie funktioniert wie das Nummernschild am Auto. Bei deutschen Nutzern werden die letzten Stellen der Ziffernfolge allerdings gestrichen, sodass die Daten anonym sind. Von Mitgliedern wird mehr übertragen: Unter anderem die Seite, auf welcher der Facebook-Knopf geladen wurde, die Uhrzeit und der Browsertyp, den der Surfer nutzt. Ob jemand Mitglied ist, erkennt Facebook an einem Cookie, einer kleinen Textdatei, die beim Einloggen auf seinem Computer gespeichert wird. Abhilfe: Selbst wenn Sie Facebook-Mitglied sind, können Sie sich ausloggen und die Cookies löschen. Dann werden Sie von Facebook wie ein Nicht-Mitglied behandelt und bleiben anonym. Quelle: dpa
Was passiert mit den Daten, die im Internet über mich gesammelt werden?Oft werden die Informationen für Werbung verwendet, die genau auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten ist. Arbeitgeber nutzen das Internet auf der Suche nach Informationen über Bewerber. Die leichtsinnige Preisgabe persönlicher Daten kann aber auch finanzielle Folgen haben. So nutzen Kriminelle immer wieder Kreditkarten-und Bankverbindungsdaten, um illegal Geld abzubuchen. Quelle: dapd
Apps als DatenfalleAuch die Nutzungsbedingungen der beliebten Apps für Smartphones waren in der Vergangenheit Gegenstand heftiger Kritik. So sendet sowohl die iPhone- als auch die Android-Version der beliebten Musik-App Pandora persönliche Angaben wie Alter und Geschlecht des Nutzers sowie Gerätedaten an Online-Werbepartner, wie das "Wall Street Journal " (WSJ) in einem groß angelegten Test bereits im Dezember 2010 herausfand. Beliebte Gratis-Apps wie das iPhone-Spiel Paper Toss sendeten persönliche Informationen von Nutzern an mindestens fünf Werbeunternehmen, berichtete die Zeitung damals. Insgesamt stellten sich von den 101 untersuchten beliebten Mini-Programmen für iPhone und Android-Smartphones 56 als Spione heraus, weil sie die Geräte-ID an Dritte sendeten, ohne dafür die Erlaubnis des Nutzers einzuholen. 74 Apps sendeten den Standort des Geräts. Fünf Softwarehersteller waren besonders wissbegierig und ließen sich gleich noch Informationen zu Alter oder Geschlecht schicken.  Quelle: dpa

Am Anfang ging es Unternehmen vor allem darum, viele Fans zu bekommen. Sind die Ziele inzwischen spezifischer?

Bei vielen großen Marken spielen die Fanzahlen schon lange keine Rolle mehr. Die haben realisiert, dass die Anzahl der Fans per se überhaupt nicht aussagekräftig ist und integrieren Facebook inzwischen viel spezieller in einzelne Kampagnen und die Gesamtkommunikation. Es gibt allerdings eine Ausnahme und das ist ausgerechnet der Vorstand. Der sagt immer noch oft, die Kommunikationskonzepte seien ihm egal, er wolle trotzdem mehr Fans als der Wettbewerber. Das ist eine Krux, da man einerseits qualitativ solide Arbeit abliefern soll und andererseits eine riesige Reichweite produzieren, die per se gar nicht so sinnvoll ist.

Und dann kauft sich mancher billige Fans in Indien?

Solche Anbieter gibt es natürlich, aber wir waren immer in der Lage, wenn das Bedürfnis aufkam, strategisch davon abzuraten.

Das heißt Kunden wollten, dass Sie Fans kaufen?

Vereinzelt ist das vorgekommen, aber das haben wir rundweg abgelehnt. Aber wir beobachten natürlich auch die Seiten der Wettbewerber und da fällt es schon auf, wenn die Fanzahlen um tausende steigen, ohne dass es irgendeine Kampagne gibt. Doch die haben dann einen Haufen toter Fans, die es Ihnen schwer machen, eine vernünftige Beteiligungsrate hinzubekommen. Und die meisten Unternehmen haben schon verstanden, dass das eigentliche Ziel eine enge und fortlaufende Auseinandersetzung mit dem Kunden ist.

