Dauerfrost zu Ostern Hat der Klimawandel eine Pause eingelegt?

Angesichts der seit Wochen anhaltenden Kälte keimen bei so manchem Bürger Zweifel, ob der von Wissenschaftlern beschworene Temperaturanstieg wirklich ein ernstzunehmendes Problem sei. Peter Lemke, Leiter des AWI-Fachbereiches Klimawissenschaften, erklärt warum der lange Winter kein Anzeichen für ein Ende der globalen Erwärmung ist.

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Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Lemke, angesichts der aktuellen Kälte zum Frühlingsanfang keimt bei so manchem Mitteleuropäer der Verdacht, der Klimawandel hätte entgegen aller wissenschaftlichen Vorhersagen eine Pause eingelegt. Hat er das?

Peter Lemke: Nein, das hat er nicht. Um allerdings Anhaltspunkte für diese Aussage zu finden, müssen wir über die Grenzen Europas hinausschauen und den Blick auf den ganzen Globus richten. Wenn wir uns zum Beispiel die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen der Erde für den Monat Februar ansehen, wird deutlich, dass es in vielen Ländern der Welt, vor allem aber in Russland, Kanada, Australien und Alaska, bis zu fünf Grad Celsius wärmer gewesen ist als normal. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Region Kalifornien und Mitteleuropa. Deren Februar-Mitteltemperatur lag um ein bis zwei Grad unter dem Normalwert. Insgesamt betrachtet aber war es im Februar auf der Erde 0,5 Grad Celsius zu warm. Das bedeutet, die globale Erwärmung ist weiter am Werke, auch wenn regionale Unterschiede, die wir Mitteleuropäer vor allem im Winter zu spüren bekommen, einen anderen Eindruck vermitteln.

 

Das Gefühl von Dauerkälte hält aber zumindest in Norddeutschland schon seit einer kleinen Ewigkeit an.

Peter Lemke, Leiter des Fachbereiches Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Quelle: Presse

Die Wetterdaten sagen etwas anderes. In den typischen Wintermonaten Dezember und Januar war es in Deutschland für Winterverhältnisse etwas zu warm. Im Februar dagegen lag die Durchschnittstemperatur dann leicht unter dem Normalwert. Das bedeutet, dass sich am Ende die drei Monatswerte ausgeglichen haben und wir rückblickend betrachtet tatsächlich einen ganz normalen Winter hatten. Dieser hat allerdings erst im Januar und damit verhältnismäßig spät so richtig angefangen. Dafür zieht er sich jetzt bis weit in die Frühlingszeit hinein. Der März wird daher deutlich kälter als normal werden.

 

Forscher Ihres Fachbereiches Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Institut sind bei Modellberechnungen zu dem Ergebnis gekommen, dass in Mitteleuropa kalte Winter, wie wir ihn gerade erleben, im Zuge des Klimawandels vermutlich häufiger auftreten werden. Ein Grund dafür sei die schrumpfende Eisdecke der Arktis, heißt es. Wie hängt denn das Meereis mit unserem Winterwetter zusammen?

Der Grund für die derzeit anhaltende Kältewelle ist ein stabiles Hochdruckgebiet über Skandinavien, um das sich die Luft im Uhrzeigersinn dreht. Im Zuge dieser Drehung leitet es kalte arktische Luft aus dem Osten nach Deutschland. Unsere Atmosphärenforscher Klaus Dethloff, Dörthe Handorf und Ralf Jaiser von der AWI-Forschungsstelle Potsdam konnten im vergangenen Jahr zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der sich in den Wintermonaten solche stabilen Hochdruckgebiete über Nordeuropa ausbreiten, steigt, wenn im vorhergehenden Sommer die arktische Eisdecke stark geschrumpft war (siehe AWI-Pressemitteilung vom 26. Januar 2012).

