Google hat ein Problem. Lange schien es, das Problem sei Facebook, tatsächlich ist das soziale Netzwerk zu einem ernsthaften Rivalen gereift. Doch das eigentliche Problem ist Googles Reaktion auf Facebooks Aufstieg.
Im Duell mit dem sozialen Netzwerk versucht Google-Chef Larry Page sein Unternehmen mit aller Macht „sozial“ zu machen. Erst startete er das Netzwerk Google+ und hat dabei einiges richtig gemacht, doch mit Facebook kann es noch lange nicht mithalten. Um Google+ mehr Schub zu verleihen, wurde es nun massiv in die eigentliche Suchfunktion integriert. Die Strategie ist jedoch hochriskant, denn Google setzt damit seine Kernkompetenz aufs Spiel.
"Google verkauft seine Seele"
Googles Erfolgsgeheimnis war bislang die Qualität seines Dienstes, die Suchmaschine ist simpel, funktional, schnell und liefert die gefühlt besten Ergebnisse. Doch um sein eigenes soziales Netzwerk zu pushen, riskiert Google nun eine deutliche Verschlechterung seines wichtigsten Produkts. Dieser Schritt ist extrem gefährlich für das Unternehmen, denn Google erzielt immer noch den Großteil seiner Einnahmen aus der Suchmaschinenwerbung.
Eigentlich muss sich Google-Chef Larry Page dabei gar nicht zu sehr sorgen, noch ist der Vorsprung deutlich, wie die Präsentation der Zahlen am Donnerstag wieder zeigte: Erstmals nahm Google in einem Quartal mehr als zehn Milliarden Dollar ein. Bei Facebook sind es im Gesamtjahr gerade einmal 4,3 Milliarden Dollar. Auch wenn Analysten noch mehr erwartet hatten, ist Googles Polster derzeit noch beträchtlich: Selbst 2013 wird bei Facebook mit 8,1 Milliarden ein Jahresumsatz erwartet, der deutlich unter den jetzigen Quartalseinnahmen von Google liegt.
Doch mit diesem plumpen Versuch, Facebook auf dessen Terrain zu schwächen, setzt Google seine eigene Stärke aufs Spiel. Google verkaufe seine Seele, um Facebook zu schlagen, schreibt der US-Suchmaschinenexperte John Battelle.
Google ändert seinen Suchalgorithmus radikal
Was ist genau passiert? Google hat mit der Umstellung der Suchfunktion die radikalste Änderung vorgenommen, seitdem die Suchmaschine 1998 ins Netz ging: Google zeigt bei Anfragen nun so genannte „persönliche Ergebnisse“ an, in der Regel Profile aus seinem Netzwerk Google+ oder Beiträge die von den eigenen Kontakten dort gepostet wurden. „Die Suche wird besser, wenn Deine Welt miteinbezogen wird”, erklärt Googles Suchmaschinenchef Amit Singhal euphorisch. Doch die Realität sieht leider anders aus. Denn die Änderung des Suchalgorithmus führt dazu, dass oft nicht unbedingt die relevantesten Ergebnisse an prominenter Stelle angezeigt werden. Wer beispielsweise nach „Mark Zuckerberg“ sucht, bekommt nun als erstes das Google+-Profil des Facebook-Gründers angezeigt. Erst an fünfter Stelle kommt sein Facebook-Profil, noch nach einer Meldung darüber, dass Zuckerberg Google+ nicht mehr nutzt.
Google-Ergebnisse deutlich schlechter
Gänzlich unbrauchbar ist nun sogar eine der praktischsten Funktionen, die Google in der Vergangenheit eingeführt hat. Schon während Nutzer ein Suchwort eintippen, wird der Begriff automatisch vervollständigt und Google schlägt Kombinationen vor, nach denen häufig gesucht wird. Dieser „Instant“-Funktion gelang es oft erstaunlich gut, die eigene Anfrage vorwegzunehmen. Nun schlägt sie einem als erstes die eigenen Google+-Kontakte vor. Wer also „Chr..“ eintippt, um nach „Christian Wulff“ zu suchen, bekommt erst einmal die Profile aller Christians und Christophs angezeigt, die er sowieso schon kennt. Wer „Microsoft“ eingibt, wird von Google auf die Profile bekannter „Michaels“ gelenkt.
Abgesehen davon, dass Google damit inhaltlich völlig unbrauchbare Vorschläge liefert, ist auch die Grundidee hinter diesem Mechanismus falsch: Denn warum sollte man überhaupt nach den schon verknüpften Profilen seiner Freunde suchen?
Asoziales Ergebnis
Google versucht zwar seine Suche sozialer machen, das Ergebnis ist jedoch asozial.
Grundsätzlich ist die Einbeziehung „sozialer“ Ergebnisse ja durchaus richtig, doch durch die Fokussierung auf das eigene, derzeit vergleichsweise wenig genutzte Netzwerk werden Googles Resultate letztlich unsozialer. Dagegen fördert die nur scheinbar so kalte, mathematische Rechenmaschine bislang nur zu Tage, was die große Masse aller Internetnutzer durch Verlinkungen und andere soziale Aktivitäten für wichtig erachtet. Sozialer geht es eigentlich kaum.
„Google hat sich selbst kaputt gemacht”
Die Änderung des Algorithmus zeigt daher auch, wie stark Google selbst die Bedrohung durch Facebook empfindet. Das durch den anstehenden Börsengang von Zuckerbergs Netzwerk verfügbare Kapital wird das noch verstärken.
Das könnte sich rächen. Gerade einmal drei Tage nach Einführung des neuen Dienstes geriet Google ins Visier der US-Wettbewerbsbehörden, die nun schauen ob der Konzern mit der Änderung des Suchalgorithmus nicht seine Marktmacht missbrauche. Schon ziehen Beobachter Parallelen zu Microsofts Zwangsbeglückung seiner Kunden mit dem Internet Explorer, die einst zu einem Bußgeldverfahren durch die EU-Kommission führte.
Schlimmer als eine Geldstrafe wäre für Google jedoch eine Abwanderung der Nutzer. Noch hält sich deren Unmut in Grenzen, was auch daran liegt, dass die Änderung derzeit nur in der englischsprachigen Version und auch nur für alle, die bei Google+ angemeldet sind, wirksam wird.
Doch bekannte US-Technikjournalisten schimpfen schon lautstark. „Google hat sich selbst kaputt gemacht”, schreibt Matt Honan, Autor des populären IT-Blogs Gizmodo. Er habe daher die Standard-Suchmaschine in seinem Browser von Google auf Bing umgestellt.
Sollte sein Beispiel Schule machen, hat Google wirklich ein Problem.