Zukunft der Medien Unkreative Zerstörung in der Medienbranche

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Gute Inhalte

Es kann gelingen, Quantität durch Qualität zu ersetzen. Schauen wir uns einmal das Beispiel Newsletter an: Ein längst totgesagtes Format ist wiederauferstanden, und zwar nach dem Motto „rise and shine“. Quartz Daily Brief, der tägliche Wirtschaftsnewsletter aus dem Hause Atlantic Media hat in recht kurzer Zeit 150.000 Abonnenten für seinen E-Mail-Service gewonnen und erzielt dabei nach eigenen Angaben eine Öffnungsrate von 42 Prozent. Die Website durchbrach bereits 2014 die Schallgrenze von zehn Millionen Unique Visitors im Monat. Die Nutzer kommen auf ein durchschnittliches Haushaltseinkommen von 100 000 Dollar. Eine Traumzielgruppe, kurz gesagt. Und was macht Quartz für die? Intelligente Inhalte, eigenrecherchiert und klug kuratiert, mit Neuigkeitswert und Inspiration, klar, ja fast schlicht aufbereitet. Entweder unter 500 oder über 800 Worte umfassen diese Texte, also kurz oder richtig lang. Das in deutschen Medien gerne genutzte Hauptformat der Standardmittellänge, die auch Spannendes mittelspannend macht, kommt nicht mehr vor. In jeder Ausgabe des Newsletters gibt es genau einen Platz für Sponsored Content, das war es. Keine Werbeflut, kein Banner-Geballer.

Es kann also sogar gelingen, Quantität der Zielgruppe und Qualität der Inhalte zu verbinden. Und darin liegt nicht weniger als das Überlebenselexier der Qualitätsmedien. Denn die Qualität von Inhalt und Werbung steht in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Wer gute Inhalte sucht, will werbemäßig nicht wie eine Dumpfbacke behandelt werden. Umgekehrt gilt das Gleiche.

Die Logik der Technokultur

Es wird Zeit, von der unkreativen auf die kreative Zerstörung zurückzukommen. Nicht nur weil viele Angebote im Web ein Angriff mit dem digitalen Presslufthammer auf unser Gehirn sind. Es geht auch darum, welche Rolle wir als Menschen eigentlich im digitalen Medienensemble der Zukunft spielen wollen. Oder ob wir überhaupt noch eine spielen sollen. Wie absurd sich die Dynamik der digitalen Kommunikation entwickelt hat, zeigt nämlich auch das Phänomen des „Non-Human Traffic“. Das „Wall Street Journal“ wies bereits im vergangenen Jahr darauf hin, dass mehr als ein Drittel der Werbeklicks nicht mehr von Menschen, sondern von Robotern stammen. Statt bessere Angebote zu machen, automatisieren wir die Reaktion auf schlechte Angebote.

Tim Wu von der Columbia University in New York hat kürzlich in einer kleinen Serie im „New Yorker“ sehr schön herausgearbeitet, warum unsere jetzigen Entscheidungen für Technologie über unsere Zukunft bestimmen könnten. Es ist der Unterschied zwischen kreativer und unkreativer Zerstörung – oder zugespitzt, der Unterschied zwischen kreativem Kochen und Kartoffelbrei aus der Tüte. Was meint Wu damit? Er meint, die Entscheidung für oder gegen anspruchsvolle Technologien bestimmt auch über die Zukunft des Menschen.

Die Logik der biologischen Verödung des Menschen greift, wenn wir zulassen, dass im Zuge der Digitalisierung Inspiration gegen Bequemlichkeit und Qualität gegen das schnelle Abschöpfen von Quantität ausgetauscht werden. Stattdessen sollten wir, so Tim Wu, auf anspruchsvolle Technologien setzen, die durch drei Voraussetzungen gekennzeichnet sind: (1) Sie brauchen Zeit, bis wir sie erlernt haben; (2) ihre Nutzung setzt Konzentration voraus; (3) und ihr Betrieb schließt ein Risiko des Scheiterns ein.

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