Was Facebook-Kampagnen kosten

Welche sozialen Netzwerke wirklich genutzt werden
So lange werden soziale Netzwerke wirklich genutztGoogle+ - Mit allen Mitteln versucht Google sein soziales Netzwerk zum Erfolg zu bringen. Vor allem die Verknüpfung mit den eigenen Diensten wie Google Mail oder Youtube soll Google+ helfen. Seit dem Start haben sich auch immerhin 90 Millionen Nutzer registriert, allerdings bleibt es oft auch dabei. Nach einer Erhebung der US-Marktforscher Comscore haben sich die Nutzer seit September im Schnitt nur drei Minuten pro Monat bei Google+ aufgehalten. Das „Wall Street Journal“ schreibt daher schon von einer „virtuellen Geisterstadt“. Quelle: dapd
Myspace - Selbst das schon oft totgesagte MySpace wird intensiver genutzt – mit acht Minuten sogar fast drei Mal solange wie Google+.
LinkedIn - 17 Minuten pro Monat halten sich die Nutzer des Online-Karrierenetzwerks LinkedIn auf der Seite auf. Für den deutschen Wettbewerber Xing lagen keine Daten vor. Quelle: REUTERS
Twitter - Mit 21 Minuten nur knapp davor liegt der Kurznachrichtendienst Twitter. Allerdings erfasst Comscore nur Besucher der Twitter-Website, gerade die intensiven Nutzer greifen jedoch gern auf spezielle Zusatzprogramme wie Tweetdeck zurück, so dass die echte Zahl höher liegt. Auch die mobilen Zugriffe wurden nicht erhoben, was jedoch alle Netzwerke betrifft. Quelle: dpa
Pinterest - Erstaunlich ist, dass sich zwei relative junge Netzwerke ganz vorn platzieren konnten. So gelang Pinterest mit 89 Minuten der Sprung aufs Treppchen. Auf der Seite können Nutzer Bilder und Netzfundstücke teilen. Pinterest ist derzeit eine der angesagtesten und am schnellsten wachsenden Seiten überhaupt .
Tumblr - Ebenso lange wie Pinterest wird Tumblr genutzt. Der Dienst bietet ist eine besonders schnelle und einfache Art des Bloggens. Auch bei Tumblr werden oft besondere Fotos geteilt – Musikstar Beyonce Knowles veröffentlichte beispielsweise exklusiv Fotos ihres Babys Blue Ivy Carter auf einer eigenen Tumblr-Seite. Beliebt sind auch die „Looking at Things“-Reihen, beispielsweise von Kim Jong-Il oder Christian Wulff.
Facebook - Mit riesigem Abstand steht Facebook an der Spitze: 405 Minuten halten sich die Nutzer im Schnitt jeden Monat in dm Netzwerk auf.     Quelle: dapd


Wie bringt man die Kunden zum Mitmachen und wann ist eine Beteiligungsrate gut?

Bei 25 Prozent sind wir schon happy, das ist natürlich auch stark davon abhängig, wie man ein Produkt emotionalisieren kann. Auch Videos und Fotos werden immer wichtiger, reiner Textinhalt zieht schon lange nicht mehr so wie noch vor zwei Jahren.

Was sind die häufigsten Fehler?

Es gibt oft noch die Erwartung, dass das alles im Prinzip nichts kostet. Natürlich reden wir im Vergleich zu klassischen Werbebudgets auch immer noch über lächerliche Summen. Trotzdem kostet es monatlich wahrnehmbares Geld.

Wie viel muss man kalkulieren?

Das ist pauschal schwer zu sagen. Wenn ein Unternehmen noch gar keine Fanpage hat oder eine große Kampagne plant, für die man eine Applikation entwickeln und auch programmieren muss, kann das zwischen 25.000 und 100.000 Euro kosten. Damit eine Fanpage dauerhaft gut funktioniert, muss ich mindestens fünfmal in der Woche Inhalte posten. Da ist man schnell bei drei- bis fünftausend Euro pro Monat für die Produktion, wenn man auch multimediale Inhalte möchte.

Ab wann nervt man seine Fans?

