Umstrittene Technik Nacktscanner sollen für Sicherheit sorgen

Körperscanner waren von Beginn an umstritten, kamen aber trotzdem an deutsche Flughäfen. Doch Sicherheitsforscher warnen: Die Geräte lassen sich leicht überlisten.

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Deutschlands unsicherste Flughäfen
Grundsätzlich erfüllen alle deutschen Flughäfen die Mindeststandards der Internationalen Luftfahrtbehörde ICAO. "Eine fortschrittliche Industrienation wie Deutschland sollte sich bei der Flugsicherheit aber nicht mit Mindestanforderungen begnügen, sondern moderne Standards berücksichtigen", erklärte die Vereinigung Cockpit (VC). Deshalb hat sie noch genauer hingesehen und eine Mängelliste der 30 deutschen Flughäfen erstellt. Quelle: dpa
Die Piloten wollen mit dem Vergleich die Sicherheitssituation kontinuierlich verbessern, wie die VC auf der Luftfahrtmesse ILA bekannt gab. VC-Sprecher Jörg Handwerg sprach einer Mitteilung zufolge von einer Erfolgsgeschichte. Auch im vergangenen Jahr seien wieder Mängel beseitigt worden, weitere Verbesserungen seien in Arbeit. Quelle: AP
Unter den mangelhaften Einrichtungen finden sich auffällig viele Regionalflughäfen, die von Billigfluggesellschaften angeflogen werden. "Wir kommen hier in ein Problem mit den Billigfluggesellschaften", sagte VC-Präsident Ilja Schulz. "Die können nicht die Preise zahlen, die die Flughäfen brauchen, um zu operieren." Die Konkurrenz gerade unter den kleineren Airports sei zu groß. "Deutschland hat zu viele Kleinflughäfen", sagte Schulz. "Da muss etwas passieren, ansonsten sehe ich da relativ schwarz". Quelle: dpa
Die meisten Flugunfälle ereigneten sich während Start und Landung. Ein Problem, das die Vereinigung Cockpit in Memmingen, Lübeck und Zweibrücken bemängelte, ist der fehlende Rollweg parallel zur Startbahn. Ohne diesen müssten die Flugzeuge jedoch über die Start- und Landebahn selbst zum Abflug anrollen, kritisierte die Pilotengewerkschaft. Dies könne durchaus zu Konflikten mit landenden Flugzeugen führen. Quelle: dapd
Der Regionalflughafen in Memmingen weist laut der VC-Studiedie meisten Sicherheitsmängel aller deutschen Airports auf. Dem Flughafen fehle unter anderem eine Mittellinienbefeuerung der Startbahn, an der sich der Pilot orientieren könne, erklärte die Pilotengewerkschaft auf der Internationalen Luftfahrt-Ausstellung ILA in Berlin. Außerdem sei die Bahn deutlich schmaler, als sie sein sollte. Quelle: Presse
Neben Memmingen bemängelte die Pilotengewerkschaft auch die Flughäfen in Zweibrücken, Lübeck, Friedrichshafen und Weeze am Niederrhein. Als besonderes Risiko sieht die VC Rangiermanöver auf der Startbahn, weil parallele Rollwege zu jedem Bahnkopf fehlen oder nicht nutzbar sind. Das sei in Lübeck, Memmingen und Zweibrücken der Fall und führt automatisch zu einem „Mangelstern“. Häufig wurden auch verkürzte Anflugbefeuerung, fehlende oder schlecht einsehbare Windsäcke sowie fehlende Leuchten auf den Rollwegen oder in der Landezone kritisiert. Quelle: Presse
Beim erstmals getesteten Flughafen Kassel-Calden wurden fehlende Lichter in der Landezone bemängelt. Quelle: dpa

Körperscanner sollen genauer und schneller sein als bisherige Sicherheitskontrollen. Eine Zeit lang verschrien als „Nacktscanner“, gehören sie an immer mehr deutschen Flughafen zur Ausstattung der Bundespolizei. Bis November 2014 waren sie nur zusätzlich zu den üblichen Sicherheitskontrollen und nur bei Verbindungen in die USA und Israel im Einsatz. Die Flughäfen: Berlin-Schönefeld, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, München und Stuttgart.

Seit November werden sie in Köln/Bonn und Düsseldorf aber auch für die allgemeinen Luftsicherheitskontrollen benutzt. In Stuttgart begann die Bundespolizei damit im Dezember, in diesem Jahr sollen es nach und nach mehr werden, heißt es beim Bundespolizeipräsidium.

Bundespolizei verspricht sich mehr Sicherheit

Im November 2011 hatte eine EU-Verordnung die Körperscanner erstmals möglich gemacht. Wer sie nicht benutzen möchte, muss es nicht: Die Kontrolle ist freiwillig. Lehnt ein Passagier sie ab, wird er wie bisher normal kontrolliert.

