E-Mail-Jubiläum Als Spam noch kein Thema war

Michael Rotert empfing vor 30 Jahren die erste nach Deutschland geschickte E-Mail. Damals war Spam noch kein Thema und eine Mail kostete 20 Cent. Die Entwicklung zum „Rückgrat des Internets“ war ein langer Weg.

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Heute eine Selbstverständlichkeit: Das Versenden und Empfangen von E-Mails. Quelle: dpa

Karlsruhe Laura und Michael haben vor 30 Jahren Geschichte geschrieben: „Wir freuen uns, dich dabei zu haben“, hieß es in der ersten nach Deutschland geschickten E-Mail, die am 3. August 1984 in einem Keller in Karlsruhe eintraf. Heute freut sich Michael Rotert, dass er durch glückliche Umstände an dieser Pioniertat beteiligt war: „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Um die Mail von Laura Breeden aus Cambridge im US-Staat Massachusetts empfangen zu können, musste er den ersten Mailserver in Deutschland einrichten.

Heute sei die E-Mail das „Rückgrat des Internets“, sagt der Geschäftsführer der Webmail-Anbieter web.de und GMX, Jan Oetjen. Das Unternehmen schätzt die Zahl der in diesem Jahr in Deutschland versendeten Mails auf 504,4 Milliarden - 6,9 Prozent mehr als 2013.

Daran war vor 30 Jahren noch nicht zu denken. Internet-Pionier Rotert wollte eigentlich Elektrotechnik studieren, ging dafür 1971 nach Karlsruhe und sah dann, dass die Warteschlange für die Anmeldung zum Informatik-Studium länger war - das musste interessanter sein. „Da habe ich mir erklären lassen, was Informatik ist und habe die Schlange gewechselt.“

Nach dem Studium übernahm Rotert die technische Leitung der Informatik-Rechnerabteilung (IRA) an der Uni Karlsruhe. In einem 1983 unter Leitung von Werner Zorn gestarteten Projekt kümmerte er sich um den Anschluss an internationale Netze. Das war für die Karlsruher vor allem das Computer Science Network (CSNET), für das Laura Breeden tätig war, ein 1981 gestartetes akademisches Computernetz. Zuvor hatte das militärische Arpanet 1969 erstmals die Datenübertragung in verteilten Paketen praktiziert und so den Keim zum Internet gelegt. Im Arpanet wurde 1971 auch die erste E-Mail überhaupt übertragen.

Zorn, der die erste Mail als Kopie (also in der CC-Zeile) erhielt, sieht die Vernetzung als Erfolg einer akademischen Graswurzelbewegung: „Wir wollten eine offene basisdemokratische Welt und wir bauten sie um die Monopolisten herum.“


„Spam war damals noch kein Thema“

Spam war damals noch kein Thema, erinnert sich Rotert an die Pionierjahre der E-Mail. Schließlich war die elektronische Post zunächst auch durchaus noch mit Kosten verbunden: umgerechnet 20 Cent pro A4-Seite. Und teuer waren die digitalen Leitungen der damaligen Deutschen Bundespost. Da kamen schnell mal 30 000 Mark im Monat zustande, erinnert sich der 64-jährige Badener.

Bald nach Karlsruhe gingen auch die Universitäten in Kaiserslautern und Saarbrücken ans Netz, Hochschulen mit Forschungsschwerpunkten zur Künstlichen Intelligenz. Aber schon 1985 habe er die erste Anfrage zu einer kommerziellen Nutzung der E-Mail erhalten, von einem wissenschaftlichen Verlag in Heidelberg, sagt Rotert. „Als Honorar durfte ich so viele Bücher mitnehmen, wie ich mit Händen tragen konnte.“

Seit 1981 hält Rotert jeden Montag eine Vorlesung an der Fachhochschule, die heute Hochschule Karlsruhe für Technik und Wirtschaft heißt. Diese beiden Seiten verbindet er auch als Vorstandsvorsitzender des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (eco). In Berlin ist er zudem als Berater für Regierung und Parlament gefragt. Im neuen Bundestagsausschuss Digitale Agenda habe er neulich erklärt, warum es kein deutsches Internet geben könne, keinen auf die EU-Länder begrenzten Datenverkehr.

Allerdings achten E-Mail-Nutzer nach Darstellung der 1&1 Internet AG seit Ausbruch des NSA-Skandals vor einem Jahr verstärkt auf den Standort der Mail-Server. „Die Nutzer verstehen, dass es einen Unterschied macht, wo die Daten gespeichert sind“, sagt Geschäftsführer Oetjen. „Die Philosophie des Datenschutzes hat sich auf der westlichen und östlichen Seite des Atlantiks diametral auseinanderentwickelt.“

Die Tatsache der Internet-Überwachung durch die NSA habe ihn nicht überrascht, sagt Rotert - „nur das Ausmaß“. Der Netzpionier tritt damals wie heute für ein freies Internet ein. Gesetzliche Leitplanken seien zwar notwendig, sagt Rotert in seinem Wohnort in Pfinztal (Landkreis Karlsruhe). Aber „die Datenpakete sollen frei fließen und da sollen sich möglichst wenige einmischen“.

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