Das ist sehr unterschiedlich. Generell ist der Facebook-Algorithmus seit der Einführung der Timeline-Funktion gnädiger. Ansonsten ist es sehr abhängig vom Produkt. Gerade unter den älteren Zielgruppen gibt es noch genügend Nutzer, die nur dreißig Freunde haben. Wenn ich die fünfmal am Tag mit Unternehmensinhalten zumülle, werden die das schnell unterdrücken und dann ist der aufwendig produzierte Inhalt wertlos. Bei einer Spezialsoftware für Architekten beispielsweise reicht ein Posting am Tag völlig, darüber will ich nicht stündlich etwas hören. Im Gegensatz dazu kann Adidas beim Champions-League-Finale in München, wenn zwei Adidas-Vereine gegeneinander spielen, auch 35 Mal posten und es wird niemanden stören.

Was sollte man im Umgang mit seinen Fans noch beachten?

Ein Großteil der Facebooknutzung findet am Morgen oder spät am Abend statt. Das ist für manche Unternehmen ein Problem, da sie wegen interner Arbeitszeitregeln spät am Abend oder am Wochenende gar nichts posten können. Und es geht ja nicht nur um die Postings, die man sogar zeitlich steuern kann, sondern auch um die Betreuung des Dialoges.

Und was raten sie?

Zum einen können Agenturen wie wir die Arbeit übernehmen, was beispielsweise für Sportfirmen, wo viel am Wochenende stattfindet, hilfreich ist. Ansonsten sollten die Unternehmen das ganz klar und persönlich kommunizieren. Also Freitag um 18 Uhr schreiben: „Schönen Feierabend, wir freuen uns auf das Wochenende und sehen uns am Montag wieder.“

Lohnen Pinterest, Google Plus & Co.?

Facebook-Hauptquartier in Menlo Park, Kalifornien -


In den USA ist die Nutzung von Facebook noch viel verbreiteter, welche Trends zeichnen sich da schon ab?

Auf jeden Fall eine noch stärkere Verschmelzung mit lokalen und mobilen Diensten. Aber ich finde spannender, was nicht eins zu eins übertragbar ist. Wir arbeiten ja mit vielen globalen Marken, da kommen dann US-amerikanisch geprägte Ideen und Kampagnen, die sie übertragen wollen. Doch die Kommunikationskultur in und auch innerhalb Europas ist anders. Da bestätigt sich beispielsweise das Klischee, dass der Deutsche zurückhaltender ist und nicht alles im Social Web preisgeben möchte. Wobei sich das immer stärker relativiert, je jünger die Zielgruppe ist.

Welche Unterschiede gibt es sonst in Deutschland?

Die Plattformen sind ganz unterschiedlich. Facebook ist natürlich wichtig, trotzdem ist Deutschland weiter ein Forenland. Gerade für Nischenthemen wie beispielsweise große Baugeräte gibt es ganz spezielle Foren, wo ich die Community finde. Da muss man nicht zu Facebook gehen, auch wenn es in den USA gut funktioniert. Ein anderes gutes Beispiel ist Foursquare. Das ermöglicht Marketingleuten tolle Spielereien, ist aber in Deutschland nie wirklich eingeschlagen, weil nicht jeder seinen Aufenthaltsort mitteilen möchte. Und nun ist Pinterest in aller Munde, doch es gehört auch zu unserer Arbeit, zu beraten, wann es für Unternehmen überhaupt sinnvoll ist, sich auf neue Plattformen einzulassen.

Und für wen lohnt sich Pinterest?

Das kann man ganz klar eingrenzen: E-Commerce-Seiten mit einer jungen, weiblichen Zielgruppe. Gerade für bestimmte Modeanbieter funktioniert es, da hat Pinterest den Seiten teilweise mehr Traffic gebracht als Twitter. Doch das ist schon eine kleine Nische.

Kann Google Plus der Dominanz von Facebook etwas anhaben?

Es ist technisch ein gutes Produkt und ich denke Google hat einen langen Atem. Doch derzeit ist es eher ein Pseudowettbewerber. Ich bin dankbar dafür, denn Google Plus hat technisch ganz viel für Facebook gebracht, die Ideen übernommen und sich weiterentwickelt haben. Für den Großteil unserer Kunden ist Google Plus jedoch absolut irrelevant. Die Zielgruppe ist nicht da und die Nutzungsdauer minimal.

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