Abschied von der grünen Biotechnik Genfood: Deutschland steht sich selbst im Weg

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Ultraplumper Lobbyismus

Die Geschichte der Genetik
Bereits Wissenschaftler der Antike interessierten sich für Fragen der Vererbung. Etwa 500 vor Christus erklärte der griechische Philosoph Anaxagoras, dass der Embryo im männlichen Spermium bereits vorgeformt sei. Dass nur der Mann Erbanlagen besitze, behauptete auch Aristoteles etwa 100 Jahre später. Ähnliche Vorstellungen hielten sich noch bis in die Neuzeit hinein, da es an Instrumenten und Technik fehlte, um tiefer in die Forschung eintauchen zu können. Quelle: Gemeinfrei
Den Grundstein zur sogenannten modernen Vererbungslehre legte Gregor Johann Mendel. Der Augustinermönch schrieb 1865 die sogenannten Mendelschen Regeln nieder. Sie erfassen bis heute die Prinzipien für die Vererbung körperlicher Merkmale. In seiner Forschung experimentierte Mendel mit Erbsen, und zwar mit sieben unterschiedlichen Merkmalen reinrassiger Erbsenlinien, und fasste die Ergebnisse seiner Kreuzungsversuche zu drei Grundregeln zusammen. Quelle: Gemeinfrei
1869 wurden in Fischspermien erstmals Nukleinsäuren, die Bausteine der DNA (Desoxyribonukleinsäure), entdeckt. Den Zusammenhang zur Struktur der Erbsubstanz konnten Wissenschaftler bis dahin jedoch nicht herstellen. Erst 19 Jahre später entdeckte Wilhelm von Waldeyer (im Bild) die Chromosomen in menschlichen Zellen. Quelle: Gemeinfrei
1890 wies dann der deutsche Biologe Theodor Boveri nach, dass die Chromosomen Träger der Erbinformation sind.  Quelle: Gemeinfrei
William Bateson war es, der 1906 den Begriff "Genetik" für die Vererbungsgesetze einführte. Quelle: Gemeinfrei
Bereits 1903 vermutete der amerikanische Biologe Walter S. Sutton, dass paarweise auftretende Chromosomen Träger des Erbmaterials sind. Dieser Ansatz wurde ab 1907 von Thomas Morgan an der Drosophila melanogaster (eine Taufliegenart) verfolgt und ausgebaut. Morgan gelang es, Gene als Träger der geschlechtsgebundenen Erbanlagen an bestimmten Stellen der Taufliegen-Chromosomen zu lokalisieren. Für diese Leistung erhielt er 1933 den Nobelpreis für Medizin. Quelle: dpa
James Watson (im Bild) entdeckte gemeinsam mit seinem Kollegen Francis Crick 1953 die Doppelhelixstruktur der DNA. Sie stellten fest, dass das DNA-Molekül ein dreidimensionaler, spiralförmiger Doppelstrang ist, in dessen Innenraum sich die vier Basen immer paarweise zusammenschließen. Das Besondere an dieser Struktur sei, so die beiden Forscher, dass sie sich selbst kopieren könne. Damit hatten Watson und Crick auch den Mechanismus der Vererbung erklärt. Dafür erhielten auch sie den Nobelpreis. Quelle: dpa

Hinzu kommt, dass auch bei der Vermittlung des Themas allerhand schiefging: So brachte etwa der US-Saatgut- und -Spritzmittelkonzern Monsanto, den Gentech-Gegner nur „Monsatan“ nennen, 1996 gentechnisch veränderte Sojabohnen in Europa auf den Markt – ohne Kennzeichnung. Die wurde damals zwar von den Verbrauchern gefordert, war aber in der EU noch nicht vorgeschrieben. In quasikolonialistischer Manier versuchte Monsanto die vermeintlich technophoben Europäer zu belehren, was gut für sie sei. Gezielte Fehlinformationen und ultraplumper Lobbyismus gehörten dabei zum Repertoire.

Der Streit eskalierte über die Jahre, sodass heute kaum noch eine sachliche Debatte möglich ist. Und dieser Dogmatismus hat längst beide Seiten befallen.

Einziger Hoffnungsschimmer scheint in diesen trüben Zeiten Einbeck in Südniedersachsen zu sein. Dort hält der Weltmarktführer für Zuckerrübensaatgut – die 3.500 Mitarbeiter starke KWS – die Fahne grüner Gentechnik made in Germany hoch: „Wir bleiben hier“, sagte KWS-Chef von dem Bussche, als BASF den Rückzug aus Deutschland bekannt gab. Er baut keine Arbeitsplätze ab, sondern 70 neue Stellen in der Forschung und Züchtung auf.

„Wir wollen, dass unsere Molekularbiologen eng mit unseren Pflanzenzüchtern zusammenarbeiten, damit wir weltweit immer besseres Saatgut für die Landwirte anbieten können“, sagt von dem Bussche. Allerdings verkauft auch er in Europa nur noch konventionell hergestelltes Saatgut. Die Gentech-Ware geht ausschließlich nach USA, Südamerika und Asien.

Um das Ruder hier noch einmal herumzureißen, sind vielleicht ganz neue Ansätze nötig. Etwa Aquarienfische, die dank eines Fluoreszenzgens aus einer Qualle knallgrün oder neonorange aufleuchten, wenn das Aquarienlicht einen hohen Blauanteil enthält. Yorktown Technologies aus Texas verkauft die Fische unter dem Namen Glofish seit 2003. Während die Zierfische in Europa nicht vertrieben werden dürfen, hat der US-Künstler Zack Denfeld sie bereits in einem Koch-Video zu Sushi-Rollen verarbeitet. Beim Essen darf die UV-Lampe nicht fehlen, damit der Leuchteffekt auf dem Teller zur Geltung kommt.

Ob solche Partygags europäische Genfood-Gegner auf den Geschmack bringen werden, bleibt allerdings abzuwarten.

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