Flugverkehr Ökoflieger vor dem Boom

Sparsame Jets und Öko-Treibstoffe sind für Airlines der einzige Weg aus der Krise. Saubere Flugzeugtechnik steht vor einem Boom.

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Iata-Tagung in Kuala Lumpur: Quelle: REUTERS

Für die Flugbranche war der Juni immer der schönste Monat des Jahres. Mit Beginn des Sommers und der Urlaubszeit erwachte stets das Fernweh der Kunden. Zugleich stieg in einer der großen Metropolen die Jahrestagung des Weltluftfahrtverbandes Iata im Stil eines Klassentreffens. Höhepunkt des ausgelassenen Feierns ist die daran anschließende Luftfahrtmesse, die jedes Jahr entweder in Paris oder London stattfindet und auf der die neuesten Trends der Branche vorgeführt werden.

Diesmal ist alles anders. Bei der Iata-Tagung am vergangenen Wochenende in Kuala Lumpur war kaum einer in Feierlaune. Zum einen, weil die Fluglinien in der Krise knapp 20 Prozent weniger Passagiere transportieren und sie in diesem Jahr weltweit Verluste von neun Milliarden Euro befürchten. Noch mehr drückten die Stimmung aber die düsteren Aussichten: „Selbst wenn wir in zwei Jahren die aktuellen Probleme überwunden haben, kommen die alten umso stärker zurück“, glaubt Leo van Wijk, stellvertretender Verwaltungsratschef von Air France-KLM und CEO der Flugallianz Skyteam. Er meint damit vor allem steigende Ölpreise und schärfere Klimaschutzauflagen.

Grüne Fliegerei steht vor einem Boom

Darauf stellt sich die gesamte Branche ein. Und so wird der nun folgende Pariser Branchentreff – neben den Klagen über die Krise – von Diskussionen über Produkte und Techniken dominiert, die den Spritverbrauch deutlich senken: In seltener Einigkeit haben Scott Carsons, Leiter des Boeing Zivilgeschäfts, und Airbus-Chef Thomas Enders das Ziel formuliert, dass der Flugverkehr ab 2020 klimaneutral wachsen soll. Im Jahr 2050 werde Fliegen nur noch halb so viel Kohlendioxid produzieren wie heute, träumt Giovanni Bisignani, Chef der Weltluftfahrtorganisation Iata. Keine Frage: Grüne Fliegerei steht vor einem Boom.

Auch wenn Öl derzeit nur halb so teuer ist wie vor einem Jahr: Der Treibstoff kostet immer noch deutlich mehr als vor vier Jahren. Und der Preis hat sich trotz Wirtschaftskrise seit Dezember verdoppelt. „Und das war erst der Anfang“, sagt Bisignani. Experten halten 200 Dollar pro Fass innerhalb von zwei Jahren für möglich.

Ingenieure arbeiten deshalb längst an der nächsten Generation von Flugzeugtechnologien. Sie sollen noch sparsamer sein als die Technik der als Sparflieger gefeierten Boeing 787 „Dreamliner“. Der Boeing-Hoffnungsträger verbraucht dank Leichtbauweise und effizienteren Motoren bereits 20 Prozent weniger Kerosin als herkömmliche Maschinen. Noch sparsamer sollen der neue Airbus A350 werden sowie die Flieger der C-Serie von Bombardier aus Kanada und der japanische Mitsubishi Regional Jet.

Triebwerke bieten Quelle: dpa/dpaweb

Aber das wird kaum reichen: Denn eine Reihe von Umweltauflagen erhöhen den Preisdruck auf alle Airlines. Zur größten Belastung wird in den nächsten Jahren der Emissionsrechtehandel, bei dem Fluglinien Rechte für den Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen erwerben müssen. Daran muss sich ab 2012 jede Fluglinie beteiligen, die in Europa landet. Das dürfte für gewaltige Mehrkosten sorgen, sobald die aktuelle Krise vorbei ist.

