Bekämpfung von Krankenhauskeimen "Ohne rechtliche Verpflichtung passiert gar nichts"

Wenn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ernsthaft gegen lebensgefährliche Krankenhauskeime vorgehen will, müssen Schnelltests und andere innovative Methoden Pflicht werden, fordert Professor Carsten Perka, einer der Leiter des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) der Beriner Charité.

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WirtschaftsWoche: Professor Perka, sie als Gelenkchirurg haben vor allem mit den Menschen zu tun, die in den Kliniken als Problemgruppen in Sachen multiresistente Keime betrachtet werden, nämlich alte Menschen aus Alten- und Pflegeheimen, die zum Beispiel eine neue Hüfte bekommen sollen. Hilft Ihnen der Vorstoß des Bundesgesundheitsministers Gröhe weiter?

Carsten Perka: Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn der Bundesgesundheitsminister das Thema als wichtig erkannt hat. Denn was wir erleben und in einer aktuellen Studie an der Charité auch nachweisen konnten, ist eine derartig hohe Durchseuchung unserer Patienten mit allen möglichen unangenehmen und gegen Antibiotika weitgehend resistenten Erregern, das ist spektakulär.

Zur Person

Gröhe will einen Zehn-Punkte-Plan erstellen. Welches wäre aus Ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme?

Dreh- und Angelpunkt wird der rechtliche Rahmen sein. Nur wenn ich als Arzt dazu verpflichtet bin, Patienten vor der Aufnahme in meine Klinik daraufhin zu untersuchen, welche Keime sie mitbringen, werde ich das auch tun. Denn bisher ist die Situation doch die folgende: Die klassischen bakteriologischen Tests dauern mehrere Tage und damit viel zu lange. Doch die neuen, teils auch sehr gut funktionierenden Schnelltests auf Erbgut-Basis, die schon existieren, verwendet kaum ein Krankenhaus.

Carsten Perka, einer der Leiter des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) der Beriner Charité, im interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Und warum setzen die Mediziner diese innovativen Gentests gegen Killer-Keime nicht ein?

Ganz einfach: Die neuen Schnelltests kommen nicht zum Einsatz, weil sie mit 200 bis 400 Euro recht teuer sind, aber von den Kassen bisher nicht erstattet werden. Solange ich mich als Arzt meiner Klinikverwaltung gegenüber aber nicht darauf berufen kann, dass ich das zwingend machen muss, kann ich solche Tests nur vereinzelt einsetzen. Dabei wäre es natürlich viel sinnvoller, viel mehr oder sogar alle Patienten vorab einem Keim-Check zu unterziehen, um die Ausbreitung dieser Keime zu unterbinden. Wir wechseln zum Beispiel pro Jahr rund 250 alte Implantate gegen neue aus. Gerade diese Wechselpatienten sollte man untersuchen, weil dort oft multiresistente Keime die Ursache dafür sind, dass das Implantat Probleme macht. Aber 400 Euro mal 250 macht 100.000 Euro, auf denen das Krankenhaus dann sitzen bleibt. Denn die gleichen Politiker, die den Kampf gegen die muliresistenten Keime fordern, wollen auch, dass die Klinikkosten nicht aus dem Ruder laufen und vor allem die städtischen Krankenhäuser keine roten Zahlen schreiben.

Problem-Keime in Krankenhäusern

Wäre es unter dem Strich aber nicht günstiger in Tests zu investieren, statt lebensgefährliche Infektionswellen mit zuweilen tödlichem Ausgang zu riskieren? Auch Ihr Haus, die Charité, hatte diese Probleme bereits. Deutschlandweit sterben daran nach Ministeriumsangaben 15.000 Menschen.

Theoretisch ja. Aber praktisch wird ohne rechtliche Verpflichtung und eine Erstattung rein gar nichts passieren. Denn es kommt ja noch ein weiteres Problem dazu: Wenn  ich die Patienten vorab untersuche, werde ich in einem Großteil der Fälle auch Erreger finden, die ich dann behandeln muss. Erstattet wird aber lediglich der Tausch des Hüftgelenks. Der Fehler liegt im Abrechnungssystem.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will das Thema Killer-Keime sogar auf den Themenplan für den im Sommer in Deutschland stattfindenden G7-Gipfel setzen. Könnte eine solch internationale Bühne hilfreich sein, um solche Rahmenbedingen zu konzipieren?

Konkret für Deutschland wird das wohl wenig Auswirkungen haben. Aber der internationale Austausch ist trotzdem sehr wichtig. Zum Beispiel, um von anderen Ländern zu lernen, die hier schon vorbildlich arbeiten wie etwa die Niederlande. Das wäre sicherlich nützlich.

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