Top Level Domains Amazon & Co. streiten um neue Internet-Adressen

Das Internet bekommt neue Endungen wie .bayern oder .bmw. 2000 Anträge wurden gestellt, auch viele deutsche Firmen wollen die begehrte Endungen. Zwei Internetriesen kämpfen um die gleichen Domains.

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Die ICANN stellt die Bewerbungen für neue Internetadressen vor - trotz Kosten von 185.000 Dollar wurden fast 2000 Anträge gestellt. Quelle: dapd

Es könnte künftig unübersichtlich werden im Internet. Fast 2000 Anträge auf neue Domainendungen sind bei der ICANN eingegangen, die für die Verwaltung der Namensräume zuständig ist. Heute wurde die Liste aller Bewerber veröffentlicht.

Neben den Länderkürzeln wie .de gibt es bislang nur 22 so genannte generische Top Level Domains, die bekanntesten sind .com, .info oder .edu. Doch in Zukunft wird es hunderte zusätzlicher Endungen geben: Von .berlin oder .love bis hin zu .ketchup oder .vermögensberater.

Vor allem Firmen haben sich um die neuen Endungen beworben. Zu den beantragten Namen und Marken gehören: Apple, Calvin Klein, Canon, Cartier, Fiat, Google, Honda, Intel, Lego, Microsoft, Nokia, Philips, Pfizer, Samsung oder Sony.


Auch viele deutsche Unternehmen sind unter den Bewerbern: ADAC, Audi, Bauhaus, BMW, Bosch, Boehringer, Deutsche Post, Edeka, GMX, Lidl, Merck, NetCologne, Obi, Schaeffler, SAP, Schlund GmbH, Spiegel Verlagsgruppe, Volkswagen. Mit den Top Level Domains .allfinanzberater oder .vermögensberater kommen auch zwei der ausgefallensten Anträge aus Deutschland.


Neben solchen Marken soll es auch neue Endungen für Städte oder Regionen geben. Bewerber sind beispielsweise Afrika (.africa), Amsterdam, Paris oder Tokio (.tokyo). Aus Deutschland soll es als geografische Endungen Hamburg, Koeln, Saarland, Bayern und Berlin geben.

Die wichtigsten Fragen zu den neuen Internet-Endungen

Bis die neuen Endungen im Netz auftauchen wird es jedoch noch mindestens ein Jahr dauern. Ab Juli prüft die ICANN die ersten Anträge. So dürfen die Bewerber keine Markenrechte verletzten und müssen bestimmte technische Anforderungen erfüllen. Andere Markeninhaber können in den kommenden sieben Monaten Einspruch anmelden. Ab Dezember will die Organisation erste Ergebnisse veröffentlichen.


Streit um .movie, .music oder .tire

Bei den meisten Anträgen handelt es sich um eingetragene Marken, die den Inhabern zugesprochen werden dürften. Doch eine ganze Reihe anderer attraktiver Endungen sind heftig umkämpft. So haben sich allein sieben Interessenten um die Endung .app beworben, auch für .home, .inc, .movie oder .art gibt es mehrere Interessenten.


In einigen Fällen dürfte es noch hochspannend werden, wer letztlich die begehrten Endungen erhält. Für .tire (Englisch für Reifen) haben sich beispielsweise die beiden Reifenhersteller Goodyear und Bridgestone beworben.

Bei solchen Streitfällen wird eine wichtige Rolle spielen, wem die Markenrechte an umstrittenen Begriffen gehören. Doch es drohen auch juristische Streitfälle. So haben sich beispielsweise der deutsche und der amerikanische Pharmakonzern Merck um die gleichnamige Endung beworben. Sollte kein Bewerber aufgrund bestehender Markenrechte den Vorzug erhalten oder sich beide Parteien auf eine gemeinsame Nutzung verständigen, könnte am Ende eine Auktion darüber entscheiden, wer den Zuschlag erhält.


Die neuen Adressen sind auch so ein teures Vergnügen. Allein pro Bewerbung war eine Gebühr von 185.000 Dollar fällig. Dazu kommen nach Schätzungen des deutschen Branchenverbands Bitkom Projektentwicklungskosten von bis zu 500.000 Euro und jährliche Betriebskosten von bis zu 200.000 Euro. „Eine Million Euro im ersten Jahr muss man mindestens kalkulieren“, sagt Thorsten Troge, Markenrechtler bei der Anwaltskanzlei TaylorWessing.


