Europäischer Kopfschmerz- und Migränetag „In meinem Kopf braut sich etwas zusammen“

Kopfschmerzen nerven. Für viele Migräne-Patienten bedeuten sie sogar eine lebenslange Einschränkung. Kann auch das Wetter die qualvollen Attacken auslösen?

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Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Lucia Gnant weiß es oft schon Stunden vorher: Ein Gewitter ist im Anzug. Oder das Wetter schlägt um. Sie spürt das im Gehirn. „Ich habe dann in meinem Kopf eine bestimmte Situation“. Und die eskaliert dann zum fast unerträglichen Schmerz. Gnant ist Vorsitzende der Migräne-Liga, die sich auf ihrem Symposium am 17. September in Potsdam mit dem Einfluss des Wetters auf Migräne befassen wird; kurz nach dem Europäischen Kopfschmerz- und Migränetag an diesem Samstag. „Wissenschaftlich erwiesen ist es nicht. Aber wenn Sie mit Patienten reden, wird jeder sagen, wenn das Wetter wechselt: In meinem Kopf braut sich etwas zusammen.“

Etwa sieben bis zehn Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen leiden unter dem pulsierenden Kopfschmerz. Manche können dann nur im abgedunkelten Zimmer liegen und warten, bis es vorbei geht. Migräne, oft unterschätzt und als einfaches Kopfweh abgetan, zählt zu den schlimmsten Schmerzzuständen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt sie zu den 20 Leiden, die das Leben am stärksten einschränken.

Mediziner gehen davon aus, dass die Veranlagung weitgehend erblich bedingt ist. „Was das Migränehirn vom normalen Hirn unterscheidet, ist die Schwierigkeit, abzuschalten“, sagt Charly Gaul, Chefarzt der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein. „Sie sind wie ein Hund, der immer ein Ohr aufgestellt hat - sie kriegen viel mehr mit.“ Damit komme das Gehirn schneller an die Belastungsgrenze. „Wenn Sie einen Migränepatienten fragen: Was ist Ihre größte Schwäche? Dann würde er sagen: Perfektionismus.“

Auf bestimmte Reize werden Botenstoffe ausgeschüttet, es gebe elektrische Reize. „Die bringen eine Kaskade von Schmerz, Veränderung an den Gefäßen und auch entzündungsähnliche Prozesse in Gang.“

Das Gehirn von Betroffenen reagiert vor allem sensibel auf Wechsel: bei der Ernährung, im Flüssigkeitshaushalt des Körpers, im Schlaf- und Wachrhythmus. Beispiel „Wochenendmigräne“: Gerade wenn die Patienten ausschlafen wollten, holten sie Anfälle ein, sagt Stefanie Förderreuther, Ärztin und Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Den Umgang mit der Krankheit lernen könne bedeuten, sich auch am Wochenende den Wecker zu stellen - und dann nochmals weiterzuschlafen. „Migräne mag es sehr gleichmäßig.“

Schmerzmittel alleine genügen nicht

Die Migräne-Liga hat auf ihrer Seite einen Link „Migränewetter“. „Menschen mit chronischer Krankheit sind für bestimmte Wetterlagen empfindsam“, sagt der Biologe Holger Westermann von der Menschenwetter-Redaktion, die Vorhersagen für Krankheiten von Depression bis Herz-Kreislaufbeschwerden bereitstellt. Für den einen ist Hitze, für den anderen Feuchtigkeit oder Kälte problematisch. „Was dem Asthmatiker schadet, kann dem Rheumatiker gut tun.“

