Deutscher Nachhaltigkeitspreis Alain Caparros: Was zeichnet den Rewe-Chef aus?

Voilà – Rewe-Chef Alain Caparros belegt den ersten Platz in der Kategorie "Deutschlands Köpfe der Nachhaltigkeit". Nichts ist dem Franzosen wichtiger, als das grüne Gen in die DNA seines Handelskonzerns einzupflanzen.

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Rewe-Chef Alain Caparros Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

Alain Caparros sitzt entspannt im Sessel seines Büros in der Kölner Rewe-Zentrale und arbeitet sich routiniert durchs Interviewprotokoll. Die Umsatzentwicklung? "Ausgezeichnet". Der Preiskrieg im Handel? "Kollektiver Selbstmord". Neue Konzepte? "Temma!", ruft erfreut Caparros mit französischem Akzent. "Kennen Sie Temma?" Der Apfelsaft dort sei fantastisch, das frische Brot ein Traum, schwärmt der Rewe-Chef. Temma ist ein kleiner Testmarkt, ein paar Kilometer von der Zentrale entfernt. Er ist eine Neuinterpretation des klassischen Tante-Emma-Geschäfts: ein Mix aus Bistro, Bio- und Nachbarschaftsladen, in dem die Kunden mit gutem Gewissen einkaufen können. Temma soll der Rewe-Gruppe, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 51 Milliarden Euro erzielte, bald schon weitere Gewinne bescheren.

Caparros brennt für das Thema Nachhaltigkeit – und seine Leidenschaft findet Widerhall. Bei der Online-Abstimmung der WirtschaftsWoche und des Deutschen Nachhaltigkeitspreises wurde der Rewe-Chef zum nachhaltigsten Kopf der deutschen Wirtschaft gekürt.

Lieferanten müssen mitziehen

Kein anderer Händler in Deutschland treibt das Thema so nachdrücklich voran. Weltweit verfolgt der Konzern 350 Nachhaltigkeitsprojekte. Zu seinem Reich gehören außer den Rewe-Supermärkten auch der Discounter Penny, die Toom-Baumärkte, der Elektronikhändler ProMarkt sowie zahlreiche Touristikmarken. Rewe-Kunden, die zur Packung Pazifische Tiefseegarnelen oder zum Zeichenblock greifen, können neuerdings ein Label namens Pro Planet auf der Verpackung entdecken. Der Handelskonzern kennzeichnet damit nachhaltig hergestellte Waren.

Lieferanten verpflichten sich mittlerweile per Vertrag, ihre Produkte nachhaltig anzubauen – ob Bananen in Panama, oder Erdbeeren, Paprika und Trauben in Italien und Spanien. 2008 wurde Rewe Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI) und garantierte damit, entlang der gesamten Beschaffungskette soziale Verantwortung zu übernehmen. Im gleichen Jahr stellte der Konzern die Energieversorgung aller Märkte, Lager und Reisebüros in Deutschland und Österreich auf Grünstrom um.

Vorbild "Queen of Green"

Rewe-Lenker Caparros hat damit nicht nur das Publikum überzeugt. Die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises bewertet das Pro-Planet-Projekt als eine von "Deutschlands nachhaltigsten Initiativen". Darüber hinaus erhält Rewe den Sonderpreis "Deutschlands recyclingpapierfreundlichstes Unternehmen".

Als Caparros das erste Mal mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert wurde, existierte der Begriff noch nicht. Caparros hatte 1981, nach dem Betriebswirtschaftstudium in Metz und Saarbrücken, beim Kosmetikkonzern Yves Rocher angeheuert. Nach und nach stieg er in der Hierarchie auf und brachte es innerhalb von zehn Jahren bis zum Vizepräsidenten für Strategie und Entwicklung. Schon damals wurde er auf die Entwicklung eines kleinen, aber rasant wachsenden Konkurrenten aufmerksam: The Body Shop.

Die "Queen of Green", wie Anita Roddick, die 2007 gestorbene Gründerin der Körperpflege-Kette, genannt wurde, hatte 1976 ihr erstes Kosmetikgeschäft gegründet. Dort verkaufte sie Cremes und Shampoos aus natürlichen Produkten – hergestellt ohne Tierversuche. Die Hippie-Unternehmerin traf den Zeitgeist, brachte ihre zum Franchisesystem ausgebaute Kette an die Börse und avancierte zu einer der reichsten Frauen Englands.

Gewinne und ein gutes Gewissen – für Caparros ein überzeugender Ansatz. Seitdem hat ihn das Thema nicht losgelassen. Als er nach Stationen bei Aldi Frankreich und bei dem Schweizer Lebensmittelhändler Bon Appetit zu Rewe wechselte, kam er schließlich in die Position, den Nachhaltigkeitsgedanken mit Macht voranzutreiben.

Wer Gutes tut, muss auch davon erzählen, denkt sich Caparros. Und das möglichst medienwirksam. So posiert er für die Presse mal mit Klaus Töpfer, Ex-Chef des UNO-Umweltprogramms, mal mit seinem neuen Nachhaltigkeitsberater, Ex-Außenminister Joschka Fischer. Die Botschaft an Kunden und weltweit mehr als 326 000 Mitarbeiter: Nachhaltigkeit ist Chefsache.

Kunden sollen ökologisch und ethisch korrekt shoppen

Seinen selbstständigen Kaufleuten, denen die genossenschaftlich organisierte Rewe-Gruppe gehört, macht Caparros das Engagement als "Profilierungs- und Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb" schmackhaft – soll wohl heißen: Während andere Händler allein auf den Preis setzen, bietet Rewe mehr. "Die Zukunft des Handels und der Touristik entscheidet sich nicht beim Preis allein", ist Caparros überzeugt. All jene Kunden, die das wünschen, können sich ökologisch und ethisch korrekt durch die Rewe-Warenwelt shoppen.

Als der Franzose 2006 Rewe-Chef wurde, glaubte kaum einer, dass er lange bleiben würde. Caparros war der dritte Manager an der Spitze in gut zwei Jahren. Der Handelsriese galt intern als "Schlangengrube", ein unregierbares Konglomerat.

Die erste Bewährungsprobe für Caparros kam im Frühjahr 2007. Der US-Finanzinvestor KKR führte die Rewe-Genossen mit einem milliardenschweres Übernahmeangebot in Versuchung. Doch Caparros sagte "non", scharte die mächtigsten Rewe-Genossen um sich und wehrte so alle Übernahmeavancen ab. Dass seine Händler dem Werben der Amerikaner damals widerstanden und ihn unterstützten, hat Caparros nicht vergessen.

Voller Einsatz für Nachhaltigkeit

Er revanchierte sich mit vollem Einsatz, verlängerte die Öffnungszeiten in den Supermärkten, baute das margenstarke Eigenmarken-Sortiment aus und expandierte kräftig. Statt sich in Grabenkämpfen zu zerfleischen, kümmerten sich die Kölner wieder um ihr Kerngeschäft, so auch um die Nachhaltigkeitsstrategie, die Caparros mit Einkaufsvorstand Manfred Esser "in die DNA des Konzerns einpflanzen" will.

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