Biosphäre 2 Eine der schlechtesten Ideen des Jahrhunderts

Abgeschottet Leben wie auf dem Mars, solche Experimente hat es in jüngerer Zeit häufiger gegeben. Keines war aber so radikal wie „Biosphäre 2“, das vor 25 Jahren startete – und anders ausging als geplant.

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Vor 25 Jahre startete hier das erste Langzeitexperiment zum Leben in einem autarken Ökosystem. Quelle: dpa

New York Mit großen Hoffnungen zogen acht Wissenschaftler vor 25 Jahren, am 26. September 1991, in einen Kuppelbau im US-Bundesstaat Arizona ein. „Biosphäre 2“ hieß das Projekt: Die vier Männer und vier Frauen sollten in dem Bau aus Glas und Stahl gemeinsam mit rund 3800 Tier- und Pflanzenarten in einem autarken Ökosystem leben.

Das von dem US-Milliardär Edward Bass mit rund 150 Millionen Dollar finanzierte Experiment sollte beweisen, dass in einem von der Außenwelt so gut wie vollständig abgeschlossenen Ökosystem Leben möglich ist. Ein Experiment auch im Hinblick auf potenzielle Siedlungen auf Mond oder Mars.

Wie geplant war das Projekt zwei Jahre nach dem Einzug vorbei – gescheitert, wie viele Beobachter sagten. „Es bedarf großer Anerkennung für diese acht Menschen, dass wir überhaupt gemeinsam hier rauslaufen konnten“, sagte Teilnehmerin Abigail Alling später in einem Interview. „Menschliche Gruppendynamik“ sei in dem Kuppelbau die größte Herausforderung gewesen, Details wollte sie keine nennen.

Rund 15 Prozent ihres Gewichts verloren die Teilnehmer durchschnittlich im Lauf des Experiments. Kakerlaken und Ameisen breiteten sich rasant aus. Tausende kleiner Dinge waren in den zwei Jahren in das Glashaus gebracht worden, darunter Saatgut, Schlaftabletten und Mausefallen.

Den Bionauten gelang es, sich zu 88 Prozent durch den Anbau von Pflanzen sowie der Haltung von Ziegen und Hühnern zu ernähren. Sie nutzten jedoch auch eingelagerte Vorräte. Als sie herauskamen, wirkten sie bleich und abgemagert.

Schon kurz nach Beginn des Projekts hatte sich eine Teilnehmerin aus Versehen bei der Arbeit an einer Dreschmaschine eine Fingerspitze abgeschnitten und musste den Kuppelbau verlassen, um sich behandeln zu lassen. Als sie zurückkam, brachte sie entgegen der Vorgaben zwei Taschen voller Proviant mit.

Zudem kam heraus, dass die Veranstalter eine Art Kohlendioxid-Sauger eingebaut und Sauerstoff von außen zugeführt hatten. So einfach war das Leben auf der Erde (der Biosphäre 1) eben nicht nachzuahmen gewesen.


Die Wissenschaftswelt ist gespalten

Die Wissenschaft war gespalten. Einige Forscher fanden das Experiment spannend und ergiebig, andere überteuert, moralisch fragwürdig und sinnlos. Das Time-Magazin zählte es zu den „100 schlechtesten Ideen des Jahrhunderts“. Trotzdem zog 1994 eine zweite Gruppe für sechs Monate in den Kuppelbau in Arizona ein.

Mehrere ähnliche Experimente hat es seitdem gegeben, aber wohl keines war so extrem wie „Biosphäre 2“. Jüngst verbrachte eine kleine internationale Forschergruppe beispielsweise 365 Tage am Hang eines Vulkans auf Hawaii und simulierte dort ein Leben wie auf dem Mars.

Darunter war auch die deutsche Geophysikerin Christiane Heinicke aus Sachsen-Anhalt. Trink- und Kochwasser waren streng rationiert. Die einzige Kontaktmöglichkeit mit der Außenwelt waren E-Mails, die in jede Richtung 20 Minuten verzögert wurden, um den Übertragungsweg Erde-Mars zu simulieren. Es gab weder Telefon noch Fernsehen. Trotz solcher Einschränkungen fiel das Fazit der Teilnehmer anders als bei Biosphäre 2 durchaus positiv aus.

Der Kuppelbau des „Biosphäre 2“ steht nach wie vor nördlich der Stadt Tucson in Arizona. Heute nutzt die Universität des Bundesstaates das Gebäude für Forschung und Lehre. Gegen eine Eintrittsgebühr von 20 Dollar kann heute jeder die „Biosphäre 2“ besuchen.

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