Streit im Paralleluniversum Bei Youtube tobt der Kampf um die Stars

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Bei Youtube bestimmen neue Formate das Bild

Deutschlands Youtube-Hauptstadt ist Köln. Hier produziert nicht nur der Netzwerker Mediakraft, der im Sommer 16,5 Millionen Euro von Wagnisfinanzierern wie Iris Capital aus Paris erhielt. In der Domstadt residiert inzwischen auch die neue Ströer-Tochter TubeOne Networks, die ursprünglich aus Hamburg stammt.

Das bisher größte Youtube-Rad in Köln drehte RTL. Die TV-Tochter des Bertelsmann-Konzerns zahlte im November 107 Millionen Dollar für die Mehrheit des Netzwerks Stylehaul. Dabei stach die Sendergruppe unter anderem die US-Medienriesen Hearst und 21st Century Fox aus. Zuvor hatte RTL bereits 27 Millionen Euro für 51 Prozent an Broadband TV aus Vancouver ausgegeben und sich am Berliner Netzwerk Divimove beteiligt. „Wir wollen auch auf der anderen Seite des Zauns eine wesentliche Rolle spielen“, sagt RTL-Chefin Anke Schäferkordt.

Die andere Seite des Zauns, das ist ein wahres Kontrastuniversum zum herkömmlichen TV. Wer es betritt, muss sich fühlen wie der verstorbene Erfinder der Rateshow „Dalli Dalli“, Hans Rosenthal, wenn dieser die Late-Night-Show „Circus Halligalli“ auf ProSieben moderieren müsste.

Shoppingtour und Computerspiele

Im Youtube-Orbit dominieren ganz andere Formate als im Fernsehen, zum Beispiel Let’s-Play-Clips und Hauls. Hier präsentieren junge Mädchen, was sie auf Shoppingtouren bei der Billigkultkette Primark oder im Drogeriemarkt DM erbeutet haben (Haul ist das englische Wort für Beutezug). Oder junge Männer führen – nach dem Motto Let’s Play – die neuesten Computerspiele vor. Zu den Machern der Spiele-Videos gehört Deutschlands erfolgreichster Youtuber Gronkh. Der wird von der ProSiebenSat.1-Internet-Tochter Netzwerk Studio71 produziert und erzielte bisher insgesamt 1,3 Milliarden Abrufe.

„Langsam wird den Entscheidungsträgern in der Werbeindustrie und den Markenherstellern bewusst, was ihre Kinder in der Youtube-Welt machen“, sagt Mediakraft-Co-Geschäftsführer Olsson.

