Videospiele Champagner im Rechnerraum

Seite 2/3

Liebe zu schnellen Autos

Steuerkonsole Gran Turismo Quelle: Robert Gilhooly für WirtschaftsWoche

Megaseller wie seine Gran-Turismo-Simulation sind komplexe, durchkomponierte Werke, die die Realität immer genauer abbilden. Umgerechnet 60 Millionen Dollar hat die Entwicklung von Gran Turismo 5 verschlungen. Das entspricht dem Budget vieler Hollywood-Streifen. Fünf Jahre lang feilten 150 Polyphony-Entwickler und -Ingenieure in Tokio an der jüngsten Auflage der Rennsimulation. Getrieben vom fast schon fanatischen Drang Yamauchis, eine perfekte digitale Kopie der Rennsportwelt zu erschaffen. Dass er dabei Kompromisse eingehen musste, schmerzt den Star-Regisseur: „Bei der Planung habe ich Hunderte Ideen, aber verwirklichen können wir leider nur einen Bruchteil.“

Das perfekte virtuelle Autorennen zu schaffen ist das Projekt seines Lebens. Schon die Arbeit an der ersten Version von Gran Turismo für Sonys Playstation dauerte fünf Jahre. Anregungen holte sich Yamauchi damals bei illegalen Rennen auf Tokioter Autobahnen. „Wir rasten nach Mitternacht die 80 Kilometer zum Berg Fuji und zurück“, erinnert sich der 44-Jährige, der am liebsten Jeans und T-Shirt trägt.

Das gefährliche Hobby hat er eingestellt. Schnelle Autos liebt er weiterhin. Neben einem Mercedes SL 55 AMG fährt er unter anderem einen Porsche 911 GT3. Geld hat Yamauchi genug, seit Sony sein GT-Entwicklungsteam 1998 kaufte und ihn zum Vizepräsident der Spielesparte ernannte.

Der Mann mit dem jungenhaften Kurzhaarschnitt akzeptiert keine Schludrigkeiten. Ganz wie Hollywoods berüchtigte Regiegrößen lässt er sein Team so lange antreten, bis jedes Detail stimmt, jeder Kameraschwenk sitzt und jeder Lichteffekt auf den Karossen an exakt der richtigen Stelle aufblitzt. Seine Mitarbeiter bewundern diese Akribie. Und sie akzeptieren seine Rolle als unumschränkter Herrscher. „Er entscheidet alles“, sagt einer.

Es ist kein Zufall, dass Yamauchis ganze Leidenschaft den Rennspielen gehört. Schon als Kleinkind interessierte er sich für alles, was vier Räder hat, erzählen seine Eltern. Als Schüler erkannte er jedes Automodell auf den ersten Blick. Kaum kamen vor rund 30 Jahren die ersten Computer auf den Markt, entwickelte Yamauchi mit „Motor Toon“ sein erstes Rennspiel. Die Autos bestanden damals aus wenigen Pixeln.

Spiel mit der Realität

Mit den heutigen Spielen hat dieser Vorläufer nichts mehr gemein. Die gewaltigen Fortschritte in der Computertechnologie ermöglichen einst unvorstellbare virtuelle Rennerlebnisse. Die Autos rasen durch dreidimensionale Abbildungen bekannter Rennstrecken, der Spieler kann dabei wechselnde Perspektiven einnehmen. Damit die Simulationen echt wirken, schickt Yamauchi seine Teams manchmal Monate zu den Rennstrecken. Allein um den Nürburgring elektronisch nachbauen zu können, schossen die Spieledesigner 100 000 hochaufgelöste Fotos – von der Zuschauertribüne, den Reifenstapeln, ja sogar von den Fan-Graffiti auf dem Asphalt.

Mehr noch: Damit Spiel und Realität wirklich verschmelzen können, haben die Programmierer selbst den Neigungswinkel der Kurven und Geraden vermessen. So kann die Software sogar nachstellen, wie das Wasser nach einem Schauer abläuft. Genauso akribisch dokumentieren die Softwareingenieure das Innere der mehr als 1000 im Spiel verfügbaren Fahrzeugtypen – vom Formel-1-Boliden bis zum VW-Kübelwagen. Auch Fahrzeuge mit Hybridmotor und sogar Elektroautos von Mitsubishi und Tesla gehören zur Modellpalette. Inklusive der Originalgeräusche, die diese Autos machen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%