Enthüllungen Menschliche Abgründe bei Microsoft

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Doch selbst wenn das unser Plan gewesen wäre, so hat er nicht funktioniert. Es kam immer wieder vor, dass man unser Geschrei im ganzen Stockwerk hören konnte. Unsere langjährige Beziehung hatte eine ganz besondere Eigendynamik entwickelt.

Die Tatsache, dass wir 1980 unsere Programmiersprache Basic bereits über eine halbe Million Mal verkauft hatten, war auch dem damals weltweit größten Computerhersteller nicht entgangen. Jahrelang hatte IBM die Personal Computer geflissentlich ignoriert und war erst jetzt aufgewacht, als sie dabei waren, sich ihren Platz in der Geschäftswelt zu erobern.

Big Blue, wie IBM innerhalb der Branche auch genannt wurde, wusste nur allzu gut, dass der vierjährige Entwicklungszyklus für Großrechner keinesfalls in die schnelllebige Welt der Mikrocomputer passte. Zum ersten Mal in seiner Geschichte suchte das Unternehmen externe Partner, die helfen sollten, ein neues Produkt schneller auf den Markt zu bringen.

Big Blue wacht auf

Damit stand Microsoft kurz vor dem großen Durchbruch. Im August desselben Jahres suchten uns drei Schlipsträger von IBM auf. Sie wollten mit uns über das Projekt Chess reden – es war der Codename für den späteren PC von IBM.

Nachdem wir ihnen eine 8-Bit-Maschine ausgeredet hatten und sie für den Intel 8086 (vielmehr den günstigeren, aber praktisch identischen 8088) begeistern konnten, wollten sie alle 16-Bit-Programme von uns haben, an denen wir in den vergangenen Jahren gearbeitet hatten. Von Basic abgesehen war keines davon so weit, dass es auf einem 8086 hätte laufen können.

Am nächsten Tag traf sich eine Delegation von Microsoft mit IBM und schlug vor, dass Microsoft den gesamten Softwareentwicklungsprozess für den PC koordinieren würde.

Fünf Wochen später unterzeichneten wir den Vertrag. IBM würde uns 430 000 Dollar zahlen: 75 000 Dollar für Anpassungen, Tests und Beratung, 45 000 Dollar für das Diskettenbetriebssystem DOS (Disk Operating System) und 310 000 Dollar für eine ganze Reihe an 16-Bit-Interpretern und Compilern.

MS-DOS als Herzstück des Erfolges

Niemand – uns eingeschlossen – hat vorhergesehen, dass der Vertrag mit IBM Microsoft letztendlich zum größten Technikunternehmen der damaligen Zeit und Bill und mich unermesslich reich machen würde.

IBM präsentierte seinen Personal Computer am 12. August 1981, und die ersten Exemplare wurden bereits im November ausgeliefert – früher als ursprünglich geplant. Die Erwartungen waren sicherlich hoch gewesen, aber niemand hatte damit gerechnet, dass der PC den gesamten Markt so bald nach seiner Einführung beherrschen würde.

Ich war natürlich stolz auf unser Team. MS-DOS war das Herzstück unseres Erfolgs, es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, entscheidend an der Entwicklung mitgewirkt zu haben.

In jenem Herbst zogen wir in ein geräumigeres Gebäude in der Nähe des Lake Washington in Seattle und von Burgermaster – einer unserer Lieblings-Fast-Food-Läden. Bill und ich bezogen benachbarte Büros und teilten uns eine Sekretärin.

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