Fliegende Helfer Drohnen können mehr als Krieg

Drohnen filmen bei Demonstrationen, überwachen Solarparks und helfen bei der Wartung von Stromtrassen. Längst werden die kleinen Roboter auch außerhalb des Militärs eingesetzt. Wenn die Flugrechte in Zukunft gelockert werden, geht es erst richtig los.

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Der US-Internetriese Google kauft den Drohnen-Hersteller Titan Aerospace. Die Nachricht hat gesessen. Titan Aerospace entwickelt Drohnen, die in 20 Kilometern Höhe, fünf Jahre lang kreisen und funken können - ohne Zwischenlandung. Google will damit das Internet per Funk in die entlegenen Orte der Welt bringen. Das klingt nett. Aber in Wahrheit können wir uns heute noch nicht ausmalen, was Google mit damit anstellen kann.

Das Google-Engagement hat selbst Stefan Levedag überrascht. Levedag leitet das Institut für Flugsystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig. „Damit kann Google ein Netzwerk aus hochfliegenden Drohnen konstruieren, das ähnlich wie ein Satellitennetzwerk funktionieren würde“, sagt er. Die Daten, die darüber versendet werden, wären dem Zugriff von Außenstehenden entzogen. Auch Staaten hätten keinen Zugriff darauf. Noch hat Google dafür keine Fluggenehmigung – noch.

Die unbemannten Flugzeuge waren bisher hauptsächlich als militärische Waffen bekannt. Schon 2002 setzten die USA beim Anti-Terroreinsatz in Afghanistan und im Jemen Drohnen ein. Auch die Bundeswehr verfügt bereits lange vor dem Euro-Hawk-Debakel über unbemannte Aufklärungssysteme. Doch fernab der Kriegstechnik werden Minidrohnen längst auch im zivilen Bereich eingesetzt. Die ersten elektrisch betriebenen Drohnen, je nach Bauart sogenannte Quattro-, Okto-, oder Hexakopter, wurden vor ungefähr zehn Jahren gebaut.

Drohnen bei der Polizei oder zur Überwachung von Hochspannungsmasten

In einigen Branchen sorgen diese zivilen Drohnen bereits für Kostenreduktion. Denn die sie sind billiger und flexibler als Hubschrauber. So setzt etwa die RWE-Tochter Westnetz bereits seit einem Jahr einen Hexakopter für Wartungsarbeiten an ihren Hochspannungsmasten und Photovoltaik-Anlagen ein. Dafür hat Westnetz vier Piloten ausgebildet. Mit einer Wärmebildkamera, die an den Flugkörpern angebracht ist, untersuchen die Betreiber die Materialabnutzung ihrer Anlagen. Abschnitte, die keinen Strom mehr produzieren, werden so leicht erkannt. Die Kostenersparnisse kann RWE zu diesem Zeitpunkt noch nicht beziffern, aber klar ist: Ohne die Drohne müsste Westnetz eine Anlage einen ganzen Tag lang stilllegen. Jetzt wird der Netzabschnitt innerhalb einer Stunde abgeflogen. Auch die Polizei nutzt Drohnen, um Großereignisse, wie Demonstrationen zu überwachen. Film- und TV-Produzenten ersetzen mit den unbemannten Flugkräften den Kamerakrane und den Helikopter.

Der Kampf mit der Bürokratie

Der Sprecher des deutschen Dachverbandes für Unbemannte Luftfahrzeuge (UAV DACH), Bernhard von Bothmer, glaubt, dass noch weitere Branchen von den Drohnen profitieren könnten. Doch die Regelung der Flugrechte behindere derzeit noch einige Vorhaben: Laut dem Bundesverkehrsministerium ist der Betrieb „von unbemannten Luftfahrtgeräten außerhalb der Sichtweite des Steuerers oder mit einer Gesamtmasse von über 25 Kilogramm grundsätzlich verboten". Die maximale Flughöhe beträgt 100 Meter und der Flug darf ohne Sondergenehmigung nicht über Menschen stattfinden. „Gerade bei der Wartung von industriellen Anlage, wie zum Beispiel bei Überlandleitungen, müssen wir deshalb noch Hubschrauber einsetzen, weil Drohnen-Flüge außerhalb der Sichtweite nicht erlaubt sind“, sagt von Bothmer.

