Valley Talk Der Freemium-Pionier

Ein Mittelständler aus Deutschland macht im Silicon Valley mit dem Verschenken von Software Furore.

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Tjark Auerbach

Freemium, dieses Wortspiel aus „frei“ und „premium“, darf aktuell in keiner Präsentation eines Internet-Startups im Silicon Valley fehlen. Es beschreibt die Strategie, zunächst mit Gratis-Dienstleistungen auf sich und sein Produkt aufmerksam zu machen und so viele Nutzer wie möglich zu ködern.

Die sollen sich dann, im zweiten Schritt, für den Umstieg auf eine mit noch mehr Funktionen ausgestattete Bezahlvariante des Gratis-Dienstes begeistern. Ob das langfristig funktioniert, ist umstritten. Denn die Gefahr ist groß, dass die Kunden mit der Basisversion vollauf zufrieden sind.

Bei einem bodenständigen Software-Mittelständler aus dem Schwäbischen allerdings funktioniert das Konzept prächtig: Tjark Auerbach, Gründer und Chef des IT-Sicherheitsanbieters Avira aus Tettnang am Bodensee, ist einer der größten Anbieter von Freemium-Software. Auf rund 150 Millionen Computern weltweit läuft seine Virenschutzsoftware. In Deutschland ist Avira nach eigenen Angaben bereits auf 80 Prozent aller PCs installiert. Das stärkste Wachstum aber kommt derzeit aus Asien und Nordamerika.

Dort hat Auerbach jetzt einen zehn Millionen Dollar schweren Fonds namens Freemium aufgelegt und jüngst gemeinsam mit seinem Technologiechef Sascha Beyer im Silicon Valley präsentiert. Seine Idee: Er will sich an interessanten Startups beteiligen, um deren innovative Software und Online-Angebote dann den Abermillionen von existierenden Avira-Nutzern zu offerieren. Ähnlich wie der Online-Händler Amazon.com anderen Internet-Händlern seine Web-Seite und Infrastruktur gegen Zahlung einer Umsatzprovision zur Verfügung stellt.

Dabei ist der eher barock wirkende und in den USA bisher völlig unbekannte Auerbach, der sich als konservativ-fortschrittlich bezeichnet, alles andere als ein Hasardeur. Geld verdient Avira mit Virenschutz für Unternehmen sowie – natürlich – Premiumvarianten der Sicherheitsprogramme für Privatnutzer, die bei Jahresnutzungsgebühren ab 20 Euro starten.

Wie viele der Gratisnutzer genau auf die kostenpflichtige Software umsteigen, will Auerbach nicht verraten. Die Zahl liege unter sieben Prozent. Reicht aber für ein mehr als auskömmliches Wachstum. Im vergangenen Jahr hat sein Unternehmen die Umsatzmarke von 50 Millionen Euro geknackt.

Geistesblitz beim Bier

Dabei hat Auerbach selbst über Jahre konsequent auf Fremdkapital verzichtet. Erst nach langem Überlegen hat er 2010 einen Kredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufgenommen, um die Firmenzentrale zu erweitern. Denn die Zahl seiner Mitarbeiter, die Anfang 2000 noch bei 20 lag, wird in diesem Jahr auf über 500 steigen. „Ich könnte behaupten, dass dies alles von langer Hand geplant war“, sagt der Schwabe und lacht. Tatsächlich entstand die Idee am Rande der Computermesse Cebit 1999 beim Bierabend. Auerbach grübelte mit seinen Mitarbeitern, wie sie Avira populärer machen könnten. Das Unternehmen konzentrierte sich damals ausschließlich auf Geschäftskunden.

Das Kalkül war, die Marke über Privatnutzer bekannt zu machen und so mehr Akzeptanz bei Geschäftskunden zu erzeugen. Mit einer Probeversion würde man nicht auffallen. Alle Wettbewerber hatten so was schon. Also schlug ein Mitarbeiter vor, einfach für Privatnutzer eine völlig kostenlose Variante anzubieten. An eine Premiumvariante für Privatnutzer habe zunächst niemand gedacht. Die folgte 2004, als immer mehr Nutzer forderten, doch eine Version mit mehr Funktionen anzubieten, erzählt Auerbach schmunzelnd. „Der Markt hat sie uns förmlich aufgedrängt.“

So wie jetzt den Gang in die USA. Vor wenigen Tagen eröffnete Avira eine Zweigstelle in San Francisco. Die Nutzer sind schon da. Die USA sind nach Deutschland der zweitgrößte Markt. Und wie einst die Cebit-Bierabend-Idee das Deutschland-Geschäft befeuerte, soll die Idee mit dem Freemium-Fonds nun Avira in den USA zu noch größerer Bekanntheit verhelfen. Im Silicon Valley hat das schon geklappt.

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