Biokerosin Algen für den Flugzeugtank

Mit besserem Gewissen fliegen: Forscher der Technischen Uni München arbeiten an einem Flugzeugtreibstoff der Zukunft auf Algenbasis. Eine sehr bayrische Zutat kommt bei der Produktion des Biokerosins auch zum Einsatz.

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Das Algentechnikum der TU München, ein Supergewächshaus für Algen. Quelle: dpa

Ottobrunn Wenn Thomas Brück das Licht voll aufdreht, bekommen seine Algen einen Schock. Das will der Professor für Industrielle Biokatalyse an der Technischen Universität München tunlichst vermeiden und reguliert daher eine Hightech-LED-Anlage immer haargenau. Grün plätschert im Labor das Wasser durch stufenartig aufgebaute Kunststoffbecken und wird am Ende wieder hochgepumpt. Der Kreislauf beginnt von vorn.

Drei bis vier Wochen gedeihen die Algen. Dann soll aus ihnen der Grundstoff für Biokerosin entstehen. „Algen wachsen zehnmal schneller als Landpflanzen, produzieren mehr Fette als etwa Raps, brauchen kein Süßwasser und verwerten auch noch Kohlendioxid“, zählt Brück die Vorteile auf. Doch bislang taugen Algen als Treibstoff für Flugzeuge noch nicht, da sie nicht in großer Menge zu rentablen Konditionen produziert werden können.

Mehrere Forschungsprojekte gibt es auf der ganzen Welt, unter anderem im nordrhein-westfälischen Jülich. Brück und sein Team wollen herausfinden, welche Algen wo am besten wachsen – und simulieren dafür Klimazonen von der Halbwüste bis zu den Subtropen in zwei Gewächshäusern in Ottobrunn bei München.

Das Algentechnikum ist eine Art Supergewächshaus. In den Glasscheiben ist eine Folie, so dass UV-Strahlen durchkommen. Mit der LED-Anlage ergänzen die Wissenschaftler das natürliche Sonnenlicht um die fehlende Intensität, damit die Strahlung einem typischen Tagesverlauf etwa im südspanischen Almería entspricht. Die Luftfeuchtigkeit wird entsprechend angepasst. Dann gluckert das blassgrüne Wasser durch die Apparatur, bis sich die Algen zu einer sattgrünen Masse vermehrt haben.

Die technischen Voraussetzungen sind da

Die Kosten von mehr als zehn Millionen Euro teilen sich die Airbus Group und das bayerische Wissenschaftsministerium. Vom Jahr 2020 soll der weltweite Luftverkehr nach Angaben der Biokraftstoff-Initiative der Deutschen Luftfahrt (Aireg) CO2-neutral wachsen – auch durch den Einsatz regenerativer Treibstoffe. Diese sollen 2025 in Deutschland zu zehn Prozent beigemischt werden.

Manfred Aigner, Vorstandsmitglied und Leiter des Instituts für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, ist von dem Ansatz im Prinzip überzegt: „Die technischen Voraussetzungen zum Einsatz von Biosprit sind da.“ Einige Airlines haben ihn schon getestet.

„Der Linienverkehr scheitert aber an den Kosten“, so Aigner. Mit dem Fall des Erdölpreises sei herkömmliches Kerosin im Vergleich zum Biokerosin noch billiger geworden. Den Anteil zu steigern werde nur unter Zwang oder mit Unterstützung klappen. Bei Algen komme hinzu, dass es technische Probleme etwa bei der Ernte zu lösen gelte. Noch sei der Energieaufwand hoch, die Ausbeute gering.


Ein Allheilmittel sind die Algen sicher nicht

Die Initiative Aireg bezeichnet den Beitrag der ältesten und einfachsten Organismen zum Biokerosin als „vielversprechend“. Neben den hohen Kosten seien jedoch Investitionen in Großanlagen zur Algenproduktion erforderlich. Auch Brück geht davon aus, dass Algen kein Allheilmittel sind. Der Kerosinbedarf in der Welt betrage pro Jahr 1,7 Milliarden Liter, erklärt er. „Wir wären froh, wenn drei bis fünf Prozent mit Algen zu decken sind.“

Den Algen in den Testläufen werden nach rund zwei Wochen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff entzogen. Weil sie dann keinen Zucker mehr produzieren können, bilden sie Fette. Der Fettgehalt liege derzeit bei 60 bis 70 Prozent, die fast vollständig mittels eines Katalysators in Kerosin verwandelt werden, erklärt Daniel Garbe, einer der Mitarbeiter an dem Projekt. Wenn die Forscher die besten Bedingungen für die ergiebigsten Algen gefunden haben, soll die industrielle Produktion starten. Bis dahin dürften allerdings noch sieben bis zehn Jahre vergehen.

Bis dahin rödeln zwei riesige Klimaanlagen im Obergeschoss des 1500 Quadratmeter großen Gebäudes. Vor der Stromrechnung graue es ihm, sagt Brück. Aber Mitarbeiter Garbe macht deutlich, dass es günstiger sei, alle möglichen Klimata im Algentechnikum zu testen, statt überall auf der Welt Testanlagen zu installieren: „Entweder Sie gehen nach Papua-Neuguinea oder Sie bringen Papua-Neuguinea nach Bayern.“

Apropos Bayern: Das Team arbeitet mit Algen aus hypersalinen Seen, also solchen mit einem Salzgehalt von sechs bis neun Prozent. Zum Vergleich: Das Meer hat im Schnitt einen Salzgehalt von drei Prozent. Um eine gute Konzentration für die Algen zu mischen, seien viele Salze getestet worden, sagt Brück. Fündig wurden die Forscher schließlich bei einem sehr bayrischen Stoff: „Das beste Salz war Brezn-Salz.“

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