Zukunft der Medien Unkreative Zerstörung in der Medienbranche

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Big Data

Ein Szenario, das verdeutlichen kann, was ich meine, nimmt Anleihen an der Revolution des Handels durch Amazon. Bald will Amazon einen nächsten Schritt gehen. Der Konzern hält ein Patent auf „Anticipatory Shipping“, mit dem er den Internethandel ein weiteres Mal revolutionieren könnte. Danach wird Amazon die Waren künftig auf die Reise zum Kunden schicken, bevor dieser überhaupt bestellt hat. Predictive Analytics auf Basis von Big Data Analytics erlauben es dem Konzern, aus vergangenem Verhalten des Nutzers abzuleiten, was er künftig wollen und bestellen wird.

Was hat das nun mit Medien zu tun? Ganz einfach: Wo sich Waren vorausschauend liefern lassen, da geht das ganz sicher auch mit Informationen. Big Data weiß dann schon, was ich gleich lesen will, bevor ich selbst das weiß. „Anticipatory Information“ lautet dann die nächste digitale Disruption.

Umsätze der größten Medienkonzerne der Welt

Manch einer mag jetzt denken, das wäre die perfekte Informationsversorgung, und nach den Kriterien individueller Informationseffizienz mag das stimmen. Aber gedankliche Trägheit und das Verweilen in der eigenen Komfortzone haben auch Folgen. Nur wer sich Überraschendem, Unvorhersehbarem aussetzt und sich neuen Aufgaben in immer wieder anderen Zusammenhängen stellt, bleibt im Kopf vital. Auch deshalb brauchen wir die kreative Zerstörung: als Herausforderung und Notwendigkeit, beweglich zu bleiben im Kopf und uns etwas auszudenken, das nicht nur dem Gebot der Bequemlichkeit gehorcht, sondern die Welt ein Stück voranbringen kann.

Es gibt ja genug Beispiele dafür, dass es geht: Auf der US-Crowdfunding-Plattform Kickstarter werden Projekte möglich, die nach der beschriebenen Logik technologischer Entwicklung niemals möglich sein dürften. So ist es im vergangenen Jahr gelungen, mithilfe von mehr als 100.000 Spendern die US-Kinderserie „Reading Rainbow“ wiederzubeleben, die 26 Jahre im Fernsehen gelaufen war. Nur ein kleines Beispiel dafür, dass die Begeisterung für ein Ziel uns beweglich macht. Das brauchen wir wieder mehr: Engagement.

Wenn wir also nicht nur Ziel, sondern auch Treiber der digitalen Informationswirtschaft sein wollen, dann sollten wir nicht weiter zulassen, dass unser Gehirn mit Massenware überflutet wird, wie es derzeit in vielen digitalen Angeboten geschieht. Dann sollten wir unsere Ressourcen heben und uns die Technologien zunutze machen, die uns fordern und uns in dem stärken, was wir können: anders und anderes denken. Wir sollten dafür bereit sein, Risiken einzugehen – auch das Risiko des Scheiterns.

Unsere Haupteigenschaft ist, dass wir Mensch sind. Das ist nicht nur ein Gattungsbegriff, sondern bezeichnet auch eine Qualität. Für die Gestaltung unserer Medienzukunft wäre es gut, wenn wir kreative Zerstörung fördern würden, unter der Voraussetzung, dass der Mensch Teil der Gleichung bleibt. Alles andere wäre die weitreichendste Disruption, die wir uns vorstellen können: die des jahrtausendealten Geschäftsmodells der Humanität.

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