Hersteller und Luftfahrtgesellschaften können sich aus dem Dilemma höherer Treibstoffpreise und schärferen Öko-Auflagen nur auf zwei Wegen befreien:

Bessere Technik: Leichtbau, sparsamere Triebwerke, strömungsgünstigere Tragflächen sowie direktere Flugrouten können den Kerosinverbrauch dramatisch senken.Öko-Sprit: Die Kosten für Emissionszertifikate können Fluglinien durch mehr alternative Treibstoffe aus Pflanzen drücken.

Triebwerke bieten mittelfristig das größte Sparpotenzial. „Hier gab es in den vergangenen Jahren gewaltige Fortschritte“, sagt Heinrich Großbongardt, Hamburger Luftfahrtexperte. Das Ulmer Forschungsinstitut PMI Media erwartet in den nächsten zehn Jahren eine Verbesserung im Verbrauch um bis zu 20 Prozent – verglichen mit denen der sparsamen Boeing 787.

Zwei der vielversprechendsten Antriebstechniken sind bereits im Testbetrieb. Zum Beispiel das neue Düsentriebwerk Geared Turbofan (GTF) des US- Triebwerkherstellers Pratt & Whitney. Hier verbinden die Ingenieure die vorne liegenden Fan genannten Triebwerksschaufeln durch ein Getriebe mit dem hinteren Teil der Brennkammer. Dadurch müssen beide nicht mehr mit der gleichen Geschwindigkeit drehen, sondern können in einem für sie optimalen Drehzahlbereich arbeiten – der Fan langsam, die Turbine schnell. Das erhöht den Wirkungsgrad.

Öko-Flieger sind deutlich leiser

Mitsubishi und Bombardier haben das fliegende Getriebe als Erste bestellt. Den Start macht vermutlich die C-Serie von Bombardier, die ab 2012 an die Lufthansa ausgeliefert wird. „Er ist um die Hälfte leiser und verbraucht 15 Prozent weniger Treibstoff“, sagt Motoren-Experte Anton Binder von der MTU in München, die an der Entwicklung beteiligt ist.

Pratt & Whitney und Bombardier wollen zudem dem Propeller zu einer Renaissance verhelfen. Turbo-Prop-Maschinen fliegen zwar günstiger, sind aber bei Passagieren unbeliebt, weil sie in der Kabine lauter sind und langsamer vorankommen als Jets.

Vorbei: Die neuen Hochleistungs-Turbo-Props von Bombardier sind dank technischer Verbesserungen deutlich leiser und nur noch rund 20 Prozent langsamer als Jets. Zudem verbrauchen sie bis zu einem Fünftel weniger Kerosin. „Und das ist erst der Anfang“, verspricht Bombardier-Chef Pierre Beaudouin. Mit ihren säbelzahnartigen Luftschrauben sollen die Propellermaschinen der Zukunft mit fast 800 Stundenkilometern nur noch wenig langsamer sein als Flugzeuge mit Luftstrahlturbinen.

Noch einen Schritt weiter geht der Triebwerkshersteller Rolls-Royce mit seinen Partnern: Sie wollen das Beste aus zwei Welten vereinen und nennen ihre Technik Propfan. Ihre Idee: ein Hybrid aus Propeller- und Düsentriebwerk. Propfan-Antriebe sind noch effizienter als Propeller und herkömmliche Strahlentriebwerke.

Das hat aber noch heftige Nebenwirkungen: Weil sie im Gegensatz zum Düsenjet keine Hülle um das Triebwerk, sondern offene Rotorblätter haben, sind Propfan-Flieger viel lauter als Jets. „Kein Anwohner eines Flughafens verzichtet auf seine Nachtruhe, nur damit die Polkappen langsamer schmelzen“, sagt Großbongardt. Außerdem sind die Triebwerke wegen der gigantischen Schaufeln deutlich größer als herkömmliche Triebwerke, sodass sie erst an einen völlig neu konstruierten Flieger passen.

