Zunehmende Kritik Warum Google die eigene Datensammelwut noch um die Ohren fliegen wird

Seite 2/2

Google sammelt munter weiter

Das vielversprechende Hardware-Startup Nest wurde diese Woche von Google übernommen. Quelle: AP

So oder so ist man erstaunt: Hat Google denn von den ganzen NSA-Skandalen, den Enthüllungen von Edward Snowden und der wachsenden Kritik der Bevölkerung gar nichts mitbekommen? Wie kann der Konzern weiterhin munter Daten sammeln, als wäre es 2009? Wo bleibt die breit angelegte Aufklärungskampagne, die glaubwürdig versichert, dass unsere Daten bei Google sicher und stets anonymisiert sind?

“’1984′ gelesen und als Karriereziel verstanden”

Helfen würde selbst das natürlich herzlich wenig. Selbst wenn die NSA von der US-Regierung zurückgepfiffen würde, bleibt das Thema Datenschutz ein heißes Eisen. Wenn die USA uns nicht mehr überwachen, dann machen es eben die Chinesen oder die Bundesregierung selbst. Helfen wird da nur ein generell sparsamerer Umgang mit Personendaten. Aber das scheint Google noch nicht erkannt zu haben, es würde sicherlich auch dem eigenen Geschäft abträglich sein. Dennoch wird der Konzern mit seinem derzeitigen Geschäftsgebaren kaum jemandem glaubhaft versichern können, er sei bei der Nest-Übernahme nicht an den Daten der Kunden interessiert. Dass Nest seine Daten bei sich behalten will, könne sich ändern, gab Nest-CEO Tony Fadell in einem Interview zu.

Und so ist die Kritik derzeit selbst aus den USA für Google eher negativ: Carmel Deamicis und Michael Carney von PandoDaily warnen die Nest-Nutzer vor Google. Wie es scheint haben tatsächlich nur wenige der Kunden Lust, ihre Daten Google auszuhändigen. Stacey Higginbotham von GigaOm schlägt angesichts der Nest-Übernahme durch Google mehr oder weniger die Hände über dem Kopf zusammen. Marktforscher Rob Enderle fällt das vernichtende Urteil: “Ich glaube, Google hat ‘Big Brother’ gelesen und es als Karriereziel verstanden.” Und natürlich gibt es auch aus Deutschland Kritik an der Übernahme: Jan-Keno Janssen etwa vergleicht Googles Vorstoß in die Wohnzimmer mit Skynet, dem Überwachungssystem aus den “Terminator”-Filmen.

Bis jemand eine bessere Lösung vorstellt

Durchgehend negativ ist die Resonanz nicht. Gerade Nilay Patel von TheVerge versteht die ganze Aufregung nicht. Ein mitdenkendes Heimnetzwerk sei eine wunderbare Sache. Doch alles in allem, so mein subjektiver Eindruck, wächst die Kritik an Google. Wenn man weniger Thermostate verkauft als man könnte, weil Nutzer keine Lust auf Überwachung haben, dann bedeutet das für das Unternehmen auch wirtschaftliche Einbußen. Gleiches, wenn mehr Nutzer von Android auf andere Systeme oder die quelloffene, Google-freie Android Oberfläche CyanogenMod umsteigen.

Noch sind viele Menschen sehr arg- und sorglos, was die allgegenwärtige totale Überwachung betrifft. Aber wenn immer mehr davor gewarnt wird, wenn die Probleme der Spionage greifbar werden und dazu, wie ich neulich schrieb, das Thema Überwachung auch in Film und Fernsehen abschreckend dargestellt wird, wird der Unmut wachsen. Google ist sehr gut darin, die Nutzer bis auf – Achtung Seitenhieb – Google Plus mit wirklich guten Produkten zu ködern.

GMail ist in meinen Augen nach wie vor der beste Mailclient auf dem Markt, Android das beste mobile Betriebssystem, Google Kalender und Drive die leichter zugängliche Alternative zu Outlook oder Office, Chrome der attraktivste Browser. Aber wehe es wird einmal ein Anbieter Lösungen vorstellen, die attraktiver sind und leichter zugänglich, dabei aber sicher verschlüsselt und als selbst gehostete Lösung zu erwerben.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass kluge Geschäftemacher hier auf absehbare Zeit ihre Chance erkennen werden und dass Google dann ein Problem bekommt. Einfach so wie bisher weiter machen wird Google zumindest nicht mehr lange können, davon bin ich immer mehr überzeugt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%