Das sind Deutschlands Internetriesen
Platz 10: YouTubeUmsatz 2013: 147 Millionen Euro*Der Video-Kanal schafft es mit zwei Millionen Euro Umsatz Vorsprung auf den elftplatzierten Mobile.de gerade noch in die Top Ten. Diese zehn größten Internetunternehmen generieren gemeinsam bereits 42 Prozent des gesamten Marktumsatzes der Top 1000. Dabei sind Film, Video & TV-Anbieter absoluter Vorreiter beim mobilen Traffic. Fast 56 Prozent der Visits kommen hier von mobilen Endgeräten. Zweitstärkstes Segment mit weitem Abstand sind Nachrichten mit 30,6 Prozent.Quelle: Statista 1000 Top-Internetunternehmen in Deutschland: Die Marktanalyse von Statista erfasst erstmals wesentliche Teile der Netto-B2C Wertschöpfung aus werbefinanzierten Angeboten, bezahlten digitalen Inhalten und Services auf Anbieterebene und bildet auf dieser Basis ein Umsatzranking der 1000 größten digitalen Anbieter ab. Im Vorfeld wurden hierzu mehrere tausend Websites auf ihre Relevanz untersucht. Quelle: dpa
Platz 9: Immoscout 24Umsatz 2013: 155 Millionen EuroSuchportale wie der Wohnungs- und Immobilienvermittler Immoscout, Reise-Vermittler, Kleinanzeigen und digitale Güter von Generalisten sowie Preisvergleiche, treiben den Markt und generieren 66 Prozent des erfassten Gesamtmarktvolumens. Quelle: Screenshot
Platz 8: Google PlayUmsatz 2013: 155,6 Millionen EuroMit iTunes, GooglePlay und YouTube bestimmen drei internationale Player das Spielfeld „Digitale Güter“. Das Segment Film, Video & TV (23 Prozent) wird von Senderablegern sowie internationalen Anbietern beherrscht, die verstärkt in den Markt drängen (z. B. Lovefilm, Watchever). Quelle: AP
Platz 7: Check24Umsatz 2013: 157 Millionen EuroVergleichsportale zählen zu den beliebtesten Inhalten im deutschen Internet. Mit 18,9 Prozent legt das Segment „Digitale Güter“ das stärkste jährliche Wachstum seit 2011 vor, gefolgt von digitalen Services mit 11,1 Prozent sowie den digitalen Content-Angeboten mit 8,9 Prozent. Quelle: Screenshot
Platz 6: bwinUmsatz 2013: 169,1 Millionen EuroBwin ist Deutschlands führender Anbieter von Sportwetten und Online-Gaming. Das Unternehmen wurde 1999 unter dem Firmennamen Simon Bold (Gibraltar) Ltd. gegründet und 2001 von der in Wien ansässigen, börsennotierten bwin Interactive Entertainment AG zu 100 Prozent erworben. Nach einer Fusion mit PartyGaming Plc im März 2011, ist dieses Unternehmen jetzt Teil der bwin.party Gruppe. Das Mutterunternehmen der Gruppe ist bwin.party digital entertainment plc, ein in Gibraltar registriertes und an der Londoner Börse notiertes Unternehmen. Quelle: dpa
Platz 5: Booking.comUmsatz 2013: 189,1 Millionen EuroBei Booking.com handelt es sich um ein ursprünglich niederländisches Reiseportal, das 1996 auf den Markt kam und seither wächst und wächst. Die deutschen Anbieter digitaler Dienstleitungen erwirtschaften nur 13 Prozent des Umsatzes der Top Ten des Segments Digitale Services. Quelle: Screenshot
Platz 4: FacebookUmsatz 2013: 228 Millionen EuroDas von Mark Zuckerberg erdachte soziale Netzwerk gehört zu den absoluten Riesen im Internet mit derzeit rund 1,2 Milliarden Mitgliedern. Quelle: dpa

Tatsächlich wandern immer größere Teile der Werbebudgets zu den Online-Videos, nicht nur in den USA. So hat die Techniker Krankenkasse (TK) Ende des vergangenen Jahres eine große Kampagne mit Youtube-Stars gestartet, die in Anzeigen und Videoclips für die gesetzliche Krankenkasse werben. Im Zentrum stehen natürlich Youtube-Spots, in denen zum Beispiel der Videoproduzent Florian Mundt alias LeFloid von einem Unfall mit einem BMX-Rad erzählt, nach dem er seinen Berufswunsch Chirurg abschreiben musste und stattdessen professioneller Youtuber wurde.

Abgang der Affengang

Mehr als 1,2 Millionen Mal wurde der Clip in einem Monat angeklickt. Für ein Werbevideo ist das enorm, alle anderen Youtube-Videos der TK zusammen haben seit 2005 gerade einmal 2,6 Millionen Aufrufe geschafft. Ähnliche Kampagnen dürften in diesem Jahr folgen. „Wir sprechen derzeit mit verschiedenen Unternehmen darüber, Werbespots mit Youtubern zu drehen“, sagt TubeOne-Chef Rode.

