Biotechnik Was die neuen Gen-Technologien bringen

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Schwieriger als gedacht

Die häufigsten Todesursachen in Deutschland
Im Jahr 2013 verstarben in Deutschland insgesamt 893.825 Menschen, davon 429.645 Männer und 464.180 Frauen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist damit die Zahl der Todesfälle gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent angestiegen. Durch einen Suizid beendeten 10.076 Menschen ihr Leben, wobei der Anteil der Männer mit 73,9 Prozent fast dreimal so hoch war wie der Anteil der Frauen mit 26,1 Prozent. Quelle: dpa
In 10.842 Fällen (4 972 Männer und 5 870 Frauen) war ein Sturz die Ursache für den Tod. Quelle: dpa
Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten waren für 18.475 Sterbefälle verantwortlich. Quelle: dpa
3,8 Prozent aller Todesfälle waren auf eine nicht natürliche Todesursache wie zum Beispiel eine Verletzung, einen Unfall oder eine Vergiftung zurückzuführen (34.133 Sterbefälle). Quelle: dpa
Eine deutliche Zunahme um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist bei den Psychischen und Verhaltensstörungen festzustellen. Hieran verstarben 2013 insgesamt 36.117 Menschen, davon 14.241 Männer und 21.876 Frauen. In 80 Prozent dieser Sterbefälle war eine Demenzerkrankung die Todesursache. Quelle: dpa
Die Zahl der Sterbefälle infolge von Krankheiten des Verdauungssystems betrug im vergangenen Jahr 40.112. Das entspricht einer Rate von 4,5 Prozent. Quelle: dpa
Mann packt scih an die Brust Quelle: dpa

Jeder Körperzelle wollten sie eine Art Reparaturset zuschicken und mithilfe von Genfähren wie Retro- oder Adeno-Viren einbauen. Doch das war deutlich schwieriger als gedacht. Denn die Gene landeten nicht dort, wo sie hingehörten. Sie brachten stattdessen Unordnung in die Erbanlagen und lösten Krebs aus. Ein Todesfall in den USA brachte die Gentherapieforschung schließlich zum Erliegen.

Erst im vorigen Jahr gelang es dem niederländischen Unternehmen Uniqure mit neuen Ideen und einer neuen Technik, die erste Gentherapiezulassung in der westlichen Welt zu bekommen – für eine sehr seltene, erblich bedingte Fettstoffwechselkrankheit. Warum es funktioniert? Die Uniqure-Forscher lassen ihre Viren das frische Reparaturerbgut zwar in den Zellkern bringen. Dort bilden sie aber eine eigene Einheit, ein Inselgenom. Das kann das Erbgut der Zellen nicht weiter stören.

Die Volkskrankheiten der Deutschen
AU-Bescheinigung Quelle: dpa
Gehirnansicht Quelle: dpa/dpaweb
Mammographie Quelle: dpa/dpaweb
Depressionen Quelle: dpa
Angststörungen Quelle: dpa
Raucherin Quelle: dpa
Fettleibigkeit Quelle: dpa

Umstrittene Therapie

Noch eleganter wäre aus technologischer Sicht, defekte Gene direkt bei der Entstehung des Embryos zu reparieren, solange er noch aus sehr wenigen Zellen besteht. Doch diese Keimbahntherapie ist umstritten. Zu nah kommt sie der Vorstellung der nationalsozialistischen Optimierung durch Zuchtwahl. Zudem wirkt sie sich nicht nur auf den behandelten Menschen, sondern auf alle seine Nachkommen aus. Das war bisher ein Tabu.

Eine Art Keimbahntherapie light haben die Forscher in Großbritannien jetzt allerdings mit ihrer neuen Technik für mitochondriale Erkrankungen entwickelt: Der Gruppe um Doug Turnbull von der Universität Newcastle ist es durch die Fusion von drei Keimbahnzellen gelungen, defekte Mitochondrien einer Mutter durch intakte Mitochondrien einer Spenderin zu ersetzten. Das Besondere an den Mitochondrien ist nämlich: Sie haben einen eigenen Satz von Genen außerhalb des Zellkerns, in dem sich das restliche Erbgut des Menschen befindet. Und sie werden nur über die Mutter und deren Eizellen vererbt.

De facto drei biologische Eltern

Das Keimbahnverfahren ist jedoch umstritten, weil ein so gezeugtes Kind de facto drei biologische Eltern hätte. Turnbull hält den Effekt für minimal: „Was wir getan haben, ist so, als wechsle man die Batterien eines Laptops. Die Energiezufuhr funktioniert anschließend, ohne dass die Informationen, die auf der Festplatte gespeichert sind, verändert worden wären.“

Genau dieselben mitochondrialen Erkrankungen haben Shoukhrat Mitalipov und seine Kollegen in Oregon im Blick, denen das Klonen menschlicher Zellen gelang. Sie verschmelzen dazu eine entkernte Spender-Eizelle mit ihren vielen gesunden Mitochondrien mit dem Zellkern eines Kranken. Den so entstandenen Embryo lassen sie einige Tage wachsen. Dann entnehmen aus der Mitte des Zellhäufchens die begehrten embryonalen Stammzellen, die sich dort gebildet haben. Sie können sich zu sämtlichen über 200 Gewebetypen weiterentwickeln, die der Körper besitzt.

Rückprogrammierte Körperzellen

Zellen mit dieser Potenz suchen alle Stammzellforscher, um Organe, Knochen, Nerven oder Blutzellen nachwachsen zu lassen. Weil das therapeutische Klonen aber zunächst einen Embryo kreiert, der nach ein paar Tagen leer gesaugt und weggeworfen wird, haben sich die meisten Forscher inzwischen auf rückprogrammierte Körperzellen verlegt, die der Japaner Shin’ya Yamanaka 2006 entwickelte. 2012 bekam er dafür den Nobelpreis.

Einziger Nachteil: Mitochondrien-Defekte werden bei dieser Art des Rückprogrammierens nicht repariert, räumt der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle ein. Hier könnte einer der Vorteile des Klonverfahrens liegen. Doch Brüstle ist skeptisch, „ob dies angesichts der Probleme wie Eizellspende und Erzeugung eines frühen Embryos klinisch realisierbar ist“.

Eines ist jedenfalls klar: Zunächst schürt solch ein Klonverfahren erneut Ängste – vor allen biotechnischen Verfahren.

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