Bevor eine Drohne starten kann, muss sich der Pilot außerdem erst einmal durch Papierberge kämpfen: Die Aufstiegserlaubnis erteilen die Luftfahrtbehörden der Bundesländer. Deren Regeln weisen nochmals feine Unterschiede bei den technischen Vorschriften auf. So musste auch RWE Fluggenehmigungen von vier Bundesländern einholen, bevor die erste Drohne fliegen konnte. Hinzu kommt, dass RWE in bebauten Gebieten jeden einzelnen Flug bei den Ordnungsämtern anmelden muss.

DHL-Drohne war erstmal nur gute PR

Drohne soll bei Herzinfarkt helfen
Aus dem militärischen Alltag sind Drohnen - hier eine Eurohawk-Aufklärungsdrohne der Bundeswehr - nicht mehr wegzudenken. Doch unbemannte Fluggeräte kommen zunehmend auch im zivilen Bereich zum Einsatz. Quelle: dpa
An der Technischen Universität Delft in den Niederlanden hat der Student Alec Momont einen Prototyp für eine Ambulanz-Drohne entwickelt. Das Mini-Fluggerät hat einen Defibrillator an Bord und soll bei Herzstillstand blitzschnell vor Ort sein. Über Audio- und Videoübertragung kann medizinisches Fachpersonal die Helfer vor Ort zum richtigen Einsatz anleiten. Die Drohne ist mit 100 Stundenkilometern unterwegs und findet den Patienten über das Signal des Mobiltelefons, über das der Notruf abgesetzt wurde. Ein Netzwerk solcher Drohnen könne die Überlebenschancen bei einem Herzinfarkt drastisch von acht auf bis zu 80 Prozent erhöhen, hofft Momont. Schon vier bis sechs Minuten nach Herzstillstand kann der Hirntod einsetzen, ein Krankenwagen braucht aber durchschnittlich zehn Minuten. Die Drohne kann in einem zwölf Quadratkilometer großen Radius innerhalb einer Minute am Unfallort sein.Hier gibt es ein Video, das den Drohnen-Einsatz zeigt. Quelle: Screenshot
Helmut Rupp von der Deutschen Bahn begutachtet in Frankfurt am Main den Schaden an einem Zug, der mit Graffiti beschmiert worden ist. Die Deutsche Bahn will Graffiti-Sprüher künftig mit Hilfe kleiner Kamera-Drohnen aus der Luft jagen. Mit Wärmebildkameras sollen Sprüher etwa auf Abstellanlagen für Züge aufgespürt und gefilmt werden. „Wir müssen neue Wege bei der Graffiti-Bekämpfung gehen“, sagte der Sicherheitschef der Bahn, Gerd Neubeck, der "Bild"-Zeitung im Mai 2013. Allein im vergangenen Jahr habe die Bahn etwa 14.000 Graffiti erfasst. Der entstandene Schaden liege bei 7,6 Millionen Euro. Der Flugschreiber der Drohnen solle alle Aufnahmen inklusive Standortdaten gerichtsfest dokumentieren, um Täter juristisch belangen zu können, hieß es. Der neue Hightech-Spürhund mit Logo der Bahn koste 60.000 Euro. In 150 Metern Höhe könne er mit bis zu 54 Kilometern pro Stunde fast geräuschlos fliegen und Ausschau halten. Per Autopilot seien bis zu 40 Kilometer lange Strecken möglich. Quelle: dpa
Die US-Weltraumbehörde Nasa nutzt unbemannte Hightech-Flieger wie diese Global-Hawk-Drohne zur Erforschung höherer Atmosphärenschichten. Quelle: NASA
Auch Archäologen haben längst die Vorteile von Minidrohnen entdeckt. Mit Kameras bestückte Fluggeräte wie der Quadcopter MD4-200 von Microdrone liefern den Ausgräbern die notwendigen Informationen für erfolgversprechende Grabungsprojekte oder 3D-Rekonstruktionen früherer Landschaften. Quelle: Microdrones
Das US-Unternehmen Aerovision hat eine Drohne für die Fischerei entwickelt. Die Messinstrumente an Bord sollen Trawler-Kapitänen bei der Aufspürung von Fischschwärmen helfen. Quelle: Aerovision
Eine Aufklärungsdrohne in Kolibri-Form entwickelten die Experten des US-Unternehmens Aerovironment. Der künstliche Kolibri kann acht Minuten auf der Stelle schweben und lässt sich dabei auch nicht von Windböen vom Kurs abbringen. Flugroboter in Tierform wären perfekt getarnte Überwachungsinstrumente, entsprechend groß ist das Interesse der Entwickler. Quelle: Aerovironment

