Ebola Das Schlimmste steht noch bevor

Die WHO schlägt Alarm. In den kommenden Wochen wird die Zahl der Ebola-Toten laut einer Studie dramatisch steigen. Und Hoffnung auf eine baldige Entspannung der Lage gibt es kaum.

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Der Wartebereich vor einer Ebola-Ambulanz im liberischen Monrovia. Wie viele Neuerkrankungen drohen dem afrikanischen Staat noch? Quelle: dpa

Genf Zu wenig Klinikpersonal, zu wenig Krankenhausbetten, überforderte Gesundheitsbehörden - die Lage in den vom Ebola-Virus heimgesuchten Ländern in Westafrika ist verheerend. Und es wird noch schlimmer kommen: Schon bald müsse man mit Tausenden Infizierten pro Woche rechnen, bis Anfang November würden sich mehr als 20 000 Menschen angesteckt haben, heißt es in einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Imperial College in London.

Ausgebrochen ist die Krankheit im Dezember in den Präfekturen Guéckédou und Macenta in Guinea. Doch erst am 23. März wurde die Epidemie der WHO bekannt. Für ihre Studie, die am Dienstag im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ erschienen ist, haben die Wissenschaftler die Daten aus neun Monaten gesammelt, analysiert und auf dieser Basis Prognosen für den weiteren Verlauf der Epidemie erstellt. Stichtag der Berechnungen war der 14. September.

Während die Krankheit in Nigeria und im Senegal derzeit weitgehend unter Kontrolle scheint, ist die Lage in Guinea, Liberia und Sierra Leone weiter katastrophal. „Projektionen für die Zukunft legen nahe, dass diese drei Länder bald schon jede Woche Tausende von Infizierten und Toten melden werden, solange die Gegenmaßnahmen nicht schnell verbessert werden“, sagte Christopher Dye, WHO-Strategiedirektor und Co-Autor der Studie.

Insbesondere müsse besser verfolgt werden, mit wem Infizierte Kontakt hatten, Kranke müssten angemessen isoliert werden, die Qualität der Pflege und die Kapazitäten der Krankenhäuser erhöht werden, sagte Dye. Zudem forderte er ein größeres Engagement der Verantwortlichen in den betroffenen Gebieten sowie mehr Unterstützung dabei von internationalen Partnern. Auch viele Helfer in den Krisengebieten kritisieren, dass die Hilfe viel zu spät in Gang kam.

Nach jüngsten Daten der WHO wurden in Westafrika bis 18. September 5762 Ebola-Patienten gemeldet, 2793 davon waren gestorben. Die Dunkelziffer liegt vermutlich wesentlich höher. Zudem gibt es einen davon unabhängigen Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo, bei dem 71 Erkrankte registriert wurden, davon 40 Todesfälle.


Nicht ausreichend Medikamente verfügbar

Dass sich Ebola in Westafrika so stark verbreitet hat wie nie zuvor auf der Welt, liegt nach Ansicht der Forscher nicht an der biologischen Beschaffenheit des Erregers. Vielmehr sei dafür der enge und grenzüberschreitende Austausch der Menschen in den Nachbarländern Guinea, Liberia und Sierra Leone sowie der schlechte Zustand der Gesundheitssysteme verantwortlich.

„Die starke Vermischung der Bevölkerung hat die Ausbreitung der Infektion erleichtert, aber ein großer Ausbruch war nicht unvermeidbar“, sagte Christl Donnelly, Professorin für Statistische Epidemiologie am Imperial College. „In Nigeria zum Beispiel, wo das Gesundheitssystem solider ist, ist die Zahl der Fälle bislang begrenzt - ungeachtet der Tatsache, dass die Infektion in die großen Städte Lagos und Port Harcourt eingeschleppt wurde.“

Auf Basis ihrer Daten konnten die Wissenschaftler auch Aussagen über den Verlauf der Krankheit treffen. „Die Analyse zeigt, dass bis zum 14. September 70,8 Prozent der Patienten mit eindeutigen Befunden gestorben sind“, sagte Dye. Diese Quote sei in Guinea, Liberia und Sierra Leone ungefähr gleich.

Niedriger habe die Rate der Todesfälle gelegen, wenn man nur die Patienten in Krankenhäusern betrachte. Dies stütze die Annahme, dass die schnelle Behandlung von Patienten einen Unterschied mache, heißt es in der Studie. Bislang gibt es kein direktes Medikament gegen Ebola, der Körper kann aber im Kampf gegen die Krankheit indirekt gestärkt werden.

Am häufigsten angesteckt hätten sich Menschen im Alter von 21 bis 44 Jahren. Aus dieser Altersgruppe stammen gut 60 Prozent der Infizierten. Allerdings lag hier auch die Überlebensrate am höchsten. Widerlegen konnten die Forscher die Vermutung, dass Frauen sich öfter infizieren, etwa weil sie mehr mit der Pflege von Kranken befasst sind. „Es mag Unterschiede in einigen Teilen der Gesellschaft geben, aber als wir die Daten gebündelt betrachtet haben, konnten wir sehen, dass die Verteilung der Infektionen annähernd bei 50-50 liegt.“

Tests von Medikamenten und Impfungen gegen Ebola versprächen Hoffnung für die Zukunft, erklärten die Wissenschaftler. Doch selbst wenn sich diese Mittel als sicher und effektiv erwiesen, sei es unwahrscheinlich, dass sie in den kommenden Monaten in der benötigten Menge zur Verfügung stünden, um bei der Eindämmung der Seuche zu helfen.

„Das Risiko einer weiteren Ausbreitung von Ebola ist real“, warnen die Forscher. „Diese Studie bietet alle Belege für einen dringenden Weckruf, um die Kontrollmaßnahmen intensiv hochzufahren, während zugleich weiter an der schnellen Entwicklung und Bereitstellung neuer Medikamente und Impfstoffe gearbeitet wird.“

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