Cornelia Stolze "Demenz ist eine Nebenwirkung von Valium"

Eine Studie zeigt: Beruhigungs- und Schlafmittel wie Valium können Alzheimer-Symptome hervorrufen. Die Biologin Cornelia Stolze warnt nachdrücklich vor dem regelmäßigen Gebrauch solcher Medikamente.

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Autorin und Interview-Partnerin Cornelia Stolze Quelle: Kirsten Nijhof

WirtschaftsWoche: Frau Stolze, eine aktuelle Studie an knapp 9000 über 66-Jährigen konnte zeigen, dass Beruhigungs- und Schlafmittel wie etwa Valium, Rohypnol oder Dormicum Alzheimer-Symptome hervorrufen. Überrascht Sie das?

Vita zu Cornelia Stolze

Cornelia Stolze: Nein, ganz und gar nicht. Denn es belegt die Grundthese meines 2011 erschienenen Buches „Vergiss Alzheimer“: Medikamente wie die hier untersuchten Benzodiazepine haben starke Nebenwirkungen – gerade bei älteren Menschen, denen sie nach wie vor massenhaft verschrieben werden, obwohl mal längst weiß, dass diese Mittel für Senioren extrem schädlich sind. Das Fatale daran ist nämlich, dass diese Präparate bei etlichen älteren Menschen als Nebenwirkungen Symptome hervorrufen, die denen einer Demenz gleichen, also Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen und Orientierungslosigkeit. Doch viele Ärzte erkennen das nicht und deuten die Nebenwirkungen nun als beginnende Alzheimer-Erkrankung. Statt die Medikamente abzusetzen, damit die alten Herrschaften wieder zu klarem Verstand kommen, verschreiben etliche Mediziner dann neue Pillen.

Was mich allerdings schon erstaunt: wie stark der Effekt der Benzodiazepine auf das Gehirn ist. Die Studienergebnisse zeigen, dass schon eine Einnahmezeit von drei bis sechs Monaten ausreicht, um bei 32 Prozent der Beobachteten eine Demenz hervor zu rufen. Wer länger als sechs Monate die hirnaktiven Tranquilizer schluckte, bei dem erhöhte sich die Chance auf 84 Prozent. Das ist erschreckend.

von Dieter Dürand, Susanne Kutter

Die Autoren der Studie sprechen allerdings nicht von Demenz-Erscheinungen, sondern davon, dass Valium & Co. den Ausbruch der Alzheimer-Erkrankung befördert.

Das halte ich für einen großen Fehler. Denn damit erhalten die Patienten ein Etikett, das äußerst fragwürdig ist. Fakt ist nämlich, dass die Diagnose Alzheimer wissenschaftlich auf tönernen Füßen steht. In Wirklichkeit weiß niemand, was Alzheimer ist. Die Definition dieser Krankheit ist extrem schwammig. Und bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass selbst Experten dieses rätselhafte Leiden gar nicht diagnostizieren beziehungsweise nachweisen können. Wie ich bei den Recherchen für mein Buch herausgefunden habe, lässt sich ein Großteil der angeblichen Alzheimer-Erkrankungen stattdessen auf die Nebenwirkungen von Medikamenten zurückführen. Dazu zählen übrigens nicht nur die Beruhigungs- und Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, sondern auch die sogenannten Z-Drugs wie Zolpidem, die ebenfalls als Schlafmittel eingesetzt werden. Und auch viele weitere Medikamente gegen Schmerzen, Bluthochdruck, Depressionen, Parkinson oder Allergien haben ganz ähnliche Effekte. Gerade ältere Menschen schlucken solche Präparate ja oft häufig und über längere Zeiträume. Und oftmals auch nicht nur eines davon, sondern gleich einen ganzen Cocktail.

Das klingt ja gruselig.

Wie man´s nimmt. Ich finde diese Erkenntnis hat auch etwas sehr Beruhigendes. Denn viele Menschen fürchten sich vor dem Schreckgespenst Alzheimer. Tatsächlich wird diese Angst von Arzneimittelherstellern und Forschern auch ganz gezielt geschürt. Und immer wieder wird dabei der Eindruck erweckt, dass diese Krankheit einen schicksalshaft ereilen könnte oder sogar auf Grund bestimmter Gene unausweichlich sei. In Wirklichkeit spricht jedoch vieles dafür, dass Demenz häufig eben kein unausweichliches Schicksal ist und dass jeder Einzelne viel dafür tun kann, sein Risiko dafür zu senken. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei ein gesunder Lebensstil.

Ganz wichtig ist auch, dass jeder Patient selbst sehr genau im Blick behält, was er für Medikamente schluckt – und welche nachteiligen, nicht erwünschten Wirkungen sie möglicherweise entfalten. Das gilt übrigens nicht nur für Ältere – wo dann auch Verwandte und Betreuer gefordert sind – sondern für Menschen aller Altersklassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele Erkrankungen, die heute diagnostiziert werden, nicht auf körperliche oder psychische Defekte zurückgehen, sondern durch die Einnahme von Medikamenten und deren Nebenwirkungen hervorgerufen werden. „Krank durch Medikamente“ heißt deshalb mein nächstes Buch, dass Mitte Oktober erscheinen wird.

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