Im Vergleich zu den normalen Metalldetektoren können die Körperscanner auch Flüssigkeiten, Pulver und andere potenziell gefährlichen Gegenstände aufspüren, die kein Metall enthalten. Zwei Typen des US-Herstellers L3 Communications werden in Deutschland eingesetzt: der Provision ATD und der Provision 2. Die Scanner bestehen aus Einzel-Kabinen, in die sich immer ein Passagier hineinstellen und die Arme heben muss.

5 Fakten zu Körperscannern in Deutschland

Die Bundespolizei erhofft sich vor allem mehr Sicherheit. Bei normalen Flughafen-Kontrollen übersieht das Personal schon mal etwas. Erst im Dezember war bekannt geworden, dass die EU-Kommission bei verdeckten Kontrollen an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt auf erhebliche Sicherheitsrisiken gestoßen war.

Das sollen die Körperscanner besser machen. „Die Kontrolle mit Körperscannern stellt einen deutlichen Sicherheitsgewinn dar, da sie auch nicht-metallische Gegenstände detektieren“, heißt es in einem Bericht des Bundesinnenministeriums. Aber trotz der Vorteile hatten die Sicherheitsgeräte zahlreiche Kritiker.

Die beschwerten sich bislang vor allem auf zwei Ebenen: Zum einen stellten Kritiker das Gesundheitsrisiko für Passagiere durch die Strahlungen zur Diskussion; zum anderen mischten Datenschützer und Ethiker mit. In den Kontrollmonitoren war einfach viel zu viel zu erkennen – „Nacktscanner“ eben.

Der Provision 2 des des US-Herstellers L3 Communications ist einer von zwei Körperscanner-Typen, die in Deutschland eingesetzt werden. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: dpa

Die nun eingesetzten Geräte sollen diese Zweifel ausräumen können: Sie arbeiten mit einer Millimeterwellentechnologie, die für Menschen gesundheitlich unbedenklich sein soll. Außerdem zeigt die Software, die in Deutschland zum Einsatz kommt, lediglich Piktogramme und nicht das Körperbild des kontrollierten Passagiers – quasi typisierte Strichmännchen. Gespeichert wird nichts.

Gibt es allerdings Auffälligkeiten, markiert der Kontrollmonitor die betroffenen Bereiche farblich. Zweifel scheinen also ausgeräumt. Das zeigt auch das Ergebnis einer Umfrage des Statistik-Portals Statista von 2014: Demnach sind 65 Prozent der Befragten in Deutschland, die selber noch nie ein solches Gerät genutzt haben, für den Einsatz von Körperscannern. Unter denjenigen, die schon einmal in einer solchen Kabine standen, sind es sogar 77 Prozent. Lediglich 13 Prozent (ohne Erfahrung) und acht Prozent (mit Erfahrung) lehnen die Sicherheitsgeräte ab.

Schweißflecken lösten Fehlalarme aus

Bringen die Körperscanner allerdings so viel mehr Sicherheit, wie sie versprechen? Zu Recht bemängelten Kritiker die vielen Fehlalarme, die vor allem in der Testphase auftraten. Schon Schweißflecken oder Falten in der Kleidung lösten Alarme aus. Die will der Hersteller L3 Communications mittlerweile ausgebessert haben.

Eine andere mögliche Problematik stellte vor Kurzem ein US-Forschungsteam zur Diskussion: Die Wissenschaftler prüften ein System, das jahrelang an US-amerikanischen Flughäfen im Einsatz war. Den Rapiscan Secure 1000 Scanner mussten von 2009 bis 2013 zahlreiche Passagiere nutzen, bevor sie in den Staaten einen Flieger besteigen durften.

In Labortests untersuchten die Wissenschaftler, ob es möglich ist, dass Feuerwaffen oder explosive Stoffe auch im Scanner unsichtbar bleiben. Das Ergebnis: Mit einigen Kniffen schafften sie es tatsächlich, dass die ausgeklügelte Software den gefährlichen Zubehör am Körper „übersah“.

Mehr noch: Mithilfe eines Hackerprogramms konnten sie das Programm so umschreiben, dass es sogar saubere Bilder zeigte, obwohl verbotene Gegenstände sichtbar gewesen wären. „Wir waren geschockt, als wir das herausfanden“, sagt Alex Halderman, Professor für Computerwissenschaften an der Universität von Michigan. „Ein kluger Angreifer kann mit überraschend einfacher Technologie Gegenstände durch diese Maschinen schmuggeln.“

Cybersicherheit auch bei Scannern entscheidend

Für Gerhard Holl, Leiter des Instituts für Detektionstechnologien (IDT) an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, ist das Ergebnis weniger überraschend: „Wenn Sie durch die Vernetzung und M2M-Kommunikation über Netzwerke in die Sicherheits-Architekturen und damit in die Datenverarbeitung eindringen können, dann können Sie überall großen Schaden anrichten.“ Das sei vollkommen unabhängig von den Geräten.

