Bisphenol A In unserem Blut fließt Plastik

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Wie krank Bisphenol A macht

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Dass die Chemikalie schon ab einer kleinen bis mittleren Dosierung gesundheitsschädigend sein kann, haben Studien des Wissenschaftlers Frederick vom Saal erst Mitte der 90er Jahre belegt. Danach würde der Stoff die Spermienproduktion verringern, die Entwicklung des Gehirns beeinflussen, das Gewicht der Prostata erhöhen und eine Veränderung des Erbguts bewirken. Damit stellte der Forscher die bis dahin geltende wissenschaftliche Regel „Die Dosis macht das Gift“ auf den Kopf. Anders als bis dahin angenommen, wird BPA in geringen Mengen sogar stärker als in großen.

Nur drei Jahre später fand die Molekularbiologin Patricia Hunt Hinweise darauf, dass Bisphenol A zu Störungen im Erbgut führen könnte. Das Phänomen beobachtete sie bei Mäusen, die neue Plastikkäfige mit Plastikwasserflaschen aus Polykarbonat erhalten hatten. In anschließenden Tests zeigte sich, dass die Chromosomenschäden an den Weibchen über Generationen wirkten. Diese Defekte seien für Fehlgeburten verantwortlich.

Darüber hinaus hat Dieter Swandulla von der Universität Bonn erst im Dezember in einer Studie gezeigt, wie Enzyme und Transportproteine in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Durch Experimente an Gewebeproben von Mäusen und Menschen konnten er und sein Team feststellen, dass BPA für die Zellfunktion wichtige Kalzium-Kanäle in der Zellmembran blockiert. Durch diese Kanäle strömt das Kalzium in die lebenden Zellen, wodurch etwa die Kontraktion der Herzmuskelzellen oder die Kommunikation von Nervenzellen untereinander gesteuert wird.

Anteil der hormonell belasteten Produkte der größten Hersteller
Beiersdorf46 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. bekannteste Marken: Nivea, 8x4 Quelle: dpa
Procter & Gamble46 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Wella, Head & Shoulders Quelle: AP
L'Oréal45 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Garnier, L'Oréal Men Expert Quelle: REUTERS
Cosnova44 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Essence, Catrice Quelle: Presse
Coty39 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Lancaster, Manhattan Quelle: dpa
Henkel30 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Schwarzkopf, Syoss Quelle: dpa
Rossmann27 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Alterra, Isana Quelle: dapd

„Der Großteil der Studien unabhängiger Wissenschaftler zeigt schädigende Effekte “, ordnet Sarah Häuser, Expertin für Chemikalienpolitik und Nanotechnologie beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), ein. Auch eine Überblicksstudie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Wirkung hormoneller Stoffe gebe den Wissenschaftlern Recht. Die Studie zeigt eindeutig, dass die Zahl der Brust-, Prostata- und Hodenkrebsfälle in den vergangenen Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Auch verfrühte Pubertät bei Mädchen wird immer häufiger. Ebenso die reduzierte Spermienqualität (um bis zu 40 Prozent) bei Männern und Übergewicht. „All diese Symptome können mit hormonellen Störungen in Zusammenhang gebracht werden, wie sie zum Beispiel Bisphenol A auslöst“, sagt Sarah Häuser.

Die WHO schreibt in ihrer Studie, dass genetische Faktoren diesen Sprung an hormonell bedingten Krankheiten in der Statistik nicht erklären. Er sei nur durch äußere Einflüsse zu erklären. Daher hat die Behörde hormonell wirksame Chemikalien als "globale Bedrohung" bezeichnet. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Plastik vergiftet die Menschen in den Industrienationen.

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