Bakterien fressen Schmutz Superpflanzen sollen Kläranlagen entgiften

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Zu 99 Prozent entgiftet

Zwei bis drei Jahre dauert es, bis aus Abwässern und belasteten Böden Kompost wird, aus dem die Pflanzen 99 Prozent der Schadstoffe abgebaut haben. „Labortests der Unternehmen SGS, Wessling, Eurofins und SAS Laboratoire haben das bewiesen“, versichert der Franzose. Aus den Pflanzen wird am Ende Dämmmaterial oder Substrat für Biogasanlagen. Er wolle nicht behaupten, dass er „für alles eine Zauberformel“ habe. „Es gibt Stoffe, die Pflanzen nicht verarbeiten können.“ Daher lande, was die Bakterien an Gift übrig lassen – etwa die Schwermetalle Quecksilber oder Cadmium –, in einem separaten Becken. Dort sei die Konzentration der Stoffe so hoch, dass Spezialfirmen sie als Ressource herausfiltern und weiter verwenden könnten, erklärt AEU-Berater Ducreux.

„Gute ökologische Lösungen müssen auch finanziell interessant sein“, sagt Jacquet. Bereits als selbstständiger Umweltberater hatte er für Kommunen Konzepte entwickelt, die günstiger waren als das übliche Verbrennen oder Vergraben von Industrieschlämmen. „Was aber fehlte, waren Unternehmen, die solche Lösungen hätten umsetzen können.“ Also gründete Jacquet diese Firma schließlich selbst.

Trotzdem tat sich der Umwelt-Unternehmer mit der Verbreitung seiner Filtergärten lange schwer. Unter anderem, weil die Reinigung so zeitaufwendig ist: „Bauträger etwa, die belastete Böden entgiften müssen, haben selten so viel Zeit“, sagt AEU-Experte Ducreux. Vor allem aber sieht er Phytorestore im Konflikt mit einer Lobby, die wenig Interesse an alternativen Konzepten zur Abwasseraufbereitung habe.

Tatsächlich teilen sich in Frankreich heute zwei große Unternehmen im Wesentlichen den Entsorgungsmarkt – Veolia und Suez Environnement. Deren Angebote würden von Kommunen und Industriekunden praktisch nie in Zweifel gezogen, sagt Jacquet seufzend. In so einem Szenario mit neuen Ideen durchzudringen sei am Anfang extrem schwer gewesen. „Man hat mich angeschaut wie einen Alt-68er und gefragt, ob ich was geraucht habe.“

In Schwellenländern mit weniger starren Strukturen sei der Markteintritt viel einfacher. Der Erfolg von Jacquets Filialen in Brasilien und China weckte schließlich auch das Interesse heimischer Auftraggeber; so etwa beim Kosmetikriesen L’Oréal oder der Lederwarensparte von Louis Vuitton. Auch die Ferienanlage des Club Med auf Mauritius und die zum Hermès-Konzern gehörende Kristallmanufaktur Saint-Louis-lès-Bitche gehören heute zu Jacquets Klärtechnik-Kunden. Inzwischen arbeite sein Unternehmen mit allen Großunternehmen des französischen Aktienindex CAC40 zusammen, berichtet der Pionier stolz. Sie liefern ihre Schmutzwässer nach La Brosse-Montceaux oder geben bei den inzwischen 40 Spezialisten von Phytorestore hauseigene Pflanzenkläranlagen in Auftrag.

Nun nimmt sich Jacquet die Städtebauer vor: Beim Entwurf neuer Quartiere sollten sie 20 Prozent der Fläche für Filtergärten reservieren, fordert er. „Damit können sie 100 Prozent der Abwässer behandeln. Das ist viel billiger als eine herkömmliche Kläranlage – und sieht zudem schön aus.“

Auch das ist längst mehr als eine Vision: Ein Ecoquartier sorgt bereits vor den Toren von Paris für Aufsehen – direkt neben dem Eurodisney-Park.

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