2013 erteilten die Länder laut Bundesverkehrsministerium insgesamt 1978 Fluggenehmigungen. Es könnten noch mehr sein, wenn da nicht die eingeschränkten Flugrechte wären, sagt von Bothmer. Trotzdem ist der Markt für kleine Drohnen bereits heute schier unüberschaubar. Die kleinen Flugroboter sind auch bei Privatpersonen beliebt. So können Hobbyfilmer die Kameradrohnen der Berliner Firma service-drohne im Online-Shop bereits ab 3900 Euro bestellen. Steuerungen und Sensoriken sind bei den Minidrohnen bereits sehr leistungsfähig, das Knowhow ist weltweit verfügbar. Laut Internationalem Branchenverband UVS International sind derzeit weltweit 1708 unterschiedliche Drohnen-Typen bekannt. Entwickelt und gebaut werden sie von rund 470 Unternehmen, davon 176 mit Sitz in Europa.

Einer der großen deutschen Hersteller ist Aibotix. Das Kasseler Unternehmen stellt Drohnen zur Überwachung von Stromleitungen, Pipelines oder Brücken mit Kameras und anderen Messeinrichtungen her.

Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen etwa 2,5 Millionen Euro umgesetzt und arbeitete nach eigenen Angaben leicht profitabel. 2014 soll der Umsatz auf 5,5 Millionen Euro steigen. Im Februar kaufte das schwedische Unternehmen Hexagon AB, ein Spezialist für das Vermessungswesen, das Unternehmen.

Pakete auch per Drohne

Aibotix lieferte auch den Hexakopter für den ersten Paketflug der Deutschen Post. Im Dezember vergangenen Jahres schickte die DHL eine Drohne samt Paket der Größe M über den Rhein zur Bonner Post-Zentrale. Der Flug ist zwar geglückt. Dennoch hat Stefan Levedag für derlei Visionen nur ein müdes Lächeln übrig. Nicht mehr als ein guter Marketing-Gag sei das, was die Deutsche Post und andere Versandhändler zurzeit testen. Auch der US-Konzern Amazon hat mit Prime Air eine eigene Drohne entwickelt, die direkt nach Hause zum Kunden liefern soll. Innerhalb von 30 Minuten soll die Lieferung laut Amazon beim Besteller ankommen. Levedag glaubt nicht, dass die kleinen Flugroboter in naher Zukunft Sendungen transportieren werden. Denn für die Paketzustellung müssten die Drohnen außerhalb der Sichtweite des Piloten fliegen. Außerdem müsste die Drohne mehrere Kilo transportieren und bei jedem Wetter fliegen. Das aber könne ein Pilot nicht mehr sinnvoll überwachen, sagt Levedag.

Am Ende war es also nur gute PR. Dennoch lässt der DHL-Flug erahnen, dass das Potenzial ziviler Drohnen noch längst nicht ausgeschöpft ist. Wenn die Behörden erst die  Erlaubnis für lange Strecken erteilen, könnten Drohnen noch vielfältiger eingesetzt werden. Die Drohnen würden dann von einer Bodenstation aus gelenkt werden und über ganz Deutschland fliegen. Levedag glaubt, dass das in Zukunft möglich wird. Doch die Auflagen der Flugsicherung werden dann steigen: „Die technischen Anforderungen an die Drohnen werden dann so hoch sein, dass die Kosten pro Flug immens werden“, glaubt Levedag. Es braucht eine Bodenstation, einen ausgebildeten Piloten an dieser Station und einen Datenverbindung zwischen der Station und der Drohne. Es ist fraglich, ob die Flüge dann noch rentabel sind.

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