Über diese Videos spricht die ganze Welt
Platz 10: „10 Hours of Walking in NYC as a Woman“ von Street Harassment Video (37 Millionen Aufrufe)Schauspielerin Shoshana Roberts lief zehn Stunden durch New York City, ein Kameramann begleitete sie und fing ein, wie unzählige fremde Männer sie ansprachen, anmachten oder gar beleidigten. Als das Video immer größere Bekanntheit erlangte, erhielt Roberts in sozialen Netzwerken Morddrohungen. Es landet auf Platz 10 der beliebtesten Youtube-Videos von 2014.Berücksichtigt wurden im Ranking nicht nur die Klickzahlen, sondern auch wie oft es geteilt, geliked, kommentiert und besprochen wurde. Quelle: AP
Platz 9: „Goku vs Superman. Epic Rap Battles of History Season 3“ von Epic Rap Battles (40 Millionen Aufrufe)In der Reihe Epic Rap Battles liefern sich auch Fernseh- und Kinohelden derbe Kämpfe – nicht mit Fäusten oder Superkräften, sondern mit harten Worten, das alles verpackt als Rap. Eine Folge schaffte es auf Platz neun der populärsten Youtube-Videos von 2014. Dieses Rap-Battle gewinnt Goku, die Hauptrolle der Manga-Serie Dragonball. Quelle: imago images
Sein Gegner ist kein anderer als Superman, hier verkörpert durch Christopher Reeve im Film „Superman II.“ aus dem Jahr 1981. Superman muss sich Goku geschlagen geben. Quelle: AP
Platz 8: „Devil Baby Attack“ von Devils Due NYC (48 Millionen Aufrufe)Die Macher erschrecken nichtsahnende Passanten mit einer selbstgebauten Satans-Baby-Puppe, die in einem stehengelassenen Kinderwagen auf seine Opfer wartet. Sowohl Kinderwagen als auch Puppe lassen sich fernsteuern. Der Teufelsbraten sieht erstaunlich echt aus, die Passanten erschrecken zu Tode, und das Video landet auf Platz 8 der Rangliste. Quelle: Screenshot
Platz 7: „Puppy Love“ von Budweiser (53 Millionen Aufrufe)Der Spot, in dem ein großpfotiger Hundewelpe über Felder und Wiesen jagt und durch den Stall streunt, bewirbt die tschechische Biermarke Budweiser. Den Werbespot ließ das Unternehmen für den Super Bowl drehen, er landet auf Platz 7 der beliebtesten Youtube-Videos. Quelle: Screenshot
Platz 6: „Simon Cowell's Golden Buzzer“ (56 Millionen Aufrufe)Bei der diesjährigen Staffel der britischen Casting-Show „Britain's Got Talent“ rettete Jury-Mitglied Simon Cowell den beiden Jungs von Bars & Melody den Verbleib in der Sendung, indem er auf den goldenen Buzzer drückte. Das Video hierzu erreicht Platz 6 der Youtube-Charts 2014. Quelle: imago images
Platz 5: „iPhone 6 Plus Bend Test“ von Unbox Therapy (59 Millionen Aufrufe)Der etwas andere Produkttest: Ein junger Mann mit Basecap prüft das neue Iphone 6 Plus auf Herz und Nieren. Erstaunlicherweise schafft er es, das Aluminiumgehäuse des Mobiltelefons zu verbiegen. Das Ergebnis: Das Iphone 6 Plus bleibt trotz der Harakiri-Aktion völlig unbeschädigt und funktionstüchtig. Quelle: Screenshot

Doch je begehrter die Youtuber als Werbeträger sind, umso mehr Zoff gibt es um ihre Vermarktung. Kurz vor dem Start der Kampagne mit der Techniker Krankenkasse hatte Mundt alias LeFloid seine Kündigung bei Mediakraft bekannt gegeben. Kurz vor Weihnachten beendete auch Simon Unge alias Ungespielt die Zusammenarbeit mit Mediakraft und beschimpfte das Unternehmen als „Scheißhaufen“.

Der Shitstorm ist kaum abgeflaut, da ist auch noch ApeCrime, neben Y-Titty der wichtigste verbliebene Partner von Mediakraft, abgesprungen. „Der Vertrag ist Ende des Jahres ausgelaufen“, bestätigt das Unternehmen.

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