Europäische Winter werden kälter

Die schönsten Sonnen-Reiseziele im Winter
SüdafrikaDas Gastgeberland der Fußball-WM 2010 hat seine Aufgabe anscheinend mit Bravour bestanden: 83 Prozent der damaligen WM-Besucher gaben laut FIFA Marketing Research nach ihrer Reise an, Südafrika wieder besuchen zu wollen. Vergangenes Jahr nahm das Land 9,6 Milliarden Euro durch Touristen ein. Südafrika bietet seinen Besuchern eine atemberaubende Natur und Metropolen, wie Kapstadt und Johannesburg. Generell ins südliche Afrika führten laut ADAC-Reisemonitor vergangenes Jahr 1,1 Prozent der deutschen Fernreisen. Quelle: gms
MexikoAzteken-Tempel und Strandparadiese, wie Cancun, zogen 2011 rund 23,4 Millionen Touristen an. Der World Tourism Organisation nach ist Mexiko somit das zehntbeliebteste Reiseziel der Welt. Von deutschen Fernreisenden führte es 0,2 Prozent nach Mexiko. Quelle: REUTERS
SeychellenDie Seychellen im Indischen Ozean leben vom Fremdenverkehr. 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind hier beschäftigt und erwirtschaften 70 Prozent des Volkseinkommens. Investoren setzten in den vergangenen Jahren vor allem auf den Fünfsternebereich, wo Hotels neu- oder ausgebaut worden sind. Quelle: dpa
AustralienNatur-Highlights, wie das Great Barrier Reef und der Ayers Rock, sowie Millionenmetropolen, wie Sydney und Melbourne, locken jährlich zahlreiche Touristen nach Australien. Bei den deutschen Fernreisenden waren es laut ADAC Reise-Monitor vergangenes Jahr 0,2 Prozent (gemeinsam mit Neuseeland und der Südsee). Damit landet Australien auf Platz elf der beliebtesten Fernreiseziele der Deutschen 2011.   Quelle: gms
Karibische InselnDie Bahamas und die Antillen – allein die Namen klingen traumhaft. An den Stränden von Kuba bis Jamaika ließen es sich 2011 rund 0,8 Prozent der deutschen Fernreisenden gut gehen. Quelle: dpa
MalaysiaDer Staat im südchinesischen Meer lockte laut der World Tourism Organisation vergangenes Jahr 24,9 Millionen Besucher an. Damit war Malaysia das weltweit neuntbeliebteste Reiseland. Davor liegt Deutschland mit 28,4 Millionen Besuchern. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören außer Stränden und Tempeln die Petronas Towers in der Hauptstadt Kuala Lumpur. Mit ihrer Höhe von 452 Metern hatten sie zweitweise den Status der höchsten Bürogebäude der Welt inne. Quelle: REUTERS
MauritiusDer Tourismus ist Hauptfaktor des mauritischen Wachstums. Rund 965.000 Touristen besuchten 2011 den Inselstaat im Indischen Ozean. Im Vorjahr waren es 935.000. Deutschland lag mit 5,65 Prozent der ausländischen Touristen an sechster Stelle. Das Land besticht vor allem durch seine Badestrände. Quelle: AP

Welches sind die Gründe dafür?

Wo im Sommer das Meereis großflächig verschwindet, fehlt es im Anschluss gleich doppelt. Zum einen als weiße Reflexionsschicht, die das Sonnenlicht wie ein Spiegel ins All zurückstrahlt. Ohne das Eis haben die Sonnenstrahlen freie Bahn. Sie dringen großflächig in den dunklen Ozean ein und erwärmen das Meer. Wenn sich dann im Herbst die Luft in der Arktis wieder abkühlt, fehlt die Eisdecke ein zweites Mal – diesmal in ihrer Funktion als Dämmschicht oder Deckel, der verhindert, dass der Ozean die gespeicherte Wärme wieder an die Atmosphäre abgibt.

Folgen des Klimawandels in Deutschland


Heutzutage geschieht also genau das?

Ja, der eisfreie Ozean überträgt seine Wärme an die Luftschicht über der Meeresoberfläche. Diese erwärmt sich, steigt auf und verändert die gewohnten Bahnen, auf denen die Luftmassen in der Atmosphäre wandern. Als eine Folge bilden sich dann oft Hochdruckgebiete über Skandinavien aus, die eben auch mal bis zu vier Wochen lang stabil bleiben und das Wettergeschehen in Mitteleuropa bestimmen. Unsere Computermodelle bilden diese Muster und Zusammenhänge inzwischen schon sehr gut ab, scheitern aber noch mit der Vorhersage des zeitlichen Auftretens.

 

Lässt sich denn mithilfe dieser Erkenntnisse schon vorhersagen, ob wir Mitteleuropäer auch in den kommenden Wintern wieder so lange Zeit Mütze, Schal und Handschuhe brauchen werden?

Nein, wir Klimawissenschaftler können solche Vorhersagen bisher nicht treffen – und vermutlich werden wir auch in Zukunft nicht in der Lage sein, glaubwürdige Aussagen über das Wetter der nächsten eins, zwei oder drei Jahren zu machen. Die Schwierigkeit liegt nämlich darin, dass die Genauigkeit von Wettervorhersagen abnimmt, je größer der Vorhersagezeitraum wird. Meteorologen wissen heutzutage ziemlich genau, wie das Wetter in den nächsten zwei oder drei Tagen wird. Bei allem darüber hinaus steigt die Ungewissheit: Zum einen weil wichtige Wetterfaktoren wie Temperatur, Wind, Sonneneinstrahlung oder Luftfeuchtigkeit turbulenten Prozessen unterliegen, die im Prinzip deterministisch – im Sinne einer Wettervorhersage – nicht über mehr als etwa 10 Tage vorhersagbar sind.

Zum anderen kommt es zu nahezu unkalkulierbaren Rückkopplungen, die deterministische Klimavorhersagen über Monate hinweg unmöglich machen. Klimavorhersagen sind – anders als Wettervorhersagen – Prognosen für den mittleren Zustand und die Variabilität des Wetters in einem Monat oder einer Jahreszeit. Zurzeit helfen uns die Klimamodelle bei der regionalen Vorhersage noch nicht weiter, wie Klaus Dethloff und Dörthe Handorf im vergangenen Jahr in einer zweiten Studie gezeigt haben. Da ist noch einige Arbeit zu tun. Aber wir sind auf einem guten Weg, denke ich.

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