Algen: Öko-Kraftstoff der Quelle: dpa

Auch die Bauweise der Flieger bietet – allerdings eher langfristig – beträchtliches Sprit-Sparpotenzial. Ende Mai haben Forscher der britischen Universität Warwick gezeigt, dass Hunderttausende kleine Löcher auf den Tragflächen den Reibungswiderstand um bis zu 40 Prozent und damit den Treibstoffverbrauch um 20 Prozent reduzieren können.

Die meisten dieser Technologien können Flugzeughersteller nicht in ihre aktuellen Produktreihen einbauen. Sie erfordern so große Veränderungen, dass fast der ganze Flieger neu konstruiert werden muss. Diese Milliardeninvestitionen lohnen sich aber nur, wenn das neue Flugzeug rund 20 Prozent niedrigere Betriebskosten hat. Das ist jedoch nicht in Sicht – und bringt die Flugbranche in ein Klima-Dilemma. Denn weil die Einsparungen durch technischen Fortschritt im Schnitt nur bei 1,5 Prozent pro Jahr lagen, der Verkehr jedoch mit fünf Prozent wuchs, produzierte die Branche immer mehr Treibhausgase.

Biologische Kraftstoffe zählen deshalb zu den wichtigsten Hoffnungsträgern. Zwar werden auch sie verbrannt. Doch weil sie aus Pflanzen gewonnen werden, die beim Wachsen Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen, entsteht bei der Verbrennung im Vergleich zu heute verwendeten Treibstoffen nur ein Fünftel der Menge an Treibhausgasen. Zudem hat Öko-Sprit eine höhere Energiedichte als Kerosin, sodass die Flieger pro zehn Prozent Biosprit im Tank etwa 0,3 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen. Für Langstrecken müssen Flugzeuge weniger Kerosin tanken, werden so leichter, was wiederum den Verbrauch senkt. „Sie bringen die schnellste Entlastung, denn sie sind bereits verfügbar, schrittweise zumischbar und in allen Flugzeugen einsetzbar – sogar in uralten B-52-Bombern“, sagt Großbongardt.

SInd Algen der Treibstoff der Zukunft?

Die Favoriten unter den Öko-Kraftstoffen sind das Öl der Purgiernuss (Jatropha) und vor allem Algen: Das kalifornische Unternehmen Solazyme stellte im vergangenen Herbst den ersten aus Wasserpflanzen hergestellten Jet-Treibstoff vor, der die Anforderungen der Flugzeughersteller erfüllt. „Wahrscheinlich kann man mit einer Algenfarm von der Größe Belgiens die gesamte Weltluftfahrt mit Flugzeugbenzin versorgen“, sagt Boeing-Umweltchef Billy Glover.

Erste Testflüge hat es jedenfalls schon gegeben. Im Januar 2009 setzte eine Maschine der Continental Airlines ein Gemisch aus klassischem Kerosin und Jatropha-Öl ein, dem auch sechs Prozent Algen-Treibstoff beigemischt wurden. Noch ist allerdings Forschungsarbeit nötig: Die Treibstoffausbeute soll durch Züchtung oder gentechnische Eingriffe höher werden, unerwünschte Nebenstoffe wie Sauerstoff entfernt werden. „Die erste kommerzielle Nutzung von Biosprit kann es frühestens in drei Jahren geben“, glaubt Glover.

Doch dann kann es sehr schnell gehen, glaubt etwa British-Airways-Chef Willie Walsh: „Bis 2017 wird der Anteil von Biosprit in unseren Tanks bei zehn Prozent liegen.“

Die Fortschritte beim Biosprit sind zwar enorm. Dennoch fühlen sich die Fluglinien-Manager von den Ölkonzernen und den Regierungen allein gelassen. Einerseits werden ständig die Regeln verschärft, andererseits werde aber zu wenig Geld in die Erforschung alternativer Treibstoffe gesteckt. „Hier sollten die Regierungen endlich einen Teil der vielen Milliarden investieren, die sie uns im Namen der Umwelt abknöpfen und für andere Dinge verwenden“, schimpft Iata-Chef Bisignani.

Dann wäre die Flugbranche eines Tages vielleicht wirklich vom Schmuddelimage des Klimaschädlings befreit.

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