„Das ist eine Frage der Cybersicherheit und eine sehr ernstzunehmende Sache“, so Holl. Diese müsste noch in einem ganz anderen Rahmen diskutiert werden. Nur wenn sichergestellt sei, dass Detektionssysteme nicht von außen manipuliert werden können, dürfe diese Technik eingesetzt werden. „Wenn die Mustererkennung einer Bedrohung anders eingestellt wird, dann ist Technologie eigentlich wirkungslos.“

Hovav Shacham, Professor für Computerwissenschaften an der University of California San Diego (UCSD), vor dem

Offenbar nahmen die Systemdesigner an, dass Angreifer keinen Zugang zu einem Secure 1000 bekommen könnten. Weit gefehlt. Denn genau das gelang den Forschern ohne weitere Probleme. Sie kaufen den Scanner über den Online-Händler eBay – aus der Ausschlussware der US-Regierung.

Eine Forderung des Forschungsteams: Öffentliche Tests von Nacktscannern. Bisher werden die Sicherheitssysteme im Geheimen getestet – unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne unabhängige Experten. Zumindest im Fall des Secure 1000 habe diese Heimlichtuerei keinen besonderen Schutz bieten können, so die Wissenschaftler.

Gründliche Überprüfungen notwendig

In Deutschland eingesetzte Geräte würden von den Behörden ausgiebig geprüft, so Holl. „Eigentlich wird Technik immer ausgeschrieben, sodass das beste Gerät auf dem Weltmarkt zum bestmöglichen Preis eingekauft und eingesetzt wird.“ Damit gehe eine Zertifizierung und Prüfung durch entsprechende Behörden einher. „Dadurch muss eigentlich klargestellt sein, dass die gewünschte Leistung auch erbracht werden kann.“

Eine öffentliche Bekanntmachung systemrelevanter Daten stünde eher dem Sicherheitsaspekt, so Holl: „Technik, die man klar einschätzen kann, kann natürlich auch umgangen werden.“

2013 hatte die US-Regierung die Secure 1000 Scanner von den Flughäfen abgezogen, allerdings weil es Kritik in Sachen Privatsphäre gab – nicht in Sachen Sicherheit. Heute werden sie in Gefängnissen, Gerichten und Regierungsbehörden genutzt.

Das Wissenschaftsteam aus den USA bietet mit seinen Ergebnissen einige Verbesserungsvorschläge, die die Blindheit des Scanners reduzieren, aber nicht ausschließen kann. „Bei jedem der auf ein Prüfverfahren zurückgreift, das auf derartigen Maschinen basiert, muss damit rechnen, dass es nur begrenzt sicher ist“, so die klaren Worte Shachams.

Der Weg der Körperscanners an deutschen Flughäfen ist geebnet. Quelle: AP

„Das, was zukünftig an Technik eingesetzt wird, hängt auch immer von der Bedrohungslage ab“, sagt Holl. „Ändert sich die Gefahrensituation in Deutschland, so wird man noch mehr in die Abläufe eingreifen müssen und noch mehr kontrollieren.“ Und dazu dürfte die Expansion von Körperscannern an Flughäfen der Bundesrepublik zählen.

Auch das Bundespolizeipräsidium begründet den Einsatz der Körperscanner mit einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis: „Körperscanner nutzen innovative Technologien zur Kontrolle von Passagieren und bilden damit einen großen Fortschritt im Bereich der Sicherheitstechnik.“

Unendliche Bedrohung

Die Erforschung neuer Sicherheitstechnologien zielt derzeit insbesondere auf die Sensorik ab – mit deren Hilfe sollen Gefahren immer leichter sichtbar gemacht werden. Das Ziel, an dem die Sicherheit perfekt gewährleistet ist, wird ohnehin nie erreicht sein, denn so wie sich Sicherheitstechnik weiterentwickelt, entwickeln sich schließlich auch Gefahren weiter. „Die Möglichkeit eine Bedrohung zu erzeugen ist unendlich“, sagt auch Holl.

„Die Bundespolizei prüft stets effiziente technische Lösungen. Eine solche stellt auch der Körperscanner dar“, so das Bundespolizeipräsidium. Das Bundesinnenministerium soll in seinen Planungen sogar schon einen Schritt weiter sein: Unter anderem mit deutschen Ingenieuren werde derzeit ein neuer Scanner entwickelt, durch den Passagiere nur noch durchlaufen müssen – vergleichbar mit den heute alltäglichen Metalldetektoren.

Im Institut für Detektionstechnologien an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg forschen Holl und sein Team mit „lebenden Sensoren“ – sprich Hunden – und an intelligenten Lasersystemen, mit deren Hilfe versteckte Gefahren in Objekten besser erkannt werde sollen. Zukunftsmusik in der Sicherheitstechnik.

Jetzt müssen sich erst einmal die aktuellen Scanner im Praxistest beweisen. Ob sie die technischen Sicherheitserwartungen erfüllen, kann am Ende nur der Härtefall – oder ein externes Forschungsteam – beweisen.

Eines ist klar: Der Weg der Körperscanners an deutschen Flughäfen ist geebnet. Datenschutz und Ethik werden gewahrt und sind keine Hindernisse mehr. Einzig der Sicherheitsaspekt kann weiter hinterfragt werden. Doch sie ist letztendlich eine Frage der Technik – vor allem der des Angreifers.

Mit Material von dpa

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