Amazons und Google streiten um attraktive Endungen

Einer der eifrigsten Bewerber ist der Online-Riese Amazon. Das Unternehmen bewirbt sich um gleich 77 Endungen, darunter das umkämpfte .app aber auch so populäre Begriffe wie .book, .news, .movie oder .music. Auch .search oder .drive gehören zu Amazons Anträgen und könnten auf Ambitionen in neuen Geschäftsfeldern hindeuten. Um die Endung .mail buhlt Amazon auch mit einem deutschen Interessenten: Die 1&1 GmbH, unter anderem bekannt für den beliebten E-Maildienst web.de

Google hat über die Firma Charleston Road Registry sogar 101 Bewerbungen eingereicht und interessiert sich dabei oft für die gleichen Begriffe, wie Amazon. So haben beide Anträge auf die Endungen .app, .book, .cloud, .game , .map, .music und .shop gestellt - da diese zu den attraktivsten Top Level Domains gehören ist ein Konflikt programmiert. Ähnlich sieht es bei .docs aus, um diese Endung streitet Google mit Microsoft.

Manche Anträge von Google sind durchaus überraschend. So hat es das Unternehmen auch auf die Endungen .baby, .dad, .dog oder .family abgesehen. Auch Kürzel wie .fyi (for your interest), .lol (loughing out loud) oder .wow stehen auf der Liste.

Und auch aus deutscher Sicht sind die Ambitionen des Suchmaschinenkonzerns interessant, denn Google hat sich auch für das urdeutsche .gmbh beworben. Dieses Kürzel könnte künftig für manche Unternehmen interessant werden - kein Wunder, dass gleich sechs Bewerber um die Domain streiten. Google kommt dabei vor allem der TLDDOT Gmbh aus Berlin in die Quere, die ebenfalls die .gmbh-Adressen betreiben will.

Das Millionengeschäft mit den Domains

Die teuersten Domains aller Zeiten
sex.com Quelle: dpa
insure.com
fund.com
diamond.com
casino.com
toys.com
candy.com

Denn wer eine attraktive Endung verwaltet, kann mit der Vermarktung der Teiladressen sogar stattliche Gewinne erzielen. „Domains wie .shop haben das Potenzial für hohe Profite“, sagt Ashley Roberts von der Londoner Firma Valideus, die Unternehmen beim Betreiben der neuen Adressen berät. Wenn sich 250.000 Interessenten eine Adresse mit der Endung .shop registrieren, kommen bei branchenüblichen Kosten von 30 Dollar bereits 7,5 Millionen zusammen. Roberts kalkuliert daher, dass sich mit .shop in drei Jahren Umsätze von über 30 Millionen Dollar erzielen lassen.

Allerdings sind auch viele Unternehmen skeptisch, ob die neue Adressvielfalt wirklich Erfolg hat. So hatten in einer Umfrage der WirtschaftsWoche schon während der Bewerbungsphase mehr als ein Viertel der 30 größten Dax-Unternehmen ihren Verzicht auf eine Bewerbung erklärt, darunter Allianz, BASF oder Lufthansa. „Es ist derzeit noch unklar, ob sich die neuen Top Level Domains dauerhaft durchsetzen werden“, erklärte beispielsweise BASF. „Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis“, hieß es bei Siemens. „Das jetzige System ist etabliert und funktioniert.“

5,1 Millionen Dollar für toys.com

Der Münchner Industriegasehersteller Linde hatte dagegen bereits seine Bewerbung angekündigt und verspricht sich davon unter anderem „eine schnellere Auffindbarkeit in Suchmaschinen“. In der Tat spielt schon jetzt der Domainname für das Googleranking eine wichtige Rolle. Daher sind manche Adressen die populäre Suchbegriffe enthalten schon jetzt Millionen wert. So legte der US-Spielwarenhändler Toys´R´Us vor drei Jahren 5,1 Millionen Dollar für toys.com hin. „Im Vergleich dazu sind 500 000 bis eine Million Dollar für .toys gar nicht soviel“, sagt David Taylor, Partner der Großkanzlei HoganLovells. Zumal sich mit der Endung dann beliebige Adresskombinationen wie www.baby.toys oder www.barbie.toys bilden lassen.

Das Interesse der Internetriesen wie Google ist ein Indiz dafür, dass zumindest einige der neuen Endungen sich durchsetzen können. Im Vorfeld hatte der Domainexperte Roberts zu den Aussichten erklärt: „Der Erfolg hängt davon ab, was Unternehmen wie Facebook, Google oder Apple machen“.

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