Professor Fleischer, inzwischen haben sich außerhalb von Westafrika schon zwei Krankenschwestern mit Ebola infiziert, obwohl sie bei der Pflege der inzwischen verstorbenen Patienten Schutzkleidung trugen. Was läuft da schief?
Fleischer: Das Problem ist zum einen, dass diese Patienten eine unglaublich hohe Virusmenge im Blut hatten – und damit auch in ihren Ausscheidungen. Sie müssen sich vorstellen, dass bei so einem schwerkranken Patienten etwa zwei Milliarden Viruspartikel in einem einzigen Milliliter Blut vorhanden sind. Das kann man im Verhältnis eins zu einer Million verdünnen – und es wäre immer noch infektiös. Das macht deutlich: Es reicht ein winziger Spritzer. Da muss man wirklich unter absoluten Sicherheitsvorkehrungen arbeiten.
Aber genau das sollten die Fachkräfte in den Spezial-Kliniken in Dallas und in Madrid doch eingeübt haben.
Ja, aber in Madrid hatte sich die Krankenschwester offenbar doch ins Gesicht gefasst. Genau das darf man niemals machen – und sich dann vor allem nicht anschließend erneut durchs Gesicht wischen, so dass die Erreger über die Schleimhäute an Augen, Nase oder Mund in den eigenen Körper gelangen können. Deshalb müssen die Pflegekräfte auch immer zu zweit arbeiten. Wenn die Brille rutscht oder es am Kopf juckt, darf derjenige, der gerade mit dem Patienten zu tun hat, sich keinesfalls selbst ins Gesicht fassen, um die Brille wieder hoch zu schieben. Das darf allerhöchstens die zweite Pflegekraft tun, die den Patienten nicht berührt hatte.
Zwei Unfälle bei bisher erst sehr wenigen zu behandelnden Patienten außerhalb Afrikas – sehen Sie da ein strukturelles Problem?
Die Unfälle passierten Krankenschwestern, die Masken und Kittel trugen, weil diese Kliniken nicht über spezielle Behandlungszentren verfügten. Damit sind sie kaum besser ausgerüstet als die Hilfskräfte in Afrika. Denn wenn die Kleidung abgelegt wird, muss man extrem aufpassen, dass man sich daran nicht infiziert. In den deutschen Behandlungszentren sind die Sicherheitsstandards hoch: Hier verlangen die Behörden für jedes Hochsicherheitslabor und jede Behandlungseinheit Ganzkörper-Anzüge.
Das ist das Ebola-Virus
Das Ebola-Virus gehört zu den gefährlichsten Krankheitserregern der Welt. Es löst ein sogenanntes hämorrhagisches, das heißt mit starken Blutungen einhergehendes, Fieber aus.
Je nach Erregerstamm sterben laut Angaben der WHO 25 bis 90 Prozent der Patienten an einer Ebola-Erkrankung. Trotz intensiver Forschung ist noch kein Heilmittel auf dem Markt, Impfstoffe sind in der Testphase.
Seinen Ursprung hat das Virus im Tierreich. Menschen können sich über den Kontakt zu erkrankten Tieren infizieren, unter anderem Affen oder Flughunde. Von Mensch zu Mensch überträgt sich die Krankheit durch Blut und andere Körperflüssigkeiten.
Die Inkubationszeit beträgt nach WHO-Angaben zwei Tage bis drei Wochen. Dann setzen Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Schwächegefühl und Halsschmerzen ein. Später gehen Nieren- und Leberfunktion zurück, auch andere Organe werden geschädigt. Es können schwere innere Blutungen auftreten. Erst wenn die Symptome auftreten, sind Infizierte ansteckend.
Ebola kommt vor allem nahe des afrikanischen Regenwaldes vor. Zum ersten Mal wurde das Virus 1976 im damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, nahe dem Ebola-Fluss nachgewiesen. Daher hat die Krankheit ihren Namen.
Laut aktuellen Zahlen der WHO (Stand: 14. November 2014) sind seit dem aktuellen Ausbruch mehr als 14.400 Ebola-Fälle bekanntgeworden, die meisten in Liberia und Sierra Leone. Fast 5200 Menschen haben das Virus nicht überlebt.
Aus denen müssen die Pfleger aber auch irgendwie heraus kommen, oder?
Ja, aber die Anzüge werden, bevor der Pfleger sie auszieht, von einem zweiten Helfer komplett abgeduscht und desinfiziert. Das senkt die Gefahr solcher versehentlichen Infektionen deutlich. Darum bin ich sicher: Aus unserem Labor kommt kein Erreger heraus. Wir arbeiten und forschen hier seit 20 Jahren mit solchen Viren – und alle Mitarbeiter üben laufend den Umgang mit diesen Anzügen, damit nichts passiert. Auch in der Behandlungseinheit in Hamburg-Eppendorf sind die Mitarbeiter darin sehr gut trainiert.
Thomas Frieden, der Chef der US-Seuchenbehörde CDC äußerte jüngst die Sorge, Ebola könne sich zu einer Plage wie Aids auswachsen. Sehen Sie die Gefahr, dass Ebola zu einem weltweiten Problem werden könnte?
Es stimmt zwar, dass es seit der SARS-Epidemie vor zehn Jahren keine Seuche gab, die so beunruhigend war und solche extremen Herausforderungen gestellt hat wie Ebola. Auch die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen afrikanischen Länder sind fatal, ohne Frage. Aber medizinisch betrachtet hinkt der Vergleich. Denn Ebola-Viren und HI-Viren, die die Immunschwäche Aids verursachen, sind grundverschieden – vor allem in ihrer Ausbreitungsstrategie. HI-Viren infizieren Menschen, sind aber nicht sofort tödlich, sondern erst nach vielen, vielen Jahren. Das ist das Problem: Die Infizierten haben viele Jahre lang Zeit, das Virus weiterzugeben - und zwar schon lange bevor die Krankheit Aids bei ihnen selbst ausbricht und sie offensichtlich als Infizierte erkennbar sind. Ebola ist dagegen so tödlich, dass die Seuche sich selbst auslöscht. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Patient stirbt – und zwar sehr schnell. Oder der Patient überlebt, und dann ist er immun und damit geschützt vor dem Virus. Ich glaube deshalb nicht, dass Ebola über die Welt hinwegrasen wird wie etwa die 1918er Grippe oder die Pest im vierzehnten Jahrhundert. Dafür ist das Ebolavirus nicht geeignet.