Sun-Übernahme Streit zwischen EU und Oracle spitzt sich zu

Oracle unter Druck: Die Wettbewerbshüter der Europäischen Union spielen offenbar mit dem Gedanken, die Sun-Übernahme platzen zu lassen. Doch Konzernchef Ellison will nicht einlenken. Er gibt sich zuversichtlich, dass Brüssel den Deal durchwinkt. Ein Machtkampf zwischen Politik und Wirtschaft bahnt sich an.

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Larry Ellison: Oracle will Sun übernehmen. Doch die EU zeigt sich skeptisch. Quelle: ap Quelle: handelsblatt.com

FRANKFURT. Larry Ellison scheint sich verrechnet zu haben. Erst meldeten die EU-Kartellwächter Bedenken gegen die 7,4 Mrd. Dollar teure Übernahme des Server- und Software-Spezialisten Sun an, nun erhöht auch die IT-Industrie den Druck auf den Oracle-Chef. Wie aus Branchenkreisen zu hören ist, haben mittlerweile zahlreiche Unternehmen gegenüber Brüssel kritisch Stellung zu der Transaktion genommen, darunter etwa der deutsche Rivale SAP und Microsoft. Mittlerweile schließen Branchenkenner nicht mehr aus, dass die EU die Übernahme ablehnen wird.

Die britische "Financial Times" berichtete gestern, dass es innerhalb der EU-Kommission bereits Überlegungen gibt, formal Bedenken gegen den Sun-Kauf anzumelden. In der Brüsseler Systematik ist das die Stufe vor einer faktischen Ablehnung. Die Beteiligten äußerten sich gestern nicht zu dem Bericht. Ob die EU tatsächlich diesen Schritt gehen wird, ist zwar offen. Noch sei eine Einigung möglich, heißt es. Angeblich ist aber die Stimmung zwischen der EU und Oracle auf einem neuen Tiefpunkt. "Larry Ellison will nicht nachgeben, er pokert hoch", sagte der Brüsseler Lobbyist eines IT-Unternehmens.

Wie bei solchen Prüfungen üblich, hat die Kommission Rivalen und andere Marktteilnehmer aufgerufen, Stellung zu der geplanten Übernahme zu nehmen. Offensichtlich wurde davon rege Gebrauch gemacht, was die Sensibilität des Themas dokumentiert. Eine Bestätigung gibt es dafür auf Seiten der Unternehmen nicht. So erklärte ein Sprecher von SAP lediglich, dass die Unabhängigkeit von Datenbanklieferanten das beste für SAP und die Kunden sei. "Kunden wollen Offenheit und sie wollen Wahlmöglichkeiten", sagte er.

Wie aber aus Unternehmenskreisen zu hören ist, hebt SAP vor allem auf zwei Punkte ab. Einer betrifft die Zukunft der Programmiersprache Java. Zwar programmiert SAP vorwiegend mit der eigenen Sprache Abap. Doch gerade bei Software, die über das Internet genutzt wird, kommen die Anbieter ohne Java nicht aus. Bislang war diese Sprache günstig zu lizensieren. In der Industrie fragt man sich nun aber, ob Oracle nachhaltig an dieser Strategie festhalten wird.

Der zweite Punkt betrifft die Datenbank-Software MySQL, eine so genannte Open-Source-Lösung, die von freien Entwicklern vorangetrieben wird und ohne Lizenzgebühren zu nutzen ist. Auch hier dominiert die Sorge, dass Oracle die Pflege von MySQL zugunsten der eigenen, lizenzpflichtigen Datenbanklösung aufgeben könnte.

An dieser Stelle setzt auch die Kritik der EU-Kartellwächter ein. "In der derzeitigen Wirtschaftslage streben alle Unternehmen nach kostengünstigen IT-Lösungen, und so stellen Systeme, die auf Open-Source basieren, zunehmend eine wirtschaftliche Alternative dar", hatte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes jüngst erklärt. Die Kommission müsse gewährleisten, dass es solche Alternativen weiterhin gebe. Bislang dominieren die Anbieter Oracle, Microsoft und IBM den Datenbank-Markt.

Zusätzlich verschärft wurde die Situation wohl durch die Sturheit von Oracle-Chef Ellison. Offenbar ist er bislang zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Im Gegenteil: Selbstbewusst hatte Ellison vor einiger Zeit erklärt, er gehe davon aus, dass die Übernahme ohne Auflagen genehmigt werde, wie es bereits in den USA der Fall war. Gleichzeitig hat sich Oracle zu den weiteren Planungen mit MySQL bislang nicht geäußert, während die Ideen für die anderen Bereiche von Sun mittlerweile ausführlich kommuniziert wurden. Das weckt zusätzliche Zweifel.

Allerdings teilen nicht alle Branchenkenner die allgemein kritische Einschätzung der Transaktion. So bezweifelt Andrew Butler vom Beratungshaus Gartner die Argumente der EU-Kommission. MySQL habe am gesamten Datenbankgeschäft in der Welt gerade einmal einen Anteil von einem halben Prozent. Die intensive Prüfung der EU sei "für die gesamte Branche und die künftige Konsolidierung verheerend", warnt Butler eindringlich.

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