Zukunftsforschung Wo uns 2015 technisch hinführt

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Sektorvernetzung braucht noch einige Jahre

Gibt es denn Technologien, die noch Zeit brauchen, die Sie nicht in den nächsten zwei, drei sondern vielleicht sogar erst in zehn Jahren sehen?

Es gibt eine ganze Reihe sehr umfassender Technologien, die eher bis 2020 oder 2030 brauchen werden. So sind etwa bestimmte Beleuchtungstechnologien eher mittelfristig zu erwarten. Sobald man verschiedene Sektoren miteinander vernetzt, ist das immer eher mittel- bis langfristig aus meiner Sicht, da der Abstimmungsbedarf sehr hoch ist.
Denken wir zum Beispiel an das fahrerlose Auto: Das ist eine langfristige Entwicklung, weil sie – beispielsweise im haftungsrechtlichen Bereich – voraussetzungsstark ist und viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Außerdem müssen zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Sektoren Absprachen getroffen werden. Deshalb sehe ich diese Technologie eher langfristig.

 

Inwiefern ist die Zukunftsforschung denn tatsächlich der gern visualisierte „Blick in die trübe Glaskugel“?

Die Glaskugel wird immer wieder gerne als Bild benutzt, aber die Zukunftsforschung arbeitet gar nicht mit der Glaskugel. Sie ist sinnbildlich dafür, dass man errät, was passieren wird, aber wir arbeiten vor allem mit den Mitteln der qualitativen Sozialforschung. Das bedeutet, es handelt sich immer um eine Ableitung von wissenschaftlichen Faktoren in eine wahrscheinliche und normativ wünschbare Entwicklung.
Ob eine erdachte Entwicklung dann auch so eintritt, ist überhaupt kein Kriterium aus Sicht der Zukunftsforschung. Man kann natürlich sagen: das ist etwas, das wir uns wünschen. Die Zukunftsforschung dient im Grunde der Kommunikation oder der Auseinandersetzung für das Handeln heute. Mit deren Hilfe möchten wir uns zukünftige Entwicklungen plausibler, plastischer, bildhafter machen, um darüber zu diskutieren und um auf die Zukunftsentwicklung Einfluss zu nehmen.

Gibt es etwas, was Sie für den aktuellen Zeitraum um 2015 erwartet haben, was auch so gekommen ist?

Ein klassischer Horizont sind immer 15 bis 20 Jahre. In diesen Zeitrahmen passen frühere Projekte im Bereich virtueller Unternehmen, die wir im Auftrag des Forschungsministeriums gemacht haben. Das sind tatsächlich Entwicklungen, die man heute auch sieht. Die Vernetzungsstrukturen und die strukturellen Veränderungen auf den Arbeitsmärkten haben sich vollzogen, sodass sich vieles entkoppelt von klassischen, traditionellen Formen der Erwerbsarbeit entwickelt hat. Individuelle, atypische Beschäftigungsverhältnisse sind in der Überzahl und das mobile Arbeiten ist heute deutlich ausgeprägt. Das haben wir vor zwanzig Jahren in den absehbaren strukturellen Entwicklungen so benannt.

Was erwarten und was wünschen Sie sich als Zukunftsforscherin für das neue Jahr?

Ich wünsche mir und erwarte für 2015, dass sich in der Forschung, Praxis und Gesellschaft die Menschen mehr sensibilisieren, sodass die Fragen der Zukunftsgestaltung mehr in den Blick rücken und dass man sich nicht so von den Technologien überrollen lässt. Die Technologisierung von Gesellschaft vollzieht sich, wird aber wenig wissenschaftlich begleitet.
Es gibt zwar Forschungsprojekte zu den möglichen Folgen dieser Entwicklung, aber aus meiner Sicht könnte insbesondere die Diskussion auf der Werteebene verstärkt werden, da die Technologisierung so massive Auswirkungen auf individueller, organisatorischer und gesellschaftlicher Ebene hat. Ich wünsche mir, dass es eine stärkere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema gibt, sodass mehr der gesellschaftliche Bedarf in den Vordergrund gerückt wird, als das rein technisch Mögliche.

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