Jeder Körperzelle wollten sie eine Art Reparaturset zuschicken und mithilfe von Genfähren wie Retro- oder Adeno-Viren einbauen. Doch das war deutlich schwieriger als gedacht. Denn die Gene landeten nicht dort, wo sie hingehörten. Sie brachten stattdessen Unordnung in die Erbanlagen und lösten Krebs aus. Ein Todesfall in den USA brachte die Gentherapieforschung schließlich zum Erliegen.
Erst im vorigen Jahr gelang es dem niederländischen Unternehmen Uniqure mit neuen Ideen und einer neuen Technik, die erste Gentherapiezulassung in der westlichen Welt zu bekommen – für eine sehr seltene, erblich bedingte Fettstoffwechselkrankheit. Warum es funktioniert? Die Uniqure-Forscher lassen ihre Viren das frische Reparaturerbgut zwar in den Zellkern bringen. Dort bilden sie aber eine eigene Einheit, ein Inselgenom. Das kann das Erbgut der Zellen nicht weiter stören.
Umstrittene Therapie
Noch eleganter wäre aus technologischer Sicht, defekte Gene direkt bei der Entstehung des Embryos zu reparieren, solange er noch aus sehr wenigen Zellen besteht. Doch diese Keimbahntherapie ist umstritten. Zu nah kommt sie der Vorstellung der nationalsozialistischen Optimierung durch Zuchtwahl. Zudem wirkt sie sich nicht nur auf den behandelten Menschen, sondern auf alle seine Nachkommen aus. Das war bisher ein Tabu.
Eine Art Keimbahntherapie light haben die Forscher in Großbritannien jetzt allerdings mit ihrer neuen Technik für mitochondriale Erkrankungen entwickelt: Der Gruppe um Doug Turnbull von der Universität Newcastle ist es durch die Fusion von drei Keimbahnzellen gelungen, defekte Mitochondrien einer Mutter durch intakte Mitochondrien einer Spenderin zu ersetzten. Das Besondere an den Mitochondrien ist nämlich: Sie haben einen eigenen Satz von Genen außerhalb des Zellkerns, in dem sich das restliche Erbgut des Menschen befindet. Und sie werden nur über die Mutter und deren Eizellen vererbt.
De facto drei biologische Eltern
Das Keimbahnverfahren ist jedoch umstritten, weil ein so gezeugtes Kind de facto drei biologische Eltern hätte. Turnbull hält den Effekt für minimal: „Was wir getan haben, ist so, als wechsle man die Batterien eines Laptops. Die Energiezufuhr funktioniert anschließend, ohne dass die Informationen, die auf der Festplatte gespeichert sind, verändert worden wären.“
Genau dieselben mitochondrialen Erkrankungen haben Shoukhrat Mitalipov und seine Kollegen in Oregon im Blick, denen das Klonen menschlicher Zellen gelang. Sie verschmelzen dazu eine entkernte Spender-Eizelle mit ihren vielen gesunden Mitochondrien mit dem Zellkern eines Kranken. Den so entstandenen Embryo lassen sie einige Tage wachsen. Dann entnehmen aus der Mitte des Zellhäufchens die begehrten embryonalen Stammzellen, die sich dort gebildet haben. Sie können sich zu sämtlichen über 200 Gewebetypen weiterentwickeln, die der Körper besitzt.
Rückprogrammierte Körperzellen
Zellen mit dieser Potenz suchen alle Stammzellforscher, um Organe, Knochen, Nerven oder Blutzellen nachwachsen zu lassen. Weil das therapeutische Klonen aber zunächst einen Embryo kreiert, der nach ein paar Tagen leer gesaugt und weggeworfen wird, haben sich die meisten Forscher inzwischen auf rückprogrammierte Körperzellen verlegt, die der Japaner Shin’ya Yamanaka 2006 entwickelte. 2012 bekam er dafür den Nobelpreis.
Einziger Nachteil: Mitochondrien-Defekte werden bei dieser Art des Rückprogrammierens nicht repariert, räumt der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle ein. Hier könnte einer der Vorteile des Klonverfahrens liegen. Doch Brüstle ist skeptisch, „ob dies angesichts der Probleme wie Eizellspende und Erzeugung eines frühen Embryos klinisch realisierbar ist“.
Eines ist jedenfalls klar: Zunächst schürt solch ein Klonverfahren erneut Ängste – vor allen biotechnischen Verfahren.