Ernährung Die große Verschwendung

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Zum Themendienst-Bericht Quelle: gms

"Es gibt Bäckereien, die schmeißen 20 Prozent ihrer Ware weg", sagt Schüren. Das sei zu viel, findet er – und steuert in seinen 14 Filialen gezielt gegen, indem er das Angebot abends verkleinert. Viele Kunden sehen das jedoch nicht gern und gehen dann woanders einkaufen. So mancher ‧Bäcker würde mit Schürens Strategie sogar vertrags‧brüchig. Vor allem Supermärkte machten den Mietern ihrer Backshops strikte Vorgaben: "Volles Brotregal bis 18.30 Uhr" stehe oft im Mietvertrag. Schüren hat selbst schon böse Briefe mit Beweisfotos und Kündigungsandrohung bekommen, "als das Brotregal unseres Backshops mal relativ gerupft aussah".

Seither betreibt Schüren nur noch eigene Filialen und bietet seinen Kunden das Brot vom Vortag verbilligt an. So schafft er es, nur noch knapp zehn Prozent seiner Tagesproduktion wegwerfen zu müssen – doch das sind immer noch gut 100 Tonnen pro Monat. Einen Teil davon spendet Schüren an die Tafel, die es an Bedürftige verteilt. Der Rest kommt in große Container, und die landen in einer Tierfutterfabrik. All das, was noch nicht vom Menschen berührt wurde und kein Fleisch enthält, darf zu Tierfutter gemacht werden.

Geld bekommt der Bäcker dafür nicht. Denn anders als die Biogasanlagen, die auch Lebensmittelabfälle verwerten, bekommt der Tierfutterhersteller keine Subventionen. Die Situation ließ dem umtriebigen Bäcker keine Ruhe, bis sein Energieberater ihn auf eine Idee brachte. Er fragte ihn, wie viel Altbrot in dem Container sei. "4,5 Tonnen", antwortete Schüren. "Dann verschenken Sie gerade den Heizwert von 900 Liter Heizöl", erklärte der Berater. Denn Brot hat nahezu den gleichen Heizwert wie Holz.

Schlechte Lagerung von Lebensmitteln

Brot unter die Holzpellets zu mischen, um damit die Backöfen zu befeuern – das hatte noch kein anderer Bäcker gewagt. Doch eine energetische Nutzung sei besser als gar keine, meint Schüren, der behauptet: "Wenn alle Bäckereien in Deutschland es ähnlich machen würden, könnte ein Atomkraftwerk eingespart werden."

Die Zahl ist gar nicht so weit hergeholt, denn jedes Jahr werden etwa 500.000 Tonnen Brot in Deutschland weggeworfen. Von dieser Menge könnte ganz Niedersachsen mit Brot versorgt werden.

Angesichts solcher Zahlen fordert die FAO, die weltweiten Verluste und die Verschwendung von Essbarem in den nächsten 15 Jahren um die Hälfte zu reduzieren. In einer aktuellen Studie fand sie allerdings heraus, dass die Gründe für die Verluste sehr unterschiedlich sind: In Entwicklungsländern werden 40 Prozent des Lebensmittelausschusses durch schlechte Lagerungs- und Verarbeitungsbedingungen verursacht. In den Industrienationen schmeißen dagegen Händler und Verbraucher 40 Prozent der Lebensmittel weg.

Silos halten frisch

Auf dem langen Weg vom Acker bis zum Teller können vor allem in Entwicklungsländern bessere Techniken die Verluste direkt nach der Ernte verringern. So haben Ingenieure im Rahmen eines FAO-Projektes in 16 Ländern mehr als 45.000 Silos aus Metall zur Lagerung von Lebensmitteln aufgebaut, sie haben zudem gut 1500 Menschen darin ausgebildet, solche Silos herzustellen und zu warten. Die Bauern profitierten von längeren Lagerzeiten und damit höherem Einkommen. Die Silos konnten die Nachernteverluste von 15 bis 20 Prozent auf weniger als ein Prozent reduzieren. Auch das Trocknen von Früchten und Nüssen in der Sonne oder mit Solartrocknern ist eine einfache, aber gute Konservierungsmethode.

Länger haltbar bleiben auch solche Lebensmittel, die verpackt werden, etwa in Plastik oder Aluminium. Denn die Verpackung schützt vor Keimen, Austrocknung, Ungeziefer oder Transportschäden. Doch in Entwicklungsländern fehlt es oftmals an simpelstem Packmaterial, um Früchte ohne Druckstellen zum Markt zu transportieren oder Getreide vor Schimmelpilzen oder Mehlwürmern zu bewahren.

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