WirtschaftsWoche Online: Frau Steffens, gerade hat das Verwaltungsgericht Köln geurteilt, dass E-Zigaretten und die dazu gehörenden nikotinhaltigen Liquids keine Arzneimittel seien, Sie vertreten seit Ende vorigen Jahres aber genau diese Ansicht. Was stimmt denn nun?
Barbara Steffens: Die Bundesregierung, mehrere Bundesländer und nach Angaben der EU-Gesundheitskommission die Mehrheit der übrigen EU-Staaten stufen die nikotinhaltigen Liquids für E-Zigaretten ebenfalls als zulassungspflichtiges Arzneimittel ein. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium steht also mit seiner Bewertung nicht allein - und hat vom Verwaltungsgericht in Düsseldorf im Januar bescheinigt bekommen, dass die Einstufung der E-Zigarette als Arzneimittel rechtlich vertretbar ist.
Hatte das gegen Sie klagende Unternehmen Ecoreal nicht gerade mitgeteilt, die nächst höhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht in Münster, habe Ihre Warnungen und Erlasse gegen die E-Zigaretten als rechtswidrig eingestuft?
Wissen Sie, in dieser Debatte wird leider viel Missverständliches verbreitet. Das Oberverwaltungsgericht hat deshalb öffentlich klargestellt: Es hat noch gar keine Entscheidung getroffen.
Warum halten Sie nikotinhaltige Liquids denn für Arzneimittel?
Ganz einfach und in Kurzform: Weil Nikotin ein hochpotenter pharmakologisch aktiver Stoff ist, der, wie andere Arzneimittel auch, krankhafte Beschwerden wie Entzugssymptome bei Rauchern lindert und beispielsweise Produkte wie Nikotinkaugummis ebenfalls eine arzneimittelrechtliche Zulassung benötigen. Die Hersteller nikotinhaltiger Liquids haben vor der Vermarktung die Unbedenklichkeit und die Qualität der Produkte nachzuweisen.
Wer kann das denn nun letztendlich entscheiden?
Es gibt kein Bundesinstitut, das das entscheiden könnte, hier müssen die zuständigen Behörden das bestehende Gesetz auslegen. Natürlich könnten sich alle Länder bundeseinheitlich einigen, aber selbst dann könnten die betroffenen Hersteller klagen und sagen, wir sehen das aber komplett anders.
Aber dann würden sie nur einmal klagen und nicht in jedem Bundesland, oder?
Leider nein. Jede behördliche Maßnahme ist für sich genommen gerichtlich überprüfbar, also könnte jeder Hersteller gegen die ihn betreffenden Maßnahmen eigene Klagen anstrengen. Das sinnvollste wäre für mich deshalb ein europaeinheitliches Verfahren, denn diese Produkte werden ohnehin sehr stark über das Internet vertrieben. Da greift die Auslegung des Bundesrechts durch einzelne Länder einfach zu kurz.
E-Zigarette als Arzneimittel
Und wie ist die Stimmungs- und Entscheidungslage in anderen europäischen Ländern beim Thema E-Zigarette?
Wie schon eingangs erwähnt: Nach Auskunft der EU-Gesundheitskommission hat die Mehrheit der EU-Staaten Regelungen getroffen, die nikotinhaltige E-Zigaretten-Liquids als Arzneimittel einstufen. Namentlich sind das Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Island, die Niederlande, Luxemburg, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei und Ungarn. In Griechenland, Litauen und Norwegen sind nach Angaben der EU-Gesundheitskommission E-Zigaretten sogar ganz verboten.
Frau Steffens, haben Sie jemals geraucht?
Oh ja, ich habe als Jugendliche angefangen und natürlich zu viel geraucht.
Und wie sind Sie davon los gekommen?
Ich habe vom einen auf den anderen Tag aufgehört. Und zugegeben, das war ziemlich hart. Aber Rauchen ist eine Sucht und das muss man sich dann irgendwann einfach mal eingestehen. Und die Konsequenzen daraus ziehen.
Können Sie die Frustration vieler E-Zigarettendampfer da nicht verstehen, die nun eine nicht ganz so brutale Methode gefunden zu haben glauben, vom echten Zigaretten-Qualm los zu kommen? Und die meinen, Sie wollten ihnen diese gefühlt gesündere Alternative vermiesen oder ganz abschaffen?
Nein, das kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich glaube, dass ich mit meiner Einschätzung ganz klar etwas zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher tue. Wie kann man so blauäugig sein, den Herstellern blind zu vertrauen, die ihre Produkte als gesünder anbieten. Das weiß aus heutiger Sicht niemand, und einige Inhaltsstoffe sprechen sogar ganz klar gegen diese Interpretation. Eigentlich würde ich einen Sturm der Entrüstung bei den Konsumenten erwarten, einen Aufschrei und ein Verlangen nach klarer Deklaration der Inhaltsstoffe zum Beispiel. Denn all das ist bisher völlig ungeregelt. Da kann jeder Hersteller drauf schreiben was er will und kontrolliert wird es bisher sowie so nicht. Im Übrigen will ich die nikotinhaltigen Liquids nicht abschaffen, sondern - wie es das Arzneimittelgesetz vorsieht - unter Erlaubnisvorbehalt stellen.
Viele E-Schmaucher interpretieren den Einsatz von Politikern gegen die E-Zigarette vor dem Hintergrund der munter sprudelnden Tabaksteuer als sehr eigennützig.
Ein Vorwurf, der bei mir nun wirklich nicht verfängt. Ich habe für Nordrhein-Westfalen ein konsequentes Nichtraucherschutzgesetz vorbereitet, da kann man mir Nähe zur Tabaklobby wohl kaum unterstellen. Leider ist das Gesetz nun mitsamt der Haushaltsplanung ins Stocken geraten und wird wohl erst nach Neuwahlen in NRW beschlossen und umgesetzt werden. Auch profitiert Nordrhein-Westfalen nicht von der Tabaksteuer, da diese Steuer allein dem Bund zufließt.
Und wann könnte eine europaweite Regelung für die E-Zigaretten in Angriff genommen werden?
Nach allem, was ich höre, will die zuständige EU-Kommission das Thema im Herbst auf die Tagesordnung bringen.