Ernährung Die große Verschwendung

Seite 4/5

Deshalb fördert die Weltbank die Einrichtung von Verpackungshäusern in Westafrika, in denen die Ernte nach Qualität sortiert und für die Vermarktung in Folien und Tüten verpackt wird. So können Bauern die Ernte länger lagern und müssen sie nicht sofort verkaufen, wenn die Preise niedrig sind.

Der Verpackungsmaschinenbauer Multivac Sepp Haggenmüller aus Wolfertschwenden hat Fischerdörfern in Afrika dafür kleine, leicht zu handhabende Verpackungsmaschinen gespendet. Die Technik verhindert, dass ein Großteil des Fangs verdirbt – und die Fischer verdienen mehr.

Bosch Packaging Technology, die Verpackungsmaschinensparte des Weltkonzerns aus Stuttgart, ist ebenfalls dabei, sich auf die Bedürfnisse von Entwicklungsländern einzustellen. So hat Bosch in Südindien kleine und handliche Verpackungsmaschinen auf Laster montiert, die zur Erntezeit von Dorf zu Dorf fahren. Die Bauern können mit ihren frisch geernteten Produkten zum Lkw kommen und sie einschweißen lassen.

Oftmals ist es aber gar nicht die fehlende Technik, sondern Unkenntnis, die zu hohen Verlusten führt, und das nicht nur in Entwicklungsländern, sondern überall.

Gerade Bewohnern von Industrieländern fehlt oft das Wissen darüber, wie Lebensmittel am besten aufbewahrt werden. Etwa, dass Äpfel nicht in der Nähe von andern Obstsorten gelagert werden sollen, weil sie das Gas Äthylen ausdünsten, das Obst schneller reifen lässt. Stellt man die Apfelkiste dagegen wie früher üblich im Keller neben die Kartoffeln, verhindert das Äthylen, dass die Knollen austreiben. So bleiben sie länger haltbar.

Haltbarkeitsdatum verwirrt

Allerdings sind viele der Angaben auf Lebensmitteln alles andere als hilfreich. Vor allem das Mindesthaltbarkeitsdatum auf verpackten Lebensmitteln sorgt für Verwirrung in Haushalten und dafür, dass viele Produkte in den Mülleimer wandern, obwohl sie noch einwandfrei genießbar sind. Denn an sich geht es dabei gar nicht um die Haltbarkeit, sondern um eine Gütegarantie: Bis zum genannten Datum garantieren die Hersteller eine bestimmte Produktqualität – dass ein Joghurt noch so cremig ist wie in der Fabrik, zum Beispiel. Wenn das Datum abgelaufen ist, heißt es also keineswegs, dass die Ware ungenießbar ist.

Hier hätten Politiker es in der Hand, einen treffenderen Begriff zu finden, etwa den im Englischen verwendeten Ausdruck "best before" oder ein entsprechendes deutsches Synonym. Denn tatsächlich hat die Politik bisher keinerlei Einfluss darauf, nach welchen Kriterien die Unternehmen die Daten auf die Packungen drucken.

Dass die Hersteller die Mindesthaltbarkeitsdaten dagegen immer mehr verkürzen, darüber ärgert sich Thomas Pocher schon lange. Der junge Marktleiter führt in Templeuve nahe der nordfranzösischen Großstadt Lille einen Hypermarché der Leclerc-Kette und engagiert sich für nachhaltiges Wachstum. Pocher sagt: "Früher hat eine Flasche Mineralwasser anderthalb Jahre gehalten, heute ist das Datum bereits nach sechs Monaten abgelaufen."

Die Jumbo-Supermarktkette in den Niederlanden hatte kürzlich dazu eine geniale Idee: Kunden, die ein Produkt mit einer Ablauffrist von unter zwei Tagen im Regal entdecken, dürfen ihren Fund umsonst mitnehmen. Ein origineller Einfall, der die Optik umdreht: Die Kunden suchen nicht mehr nach Produkten mit möglichst langem Haltbarkeitsdatum, sondern sie machen es sich zum Sport, Lebensmittel mitzunehmen, die sonst mit großer Wahrscheinlichkeit vernichtet worden wären.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%