Uber-Gründer Travis Kalanick Streitlustig, stur – und irre erfolgreich

Der Transportservice Uber hat sich zu einer globalen Marke entwickelt. Wie wurde aus einem Hobby eines der erfolgreichsten und meistgehassten Unternehmen der Welt? Nicht zuletzt durch den Ehrgeiz von Travis Kalanick. Wie tickt der Uber-CEO?

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Streitbarer Charakter: Uber-Gründer Travis Kalanick Quelle: REUTERS

Als Uber-Mitgründer Garret Camp seinem Kumpel Travis Kalanick 2009 vorschlug, aus ihrem Hobby ein richtiges Unternehmen zu machen, sagte Kalanick Nein. Uber nutzten er und seine Freunde bis dahin nur als privaten Limousinenservice. Für Kalanick war das Unternehmen „verrückt klein". Dort Energie hinein zu stecken, schien ihm nicht lohnend.

Sechs Jahre später gehört Uber, das Fahrten in Privatfahrzeugen, Taxis und Limousinen per Handyapp vermittelt, zu den am schnellsten wachsenden Start-ups der Welt. Über eine Million Fahrer befördern Gäste in 330 Städten und 60 Ländern von A nach B. Laut Informationen des "Wall Street Journals" liegt der Wert des Unternehmens aktuell bei 51 Milliarden US-Dollar. Das entspricht dem Börsenwert des US-Automobilkonzerns General Motors.

Wer verstehen will, warum Uber wie Unkraut wächst - und in vielen Kreisen auch ähnlich beliebt ist - muss mehr über seinen Gründer und Vorstandsvorsitzenden Travis Kalanick erfahren.

Warum Uber so umstritten ist

Mit 21 brach Kalanick sein Studium ab

Das hat der Journalist Max Chafkin versucht, der nach eigener Aussage fünf Monate damit verbrachte, Kalanick, dessen Investoren, Mitarbeiter, Partner und Freunde zu interviewen. Im US-amerikanischen Tech-Magazin "Fast Company" ist nun sein ausführliches Portrait erschienen. Es zeigt einen rastlosen Mann, den ein Freund als „unglaublich aggressive Persönlichkeit“ beschreibt.

Vielleicht rührt diese Wahrnehmung daher, dass der 39-Jährige bereits früh lernen musste, zu kämpfen und sich durchzubeißen.

Mit 21 Jahren brach Kalanick kurz vor dem Abschluss sein Studium als Softwareentwickler an der University of California in Los Angeles ab. Er wollte lieber das Unternehmen Scour mitgründen, einen Vorgänger der Musiktauschbörse Napster. Damit handelte er sich Ärger ein. Auf das Portal, das neben Musik auch Bilder kostenlos im Netz anbot, hagelten bald Klagen aller großen Plattenfirmen und Filmstudios nieder. Kalanick machte weiter, bis sich ein Hauptinvestor aus dem Unternehmen zurückzog.

Statt aufzuhören, rächte sich Kalanick auf seine Weise. Er wandelte Scour in die Softwarelösung RedSwoosh um. Sie sollte es Medienunternehmen erleichtern, große Videodateien online zu stellen. Aus seinen Klägern wollte Kalanick so Kunden machen.

Das klingt verwegen - und war es auch. Der Plan scheiterte. 2005 hatte ihn sein letzter Mitarbeiter verlassen. Kalanick musste zu seinen Eltern ziehen und stand kurz vor der Pleite, schreibt Chafkin. Aber Kalanick gab nicht auf, zog in der Krise einen Investor an Land und verkaufte die Firma einem Mitbewerber schließlich für 23 Millionen US-Dollar.

Kalanick hat in der Zeit erfahren, was es bedeutet, allein zu sein. Der Mann, der sich immer noch gern als Underdog stilisiert, hat sich ein dickes Fell zugelegt.

Das braucht er auch als CEO eines Unternehmens, das sich schnell zum Feindbild aller Taxiunternehmen hochgearbeitet hat. Denen schnappt Uber die Kunden zu Dumpingpreisen weg – ohne sich an Personenbeförderungsgesetze zu halten, so lautet ein Hauptvorwurf. Prozesse, Strafzahlungen und Proteste wütender Taxifahrer sind an der Tagesordnung, seit Uber wie ein Unwetter über den Transportmarkt fegt.