So schlafen Sie besser ein - und durch
Auf Matratzen und Kissen achtenWie man sich bettet, so liegt man: Passen Matratze und Kissen nicht, wird es auch nichts mit dem erholsamen Schlaf. Deshalb sollten Sie beim Kauf auch einmal Probe liegen und Ihre Matratze alle fünf bis zehn Jahre gegen eine neue tauschen. Kissen sollten alle zwölf bis 18 Monate ausgewechselt werden. Experten raten Paaren außerdem dazu, auch im gemeinsamen Bett getrennte Matratzen zu haben, da die Ansprüche an die Matratze verschieden sind. Bei einer durchgehenden Matratze besteht die Gefahr, dass einer zu weich und der andere zu hart liegt. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Ein Paar schaut im Bett Fernsehen Quelle: Fotolia
Ernährung beachtenAlkohol kann helfen, schneller einzuschlafen. Dafür wird die Nacht unruhiger. Faustregel: maximal ein Glas Bier oder Wein. Besser ist ein Glas warme Milch, denn sie enthält die Aminosäure Tryptophan – und die fördert den Aufbau des Schlafhormons Serotonin. Zu viel Eiweiß und Proteine sind schwer verdaulich. Und das Nikotin der Gute-Nacht-Zigarette stimuliert das Gehirn. Quelle: dpa
Bahnhofsuhr Quelle: dpa
Sport machenWer tagsüber Sport macht, schläft abends leichter ein. Dafür muss es kein dreistündiges Krafttraining sein, ein Spaziergang bewirkt auch schon einiges. Wichtig ist allerdings, sich nicht kurz nach Trainingsende ins Bett zu legen. Kurz nach dem Sport ist der Kreislauf noch sehr aktiv. Quelle: dpa
Eine Frau macht eine Yoga-Übung Quelle: obs
Auf die Temperatur achtenIst es im Schlafzimmer zu heiß oder zu kalt, ist das ebenfalls nicht gut für den Schlaf. Deshalb darauf achten, dass es in dem Raum, in dem man schläft, zwischen 15 und 19 Grad hat. Wenn der Partner mit im Bett schläft, empfiehlt es sich außerdem, zwei Decken zu benutzen. Dann erspart man sich das Aufwachen mitten in der Nacht, weil der Mitschläfer die Bettdecke geklaut hat. Quelle: dpa

Wissenschaftler der Hochschule Hof untersuchen mit der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein und der Universität Rostock seit 2011 anhand von Online-Patientenmeldungen Faktoren, die Migräne auslösen können. Es geht bei dem Migräne-Radar auch darum, ob ein Zusammenhang zwischen Migräne und Wetterwechseln nachweisbar ist. „Wir haben aus der ersten Projektphase Hinweise“, sagt Projektleiter Jörg Scheidt. Der Abgleich von 20.000 Kopfschmerzattacken ergab: „Wenn sich die Temperatur um fünf Grad ändert, haben wir 20 Prozent mehr Anfälle.“

Die Ergebnisse seien jedoch noch unsicher und statistisch nicht sehr signifikant, betont Scheidt. In einer neuen Projektphase sollen deshalb die Daten anonymisiert Betroffenen zugeordnet werden. Die Forscher vermuten, dass nur bestimmte Patienten auf das Wetter reagieren. „Wir hoffen, dass wir schon Ende des Jahres oder im Frühjahr erste Ergebnisse haben.“ Ob die Patienten in dem vergangenen heißen Sommer besonders litten, ist bisher nicht ausgewertet.

Auch Chefarzt Gaul geht davon aus, dass nur eine Gruppe bei Wetterwechseln leidet. „Wir können am Wetter natürlich nichts ändern. Aber die Patienten könnten motiviert werden, eine vorbeugende Behandlung zu machen, Ausdauersport und Entspannungsverfahren, damit sie insgesamt gegenüber diesen äußeren Einflüssen weniger empfindlich werden.“

Schmerzmittel alleine genügen nicht - und sind in manchen Fällen sogar kontraindiziert: Wer sie öfter als zehnmal im Monat nimmt, kann das Gehirn weiter sensibilisieren - und läuft Gefahr, noch öfter Attacken zu erleiden. Menschen mit häufiger Migräne bekommen deshalb Medikamente zur Prophylaxe, etwa Betablocker oder Antidepressiva.

Auch Lucia Gnant nimmt Medikamente. Sie leidet an einer besonderen Form der Migräne mit „Aura“, eine Phase vor dem Kopfschmerz: „Ich bekomme Ausfallerscheinungen in der Sprache, die Zeilen verschwimmen, ich kann nicht richtig greifen - Missempfindungen auf allen Ebenen. Das kann gefährlich sein, wenn es auftritt, wenn ich Auto fahre.“

Die 65-Jährige hat ihr Leben umgestellt. Regelmäßiger Tagesablauf, bewusste Ernährung und Befreiung von unnötigem Ballast zählen zu ihren persönlichen Rezepten. Nach 40-jährigem Leidensweg hat sie es geschafft. „Am 7.7.2010 war mein letzter Anfall.“ Ihre Botschaft: „Es gibt den Weg aus der Migräne. Aber der Betroffene muss es im Wesentlichen selbst machen.“

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