Ernährung Japan als Vorbild gegen Fettleibigkeit

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Übergewicht als Quelle: gms

Die gleiche Studie zeigt auch, dass Frauen, die viel Wurst, Butter oder andere tierische Fette essen und wenig Brot und Fruchtsäfte zu sich nehmen, in einem Zeitraum von sechs Jahren doppelt so oft an Brustkrebs erkrankten wie die Vergleichsgruppe, die sich fettärmer ernährten. Noch tappen die Forscher im Dunkeln, wie sie das Phänomen wissenschaftlich erklären sollen. Weitere Studien sollen in den nächsten Monaten zeigen, ob bestimmte Fettsäuren für den Brustkrebs verantwortlich sind.

Aber auch die finanziellen Folgen sind immens. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt beziffert die Folgekosten des Übergewichts für das deutsche Gesundheitssystem auf jährlich 70 Milliarden Euro. Sie setzt auf Werbekampagnen und die Einsicht der Menschen. Den Verbraucherschützern von foodwatch reicht Schmidts Initiative dennoch bei Weitem nicht. „Damit lösen wir das Problem des Übergewichts nicht“, kritisiert Thilo Bode, der Geschäftsführer von foodwatch. Bode kämpft stattdessen beispielsweise für eine einfache Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln nach dem Vorbild der sogenannten Ampel, wie sie in Großbritannien eingeführt wurde. Dort kennzeichnen rote, gelbe und grüne Punkte oder Streifen den Gehalt der Lebensmittel an Fett, gesättigten Fettsäuren, Salz und Zucker. Das System soll heimliche Dickmacher entlarven. Zum Beispiel Kinderdrinks, die als gesunde Durstlöscher beworben werden, obwohl sie hohe Konzentrationen von Zucker enthalten.

Für die Lebensmittelindustrie ist die Ampel jedoch Teufelswerk – der Verbraucher könnte den Eindruck gewinnen, es gäbe tatsächlich schlechte Lebensmittel. Sie setzt stattdessen auf eine freiwillige Nahrungskennzeichnung.Dabei sind die Erfahrungen der britischen Food Standards Agency (FSA), die das System in Großbritannien vor zwei Jahren auf freiwilliger Basis eingeführt hat, durchaus positiv. Nicht nur Verbraucherschutz- und Gesundheitsorganisationen schätzen das einfache System. In Umfragen sprachen sich auch 90 Prozent der Konsumenten für die leicht verständliche Ampel aus. Eine Handelskette ließ unter dem Druck des Kennzeichnungssystems die Rezepturen ihrer Eigenmarken überarbeiten.

Panasonic: Täglich 10.000 Schritte gegen Fettleibigkeit

Trotzdem zaudert die deutsche Regierung noch, setzt auf Einsicht und Freiwilligkeit: „Wir wollen nicht bevormunden und niemanden diskriminieren. Jeder soll leben, wie er es für richtig hält“, findet Gesundheitsministerin Schmidt. Andere Länder greifen zu drastischen Maßnahmen gegen die grassierende Fettleibigkeit. Frankreich plant eine Sondersteuer auf Dickmacher wie Cola, Kartoffelchips und Hamburger. England will den Eltern übergewichtiger Schulkinder künftig Mahnbriefe schicken. Kalifornien hat Schokoriegel und zuckerhaltige Softdrinks aus den Verkaufsautomaten an Schulen verbannt. Und der Stadtrat von Los Angeles hat Fast-Food-Ketten untersagt, in Gegenden mit besonders viel Dicken neue Lokale zu eröffnen.

Doch niemand geht so strikt vor, wie die japanische Regierung. Dabei ist der Anteil der extrem Dicken in Nippon mit einem Bevölkerungsanteil von 2,3 Prozent bei den Männern und 3,4 Prozent bei den Frauen einer der niedrigsten auf der Welt. Aber die Zahl der Dicken hat zuletzt stark zugenommen. Rund 30 Prozent der Japaner im Alter zwischen 20 und 60 Jahren und jeder zehnte Schüler haben zu viel Fett auf den Rippen. Ziel der Regierung ist es, die Zahl der Gewichtssünder in den kommenden vier Jahren um zehn und bis zum Jahr 2015 um 25 Prozent zu reduzieren.

Von den großen Unternehmen des Landes wird die Initiative mitgetragen. Japans größter Elektronikhersteller Panasonic hat sogar ein eigenes Gesundheitsprogramm draufgesattelt. „Der Lebensstil unserer Menschen hat sich sehr verändert“, argumentiert Betriebsarzt Yoshikuni Sakamoto. „Sie essen fetter, mehr Fleisch und sie bewegen sich weniger, das erhöht das Gewicht.“

Alle Panasonic-Mitarbeiter müssen sich seitdem regelmäßigen Gesundheits- und Gewichtskontrollen unterziehen. Schneiden sie dabei schlecht ab, werden sie in Gesprächen zu einer Änderung ihrer Angewohnheiten aufgefordert. „Zwei Schokokekse täglich addieren sich in drei Jahren auf elf Kilogramm Gewichtszunahme“, rechnet Sakamoto ihnen beispielsweise vor. Für die Sünder gibt es einen Schrittzähler und die Mahnung, täglich wenigsten 10 000 Schritte zu gehen. Damit sich jeder Mitarbeiter gesund ernähren kann, bieten die Kantinen Menüs mit viel Gemüse, Sojaprodukten und Vollkornreis an.

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