"Ein Arschloch namens Taxi"

Kalanick kann man vieles zuschreiben, aber sicher nicht, ein Diplomat zu sein. Es gefalle ihm, sagt er, Leute zu verärgern. "Ein Arschloch namens Taxi" nennt er seine Gegner. Und über seine Wettbewerber sagt er „wenn ihr schlaft, trete ich euch in den Arsch“.

Die einen sehen in Kalanick einen skrupellosen Turbokapitalisten und in Uber eine ethisch zweifelhafte Firma.

Die anderen, meist Investoren oder Techunternehmen aus dem Silicon Valley, feiern ihn als Helden. Für sie mache Uber im Prinzip nichts anderes als Google, Facebook, Amazon oder Airbnb: klassische Geschäftsfelder zerstören. Eine größere Auszeichnung kann es für einen Unternehmer kaum geben.

Libertärer, Businesspunk, Größenwahnsinniger – Kalanick haften viele Etiketten an. Freunde sagen, Kalanick sei kein Mensch, der bestimmten Überzeugungen anhänge, kein Ideologe. Allerdings habe er ein Schwäche dafür, Konventionen zu zerstören, sich mit Autoritäten anzulegen. „Travis blüht richtig auf, wenn er eine Norm unterwandern kann“, meint ein langjähriger Wegbegleiter. Er liebt Streit.

Auch von seinen Mitarbeitern fordert er, unbequem zu sein. Sie sollen widersprechen und sich nur ihren Ideen gegenüber loyal verhalten. Anderen dürfen sie ruhig auf die Füße steigen, um sich Gehör zu verschaffen.

Niedrige Preise, viele Fahrten, kurze Wartezeiten

Ist Kalanick von etwas überzeugt, durchbricht er Mauern. „Du kannst Dir nicht aussuchen, in wen Du dich verliebst“. So erklärt Kalanick, weshalb er seine Firma RedSwoosh nicht aufgegeben hat, ehe er sie an einen finanzstarken Bräutigam übergab. Das gilt auch für junge Unternehmer, die Kalanick für ihre Geschäftsideen begeistern konnten. Ihnen stößt er alle Türen auf. Längst ist seine Leidenschaft auch für Uber entflammt.

In einer Strategiesitzung im Jahr 2010, die bis weit nach Mitternacht ging, erkannte Kalanick, dass aus dem „verrückt kleinen“ Uber ein Riese werden könnte. Damals wurde ihm klar, dass die Firma im hochpreisigen Limousinenmarkt keine Sprünge machen würde. Niedrige Preise, viele Fahrten, kurze Wartezeiten, nur so würde Uber skalieren können. Kalanick hat sich für die richtige Formel entschieden.

Jetzt will er absahnen. In den bevölkerungsreichen Ländern Indien und China will er sich mit seinem Transportservice als nächstes austoben. Allein in China leben 800 Millionen Menschen in Städten – ein gigantischer Abenteuerspielplatz für Kalanick. 1,2 Milliarden Dollar an frischem Kapital haben die Kalifornier dafür eingesammelt. Außerdem experimentiert das Unternehmen mit autonom fahrenden Autos. Ohne Fahrer könnte Uber noch mehr Kosten einsparen - und sich viele neue Feinde machen. Das dürfte Kalanick gute Laune machen.

Es heißt, Hunde ähneln ihren Besitzern. Das lässt sich auch über Unternehmer und ihre Firmen sagen. Besonders gilt das für Travis Kalanick und sein Geschöpf Uber. Mit der Firma gelingt ihm das, was er liebt: Konventionen, in dem Fall Vorstellungen davon, wie Mobilität auszusehen hat, gegen den Strich zu bürsten. Ohne Rücksicht auf Verluste. Er ist damit erbarmungslos erfolgreich. Wahrscheinlich weil er sich nicht darum schert, ob ihm ganze Industriezweige und Behörden die Pest an den Hals wünschen.

Unternehmer zu sein, bedeutet für Kalanick immer auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. "Wenn Du dann gewinnst", zitiert ihn Max Chafkin, "hast du gewonnen. Oder?“

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