Von Nullen und Einsen

Warten auf die Instant-Zukunft

Eigentlich sollten im Digitalzeitalter Medienprodukte immer dann bereitstehen, wenn der Kunde sie kaufen will. Leider ist das aber noch längst nicht so, weil viele Medienkonzerne an antiquierten Auswertungsfenstern und Marketingstrategien festhalten. Am Ende lachen nur die Raubkopierer.

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Ben Schwan

Neulich habe ich mal wieder eine neue kleine Band für mich entdeckt, die zauberhafte Musik spielt. Die Affäre begann ganz bescheiden: Ich las eine Kritik ihrer neuen Platte auf einem großen deutschen Nachrichtenportal, das praktischerweise auch noch Hörproben angehängt hatte. Nach einer kurzen Listening-Session war mir klar: Das Album musst Du jetzt unbedingt haben - was ja auch in Zeiten großer Online-Musikläden eigentlich keinerlei Problem mehr darstellen sollte.

Die Verschwörung der Musikindustrie

Doch weit gefehlt: Offensichtlich hatte sich die Plattenfirma mit den Internet-Händlern gegen mich verschworen. Bei iTunes gab's das Album merkwürdigerweise in der von mir gewünschten Langfassung nicht, also versuchte ich es im durchaus empfehlenswerten Amazon MP3-Laden, der seit einigen Monaten auch in Deutschland bereitsteht und Apple dank guter Usability mächtig Konkurrenz macht. Pustekuchen: Die Platte war zwar bereits angekündigt, doch der tatsächliche Kauf sollte erst in zwei Tagen möglich sein.

Als recherchefreudiger Mensch suchte ich schließlich die Website der Plattenfirma meiner neuen Lieblingsband auf - unter der Annahme, dass das hippe Indielabel doch womöglich einen eigenen MP3-Laden hätte. Hatte es auch - und die Platte war erstaunlicherweise für 10 Pfund (statt 10 Euro) sogar schon heute zu haben, keine Ahnung also, warum Amazon weitere zwei Tage warten wollte. Allerdings machte der Shop des Labels mit seiner ausführlichen Datenerhebung bis auf das Geburtsdatum einen etwas unschönen Eindruck - genauso wie mir der Kartenzahlungsprovider merkwürdig vorkam. Also entschied ich mich im Sinne der neuen EU-Bankenverordnung gegen den Spontankauf und wartete lieber noch zwei Tage, bis ich das Werk bei Amazon haben konnte und es mir dann eben das Wochenende versüßte.

Aus Frust zur Tauschbörse

Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Wäre ich ein weniger geduldiger Kunde und beispielsweise ein Schüler mit wenig Taschengeld und ohne Kreditkarte gewesen, wäre die Situation vermutlich schon aus reinem Frust in einer illegale Tauschbörse geendet, weil a) der Kauf insgesamt zu problematisch und b) eben nicht das von mir gewünschte Produkt in der gewünschten Fassung in einem der großen Angebote stand. (Bei Pirate Bay und Co. war das Werk natürlich schon seit zwei Wochen gelistet, ich will nicht darüber spekulieren, wer es eingestellt hatte.)

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